Bedeutung der klinisch-pharmakologischen Befundung von Wirkstoffkonzentrationsmessungen zur Therapieleitung


Ekkehard Haen, Regensburg

Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen sind seit vielen Jahren fester Bestandteil der Patientenversorgung in der Inneren Medizin, Neurologie und Psychiatrie. Bislang wurden die Ergebnisse derartiger Bestimmungen in Relation zu einem „therapeutischen Bereich” (Norm- oder Referenzbereich) ausgegeben, der aber zumindest in der Psychiatrie nur äußerst schlecht etabliert ist. Die klinisch-pharmakologische Befundung ist eine kommentierte Befundausgabe, bei der ein Messwert sowohl in Relation zu einem solchen „therapeutischen Bereich” als auch zur verabreichten Dosis interpretiert wird und Abweichungen als Folge von Compliance-Problemen oder Interaktionen mit Nahrungs-, Genuss- und Arznei- mitteln oder durch den individuellen Metabolisierungsstatus des Patienten erklärt werden. Der vorliegende Bericht stellt als Beispiel die Befundung von 225 Olanzapin-Konzentrationen zusammen, die zwischen dem 7. Januar und dem 14. Mai 2002 in unserem Labor bestimmt wurden. Es wurden dosisbezogene Olanzapin-Konzentrationen berechnet, die nach einer gegebenen Dosis zu erwarten waren. Etwa 46 % der gemessenen Werte fanden sich außerhalb dieses Bereichs, wobei die Hälfte dieser Werte (23% der gemessenen) trotzdem innerhalb des „therapeutischen Bereichs“ des Labors lag. Ein Drittel der Werte wurde als für die Dosis zu niedrig eingestuft und durch mangelnde Compliance, das Rauchen der Patienten oder einen möglichen extensiven Stoffwechselstatus erklärt. Der Rest war für die Dosis zu hoch und wurde durch Verdacht auf beispielsweise Cytochrom-P450-2D6-Hemmung durch Metoprolol oder Timolol oder in Ermangelung einer anderen Erklärung als Hinweis auf einen langsamen Stoffwechselstatus erklärt. Die klinisch-pharmakologische Befundung wurde von den Klinikern sehr kontrovers aufgenommen: vor allem die Jüngeren sind sehr dankbar für die Hinweise, während sich die erfahreneren Kollegen schon auch einmal bevormundet fühlen oder überzeugt sind, dass sie ihren Patienten besser kennen als der klinische Pharmakologe.
Schlüsselwörter: therapeutisches Drug-Monitoring (TDM), klinisch-pharmakologische Befundung, Olanzapin, Arzneimittelinteraktionen, therapeutische Bereiche
Psychopharmakotherapie 2005;12:138–42.

Die Bestimmung von Wirkstoffkonzentrationen im Blut von Patienten (therapeutic drug monitoring, TDM) ist seit vielen Jahren in der Inneren Medizin, Neurologie und Psychiatrie eine Standardmethode zur Überwachung der Arzneimitteltherapie bei gefährdeten Patienten. Derartige, in klinisch-chemischen Labors durchgeführte Routinebestimmungen waren und sind für einige wenige Wirkstoffe mit geringer therapeutischer Breite unumstritten (Tab. 1) [1]. Bei den meisten in der Inneren Medizin durchgeführten Konzentrationsbestimmungen ging es in der Vergangenheit in erster Linie um die Vermeidung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW), zum Beispiel bei Digitalis-Präparaten, Theophyllin und Aminoglykosid-Antibiotika [z.B. 2, 3]. In der Neurologie wurde auf diese Art und Weise überwiegend der Einsatz von Antiepileptika überwacht, in dem Bestreben, durch Einhaltung bestimmter Mindestkonzentrationen einen möglichst weitgehenden Schutz vor epileptischen Anfällen sicher zu stellen [4]. Zur Beurteilung wurden therapeutische Bereiche etabliert, die im Laborausdruck quasi als „Normwerte“ mit ausgedruckt wurden und dem Einsender suggerierten, dass Konzentrationen oberhalb der unteren Grenze mindestens erreicht werden müssten, um überhaupt eine therapeutische Wirksamkeit zu erzielen. Beim Überschreiten der oberen Grenze sollte verstärkt mit dem Auftreten unerwünschter bis toxischer Wirkung zu rechnen sein. Diese „therapeutischen Bereiche“ waren in der Praxis immer wieder umstritten und haben sich nicht bewährt.

Tab. 1. Wirkstoffe, bei denen eine Wirkstoffkonzentrationsbestimmung zur Therapieleitung etabliert ist

Internistische Indikationen

Aminoglykosid-Antibiotika

Herzglykoside

Theophyllin

Neurologische Indikationen

Antiepileptika

– Valproinsäure

– Carbamazepin

– Phenytoin

Psychiatrische Indikationen

Lithiumsalze

Trizyklische Antidepressiva

Typische Neuroleptika

Clozapin

In der Psychiatrie hat die Wirkstoffkonzentrationsmessung zur Therapieleitung in jüngster Zeit große Aktualität entwickelt [5, 6]. Hierbei rückt neben den klassischen Zielvorstellungen die individuelle Therapieoptimierung zugeschnitten auf den einzelnen Patienten in den Vordergrund. Aus diesem Grund wird zunehmend die Einordnung der Konzentrationsmessungen in therapeutische Bereiche durch die Beurteilung der gemessenen Konzentration unter Bezug auf die gegebene Dosierung ergänzt. Informationen hierüber lassen sich bereits in sehr niedrigen Dosisbereichen erkennen. Aus den so gewonnenen dosisbezogenen Konzentrationsdaten lassen sich Hinweise auf die Compliance des Patienten, auf Interaktionen des Arzneistoffs mit anderen Arzneistoffen, mit Nahrungs- und Genussmitteln und als Ausschlussdiagnose Hinweise auf genetisch bedingte Veränderungen des Arzneimittelstoffwechsels ableiten. Eine derartige Interpretation der Labordaten ist sehr viel komplexer als die früher übliche Einordnung in therapeutische Bereiche. Die Vielzahl möglicher Arzneimittelinteraktionen ist von dem praktisch tätigen Arzt vor Ort nicht zu überblicken. Wir haben daher in unserem Labor eine klinisch-pharmakologische Befundung der Wirkstoffkonzentrationsmessungen eingeführt, die im Folgenden erläutert und einer ersten Auswertung unterzogen werden soll.

Vorgehensweise

Der Anforderungsbogen

Voraussetzung für eine sinnvolle klinisch-pharmakologische Befundung ist es, dem befundenden Arzt eine möglichst umfassende Patienteninformation zur Verfügung zu stellen. Hierzu gehören die üblichen Patientenstammdaten wie Aufnahmenummer, Name, Alter, Geschlecht und Diagnose.

Als zweites muss dem Labor natürlich angegeben werden, welcher Arzneistoff tatsächlich bestimmt werden und unter welcher Fragestellung die Bestimmung erfolgen soll (z.B. Compliance-Überprüfung, Therapiekontrolle, Verdacht auf Arzneimittelinteraktionen).

Der dritte Block umfasst Angaben zur aktuellen Medikation und Komedikation des Patienten inklusive Dosierung und kürzlich vorgenommener Änderungen der Verordnung. Zur Beurteilung einer möglichen Interaktion mit Nahrungs- und Genussmitteln sind Angaben über das Rauchverhalten, die Aufnahme Coffein-haltiger Getränke oder die Ernährung mit Grapefruitsaft notwendig.

Letzter Punkt sind Angaben zum Gesundheitszustand des Patienten, also globale Angaben zum psychopathologischen Befund (Beurteilung des globalen klinischen Gesamteindrucks, CGI-Skala) und Angaben zu aufgetretenen unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Der Befundbericht

Als Analyseergebnis erhält der anfordernde Arzt:

 Den Messwert angegeben in ng/ml. Neben diesem Messwert wird der „therapeutische Bereich“ angegeben, der in unserem klinisch-psychopharmakologischen Labor als „Referenzwert“ bezeichnet wird. Hintergrund dieser Bezeichnung ist die Tatsache, dass „therapeutische Bereiche“ im eigentlichen Sinn in der Psychiatrie bislang nicht etabliert sind. Die zuletzt in der TDM-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Neuropharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) niedergelegten Zielkorridore geben üblicherweise die bei 95% der Patienten gemessenen Wirkstoffkonzentrationen wieder, nicht notwendigerweise die therapeutisch erwünschten Grenzen [5].

 Eine Bewertung der Frage, ob die gemessene Konzentration in Relation zur gegebenen Dosis zu hoch, passend oder zu niedrig ist. Zur Beurteilung dieser Frage gehen wir prinzipiell von dem pharmakokinetischen Zusammenhang zwischen Erhaltungsdosis und Wirkstoffkonzentration im pharmakokinetischen Gleichgewicht gemäß folgender Formel aus:

  • De × F
  • τ = c × Cl
  • c = Wirkstoffkonzentration
  • De = Erhaltungsdosis
  • F = Bioverfügbarkeit
  • τ = Dosierungsintervall pro Tag
  • Cl = totale Clearance

Einen Hinweis (je nachdem, ob die gemessene Konzentration als nicht zur Dosis passend bewertet wurde), ob die Abweichung durch den Verdacht auf mangelnde Compliance, das Vorliegen einer Interaktion mit anderen Medikamenten, Nahrungs- oder Genussmitteln oder durch einen veränderten genetischen Status zu erklären ist.

 Eine Gesamtempfehlung aus klinisch-pharmakologischer Sicht, ob angesichts der Beurteilung der Konzentration in Bezug auf die Dosis und den Referenzbereich und unter Berücksichtigung des Befindens des Patienten die Dosis des gemessenen Wirkstoffs erhöht werden kann oder gesenkt werden sollte. Wichtig ist uns, dass der klinische Pharmakologe lediglich eine Empfehlung auf Grund der vorliegenden Angaben und Messungen machen kann, die letzte Verantwortung für eine Dosisänderung aber allein beim behandelnden Arzt vor Ort und seiner Beurteilung der klinischen Situation verbleiben muss.

Datenerhebung

Zwischen dem 7. Januar und dem 14. Mai 2002 wurden im Labor der Klinischen Pharmakologie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Regensburg in Zusammenarbeit mit dem klinisch-chemischen Labor des Bezirksklinikums Regensburg 328 Clozapin- und 225 Olanzapin-Bestimmungen durchgeführt. Der vorliegenden Auswertung wurden die Anforderungsbögen und Befundberichte der 225 Olanzapin-Bestimmungen zu Grunde gelegt. Olanzapin wurde mit einer in Regensburg entwickelten Methode bestimmt, die auf der hochdruckflüssigkeitschromatographischen Auftrennung einer Serumprobe mit anschließender elektrochemischen Detektion basiert. Die untere Quantifizierungsgrenze der Methode lag bei 0,5 ng/ml.

Ergebnisse

Wirkstoffkonzentrationen

Abbildung 1 gibt die Daten der 225 in die Auswertung einbezogenen Konzentrationensmessungen wieder. Der in Regensburg seinerzeit angenommene Referenzbereich von 10 bis 45 ng/ml [6] ist in dieser Abbildung durch zwei zur x-Achse parallele Linien markiert. Werte, die unterhalb der unteren Grenze dieses Bereichs liegen, sind mit Kreisen wiedergegeben, Werte oberhalb der oberen Grenze mit Quadraten, Werte im Referenzbereich mit Rauten. Der Regensburger Referenzbereich lag unterhalb des Ende 2004 publizierten Referenzbereichs der TDM-Arbeitsgruppe der AGNP von 20 bis 80 ng/ml [5].

Abb. 1. Gemessene Olanzapin-Konzentrationen in Relation zur Tagesdosis

Durchgezogenen Linie: Lineare Regressionsgerade; gepunktete Linie: nach dem Clearancewert von Kassahun et al [7] zu erwartender Dosis-Konzentrations-Bereich; gestrichelte Linie: empirisch in Regensburg ermittelter Bereich für die Dosis-Konzentrations-Beziehung. Quadrate: Konzentrationen über dem 2002 in Regensburg angenommenen Referenzbereich [6]; Rauten: Werte in diesem Referenzbereich; Kreise: Werte darunter.

Aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass nur eine sehr schwache Dosis-Konzentrations-Beziehung besteht, die durch eine nicht durch den Nullpunkt gehende lineare Korrelationsgerade (durchgezogene Linie) wiedergegeben wird. Deutlich fallen einige sehr hohe Werte heraus, erkennbar sind aber auch Fälle, in denen trotz Dosen von 10 oder 20 mg/Tag keine messbare Konzentration vorlag. Erkennbar sind andererseits vor allen Dingen im Niedrigdosisbereich zahlreiche Werte, die zwar innerhalb des im Labor gültigen Referenzbereichs, aber deutlich oberhalb der linearen Regressionsgerade liegen.

Mit zwei punktierten, durch den Nullpunkt gehenden Geraden wird in Abbildung 1 der Bereich markiert, innerhalb dessen nach der oben angegebenen pharmakokinetischen Gleichung die gemessenen Konzentrationen liegen sollten, wenn man in der Gleichung die totale Clearance nach Kassahun et. al. [7] mit einem Wert von 44,1±8,8l/h einsetzt; die untere Gerade entspricht dabei dem Clearance-Wert von 44,1+8,8l/h, die obere Gerade dem Wert von 44,1–8,8l/h. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass der so ermittelte Zielkorridor für eine Dosis-Konzentrations-Beziehung mit den in der Praxis gemessenen Werten nicht übereinstimmt. Durch Korrelation von 456 Olanzapin-Bestimmungen mit der gegebenen Dosierung haben Dobmeier et. al. empirisch einen Faktor von 2,11 für die Konzentrations-Dosis-Beziehung unter einer Monotherapie mit Olanzapin ermittelt [8]. Wir haben daher im Folgenden der klinisch-pharmakologischen Befundung einen Zielkorridor zwischen dem Ein- und Zweifachen der Tagesdosis zu Grunde gelegt. Dieser Bereich ist in Abbildung 1 durch zwei gestrichelte Geraden angedeutet. Sie lassen eine hinreichend vernünftige Dosis-Konzentrations-Beziehung erkennen. Dabei sind aber immer noch vor allen Dingen im Niedrigdosisbereich erhebliche Abweichungen der gemessenen von der erwarteten Konzentration erkennbar.

Befundkommentare

Von den bestimmten 225 Olanzapin-Konzentrationen lagen 39 über dem Referenzbereich, 157 im Referenzbereich und 29 darunter. Durch den Bezug auf die verabreichte Dosis unterteilte sich jeder dieser drei Bereiche erneut in drei Subbereiche, in denen die gemessene Wirkstoffkonzentration jeweils in Relation zur verabreichten Dosis wiederum als zu hoch, passend oder zu niedrig eingestuft wurde. Ein vierter Bereich markiert solche Proben, bei denen im Anforderungsbogen nicht die erforderlichen Angaben zur Dosis und Komedikation gemacht wurden, so dass keine klinisch-pharmakologische Befundung vorgenommen werden konnte. In Abbildung 2 ist zu erkennen, dass bereits unter denjenigen Proben, deren Wirkstoffkonzentration unterhalb des Referenzbereichs lagen, Konzentrationen zu identifizieren waren, die in Relation zur verabreichten Dosis als zu hoch eingestuft werden mussten. Unter den Proben, deren gemessene Wirkstoffkonzentration innerhalb des Referenzbereichs lag, wurde bei einem knappen Viertel die Wirkstoffkonzentration in Relation zur verabreichten Dosis als zu hoch eingestuft (Tab. 2).

Abb. 2. Bewertung der gemessenen Olanzapin-Konzentrationen in Relation zum Referenzbereich und zur Dosis

Jeder der drei Bereiche, in denen die Konzentration in Bezug zum Referenzbereich (sog. „therapeutischer Bereich“) als zu hoch, passend oder zu niedrig gefunden wurde, zerfällt durch die klinisch-pharmakologische Befundung seinerseits in vier Bereiche: Konzentration in Relation zur gegebenen Dosis zu hoch, passend, zu niedrig. Für einige Proben wurden bei der Anforderung nicht genügend Angaben gemacht, um eine klinisch-pharmakologische Befundung vorzunehmen.

Tabelle 2 enthält eine Zusammenfassung der wesentlichsten klinisch-pharmakologischen Kommentare zur Befundung der Olanzapin-Konzentrationsbestimmungen. Konzentrationen, die in dem für die Dosis erwartbaren Bereich lagen, wurden nicht kommentiert. Die Schnittmenge dieser Konzentrationen, die auch innerhalb des Referenzbereichs liegen, macht zwar den größten Teil der Proben aus, dies sind aber trotzdem weniger als zwei Drittel aller Messungen (62,4%).

Tab. 2. Klinisch-pharmakologische Hinweise bei nicht zur Dosis passenden Olanzapin-Konzentrationen (die Zahlen bezeichnen die Anzahl der untersuchten und kommentierten Patientenproben; k.A. = keine Angabe)

Dosis zu hoch

(n=69)

Dosis passend

(n=116)

Dosis zu niedrig

(n=34)

k.A. zur Dosis

(n=6)

>Referenzbereich

(n=39)

29

– V.a. Interaktion 12

– Verlangsamte Metabolisierung? 1

– k.A. zur Komedikation 14

7

– Keine wesentlichen Kommentare

– Überdosis 1

2

– V.a. Interaktion 1

(Raucher 1)

– V. a. Intoxikation 1

1

Im Referenzbereich

(n=157)

39

– V.a. Interaktion 11

– Verlangsamte Metabolisierung? 4

– k.A. zur Komedikation 24

98

– Keine wesentlichen Kommentare

15

– V.a. Interaktion 8

(Raucher 7)

– Beschleunigte Metabolisierung? 4

– Nicht compliant 2

– k.A. zur Komedikation 1

5

<Referenzbereich

(n=29)

1

– V.a. Interaktion 1

11

– Keine wesentlichen Kommentare

17

– V.a. Interaktion 9

(Raucher 7)

– Beschleunigte Metabolisierung? 0

– Nicht compliant 7

– k.A. zur Komedikation 1

In knapp einem Drittel der Fälle (30,7%) wurde die Konzentration in Relation zur verabreichten Dosis als zu hoch eingestuft, in 15,1% der Bestimmungen wurde sie als zu niedrig bewertet. Sehr häufig wurde in beiden Fällen Verdacht auf eine Arzneimittelinteraktion geäußert. Von den 34 Fällen, in denen die Konzentration für die verabreichte Dosis zu niedrig war, handelte es sich in 15 Fällen (44,1%) um Raucher, in 4 Fällen (11,8%) wurde der Verdacht auf einen sehr schnellen Metabolisierungsstatus geäußert. Der Verdacht auf einen langsamen Metabolisierungsstatus wurde in 5 der 69 Fälle (7,2%) geäußert, bei denen die Konzentration in Relation zur Dosis als zu hoch befundet wurde. Auffallend häufig konnte eine vollständige klinisch-pharmakologische Befundung jedoch gar nicht vorgenommen werden, da im Anforderungsbogen die erforderlichen Angaben zur Dosis (6 Fälle) oder zur Komedikation (40 Fälle) nicht gemacht wurden. Besonders häufig fehlten Angaben zur Komedikation in den Fällen, in denen die Konzentration in Relation zur Dosis als zu hoch gefunden wurde.

Tabelle 3 gibt die Komedikation der Patienten wieder, bei denen die Konzentration in Relation zur Dosis als zu hoch bewertet wurde. Interessanterweise konnte ein derartiger Verdacht einmal bereits bei einer Konzentration geäußert werden, die unterhalb des Referenzbereichs lag. Tabelle 4 gibt die Komedikationen der Patienten wieder, bei denen die Konzentration in Relation zur verabreichten Dosis als zu niedrig bewertet wurde.

Tab. 3. Mit Olanzapin kombinierte Arzneimittel, wenn für die Dosis zu hohe Olanzapin-Konzentrationen gemessen wurden

Wirkstoff(e)

Anzahl

Amitriptylin

1

Donepezil

1

Doxepin, Lithiumsalz

1

Doxepin, Melperon

1

Fluphenazin

1

Haloperidol, Amlodipin

1

Haloperidol, Lithiumsalz, Mirtazapin

1

Metoprolol

1

Pantoprazol

1

Paroxetin

4

Perazin

1

Quetiapin, Amitriptylin

1

Ranitidin

1

Timolol

2

Trizyklika

1

Valproinsäure, Lithiumsalz

1

Valproinsäure

4

Tab. 4. Mit Olanzapin kombinierte Arznei- oder Genussmittel, wenn für die Dosis zu niedrige Olanzapin-Konzentrationen gemessen wurden

Wirkstoff(e)

Anzahl

Raucher

15

Carbamazepin

2

Johanniskraut

1

Diskussion

Die klinisch-pharmakologische Befundung von Wirkstoffkonzentrationen im Blut von Patienten ergibt völlig andere Informationen als die Einordnung der gemessenen Konzentration in einen wie auch immer definierten Referenzbereich. Dabei ersetzt die klinisch-pharmakologische Befundung keinesfalls die gewohnten Laborinformationen, sie ergänzt sie vielmehr.

Der Bezug zur verabreichten Dosis ermöglicht eine Erkennung des genetisch bestimmten Stoffwechselstatus der Patienten und Hinweise auf das Vorliegen pharmakokinetischer Interaktionen mit Arznei-, Nahrungs- und Genussmitteln. Besonders interessant an der vorliegenden Befundzusammenstellung ist die Möglichkeit, solche Interaktionen, die zu erhöhten und damit für den Patienten potenziell gefährlichen Wirkstoffkonzentrationen führen, bereits in einem sehr niedrigen, noch unterhalb des Referenzbereichs liegenden Konzentrationsbereich zu erkennen, der für den Patienten völlig unproblematisch ist.

Die klinisch-pharmakologische Befundung ermöglicht auch eine kontrollierte Dosisanpassung. Eine zu schnelle Verstoffwechslung des Wirkstoffs kann in der Regel durch Dosiserhöhung ausgeglichen werden, die aber in Bereiche hineinführen kann, die außerhalb der Empfehlungen der Fachinformation stehen. Neben dieser Absicherung von Dosiserhöhungen aus medizinischer Sicht haben bei uns in Einzelfällen derartige Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen mit klinisch-pharmakologischer Befundung auch schon Relevanz in Abrechnungsfragen erhalten, wenn die Kostenerstattung einer „nicht zugelassenen Dosierung“ abgelehnt worden war.

Eine konsequente klinisch-pharmakologische Befundung und die Archivierung ihrer Ergebnisse können dazu beitragen, bislang unbekannte pharmakokinetische Arzneimittelinteraktionen aufzudecken. Die in den Tabellen 3 und 4 wiedergegebenen Komedikationen sind bislang kaum für Olanzapin beschrieben worden. Gelegentlich wird es so dargestellt, wie wenn für Olanzapin die Glukuronidierung den wichtigsten Stoffwechselweg darstellte, der für Interaktionen wenig anfällig ist. Allein die Interaktion mit Rauchen zeigt aber deutlich, dass in der Praxis auch andere Einflüsse von Bedeutung sind. Olanzapin unterliegt auch dem oxidativen Arzneimittelmetabolismus über die Cytochrom-P450-Isoenzyme CYP1A2 und CYP2D6 [7], so dass Arzneimittelinteraktionen mit den in Tabelle 3 und 4 genannten Wirkstoffen durchaus vorkommen können. Wir bauen derzeit eine Datenbank auf, mit deren Hilfe wir Signale für praxisrelevante Arzneimittelinteraktionen generieren wollen, die anschließend in gezielten Untersuchungen aufgeklärt werden müssen.

Auffallend in der vorliegenden Zusammenstellung ist die große Zahl nicht oder nur unzureichend ausgefüllter Anforderungsbögen. Natürlich ist für eine klinisch-pharmakologische Befundung das vollständige Ausfüllen des Anforderungsbogens mit der zum Teil sehr umfangreichen Komedikation Voraussetzung. Dies ist mit Arbeitszeit verbunden, was angesichts der ständig knapper werdenden Personalstellen von Ärzten und Pflegepersonal als sehr belastend empfunden werden kann. Dies dürfte einer der häufigsten Gründe für die unzureichende Ausfüllung der Anforderungsbögen sein. Wir bemühen uns derzeit, diese zeitaufwändigen Angaben direkt aus der elektronischen Patientenakte zu entnehmen. In Einzelfällen hat uns allerdings auch schon der Argwohn erreicht, dass es zu forensischen Problemen führen könnte, wenn die klinisch-pharmakologische Befundung in der Krankengeschichte abgelegt wird, sich der behandelnde Arzt vor Ort bei seiner Therapieentscheidung aber gegen die ausgesprochene Empfehlung entscheidet. Solch dumpfen Ängste scheinen in letzter Zeit, möglicherweise angesichts des zunehmenden Personaldrucks in den Krankenhäusern und auch eines zunehmenden juristischen Drucks aus Entschädigungsverfahren, leider zuzunehmen. Allerdings entspricht die hier dargestellte klinisch-pharmakologische Befundung von Wirkstoffkonzentrationsmessungen dem Stand der medizinischen Wissenschaft des Jahres 2005. Forensisch dürfte das Unterlassen der Einholung eines fachärztlichen Rats ebenso zu Erklärungszwang führen wie die wissentliche Nichtbeachtung dieses Rats. Angesichts der enormen Fülle der möglichen Arzneimittelinteraktionen ist es von keinem Arzt zu erwarten, dass er sämtliche Möglichkeiten, die zu unerwarteten Veränderungen der Wirkstoffkonzentrationen im Blut der Patienten führen können, selbst im Kopf hat. Es ist aber fraglos zu erwarten, dass er Mittel und Wege kennt, dieses Fachwissen einzuholen.

Danksagung

Herzlich danken möchte der Autor den ausgezeichneten Mitarbeitern seiner Arbeitsgruppe: den technischen Assistenten Doris Melchner und Tatjana Nonenmacher, die im Labor der Klinischen Pharmakologie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Regensburg die Wirkstoffkonzentrationsmessungen durchführen; der leitenden MTA des klinisch-chemischen Labor des Bezirksklinikums Regensburg, Elisabeth Poklop, für die Organisation der Probenverarbeitung und Befundübermittlung; der Projektschwester Heidi Kollmer-Liebl für die Führung der Datenbank; Dr. Matthias Dobmeier war an der klinisch-pharmakologischen Befundung der in der vorliegenden Arbeit dargestellten Proben mitbeteiligt, Dr. Matthias Vogel und Dr. Markus Wittmann führen aktuell diese Befundungen mit durch; die Apotheker Wolfgang Bader, Christine Greiner und Marco Melzer entwickeln die Methoden zur Konzentrationsmessung von Psychopharmaka im Rahmen ihrer Doktorarbeit weiter; Monika Rupp organisiert die Termine der Arbeitsgruppe und war an der Manuskripterstellung beteiligt.

Literatur

1. Fichtl B. Arzneistoffkonzentration im Organismus in Abhängigkeit von der Zeit: Pharmakokinetik im engeren Sinn. In: Forth W, Henschler D, Rummel W, Förstermann U, Starke K: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 8. Aufl. München: Urban & Fischer, 2001:56–77.

2. Hendeles L, Weinberger M, Johnson G. Monitoring serum theophylline levels. Clin Pharmacokin 1978;3:294-312.

3. Haen E, Emslander HP: Optimierung der Therapie mit Methylxanthinen: Chronisch.obstruktive Atemwegserkrankungen. Dtsch Ärztebl 1989;86:B1625–30.

4. Krämer G. Stellenwert der Plasmaspiegelbestimmung von Antiepileptika. Fortschr Neur Psych 1989;10:411–24.

5. Baumann P, Hiemke C, Ulrich S, Eckermann G, et al. The AGNP-TDM Expert Group consensus guidelines: Therapeutic drug monitoring in psychiatry. Pharmacopsychiatry 2004;37:243–65.

6. Perry PJ, Sanger T, Beasley C. Olanzapine plasma concentrations and clinical response in acutely ill schizophrenic patients. J Clin Psychopharmacol 1997;17:472–7.

7. Kassahun K, Maltinz E, Nyhartetal E. Disposition and biotransformation of the antipsychotic agent olanzapine in humans. Drug Metab Dis 1997;25:81–92.

8. Dobmeier M, Haen E, Spießl H, Klein HE. How clinically useful is therapeutic drug monitoring of neuroleptic drugs? Naunyn-Schmiedeberg’s Arch Pharmacol 2001;363:R118.

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ekkehard Haen, Klinische Pharmakologie, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität im Bezirksklinikum Regensburg, Universitätstraße 84, 93053 Regensburg, E-Mail: ekkehard.haen@klinik.uni-regensburg.de

Relevance of clinical pharmacological comments in TDM

Pure laboratory data are often misinterpreted, because the “normal range” given does not meet individual needs. We offer clinical pharmacological comments that interprete laboratory results in relation to both, a reference range and the individual dose. Deviations are explained as compliance problems, interactions with food and drugs or the individual’s metabolic state. The paper presents as an example our clinical pharmacological comments for 225 specimens of olanzapine analysed between January 7 and May 14, 2002. We calculated concentrations that were expected for a given dose. Some 46% of the determinations revealed deviations from these reference values, even if the concentration itself was within the “normal range” used in the laboratory, which held true for about half of these values. One third of these values were “relatively low” which could be attributed to the patients’ smoking. The rest was classified “relatively high” which could be attributed to drug-drug interactions such as 2D6-inhibition by metoprolol and timolol or that remained unexplained being suspect of a poor metabolizer state. Comments given by clinical pharmacologists to determinations of drug concentrations in TDM were accepted very controversially by clinicians. Clinicians often felt supervised or patronised by such comments. In particular young physicians, however, estimated the clinical pharmacological commenting whereas experienced clinical specialists felt they knew their patients better than the clinical pharmacologist.

Keywords: Therapeutic drug monitoring (TDM), clinical pharmacological comment, olanzapine, drug interactions, therapeutic range

Psychopharmakotherapie 2005; 12(04)