Escitalopram

Stärkere Wirkung durch Angriff an sekundärer Bindungsstelle


Der Wirkungsmechanismus von Escitalopram und Citalopram unterscheidet sich dadurch, dass das Enantiomer Escitalopram bei Bindung an die so genannte sekundäre Bindungsstelle des Serotonin-Transporters die Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt weiter erhöht, das Razemat Citalopram dagegen bei Bindung an diese Stelle keine Wirkung entfaltet, andererseits aber die Bindung von Escitalopram verhindert.

Nach der Freisetzung von Serotonin aus der präsynaptischen Nervenendigung in den synaptischen Spalt wird es mit Hilfe des Serotonin-Transporters wieder in die Präsynapse aufgenommen. Der Serotonin-Transporter hat zwei Bindungsstellen: Die primäre Bindungsstelle vermittelt die Serotonin-Wiederaufnahmehemmung, die sekundäre Bindungsstelle moduliert nach neuen Erkenntnissen die Stärke der Wirkung von Antidepressiva an der primären Bindungsstelle (Abb. 1).

Abb. 1. Der Serotonin-Transporter hat zwei Bindungsstellen, über die primäre Bindungsstelle wird die Wiederaufnahme gehemmt, die sekundäre Bindungsstelle moduliert die Wirkungsstärke von Antidepressiva auf die primäre Bindungsstelle [nach Volz].

Das Enantiomer Escitalopram bindet an beide Bindungsstellen. Durch die Bindung an die primäre Bindungsstelle hemmt es die Serotonin-Wiederaufnahme in die Synapse und erhöht damit die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt. Die Bindung von Escitalopram an die sekundäre Bindungsstelle verstärkt die Bindung an der primären Bindungsstelle und damit auch die Serotonin-Wiederaufnahmehemmung. Es resultiert also eine effiziente Blockade des Serotonin-Transporters und hieraus wiederum eine starke Erhöhung der Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt.

Aus dem Razemat Citalopram bindet nur S-Citalopram an der primären Bindungsstelle, an der sekundären Bindungsstelle können S- und R-Citalopram andocken. Bindet R-Citalopram an die sekundäre Bindungsstelle, hat dies keinen Effekt auf die primäre bindungsstelle, jedoch ist die sekundäre Bindungsstelle für Escitalopram blockiert. Ergebnis ist, dass R-Citalopram die Wirkung von S-Citalopram verhindert, die Blockade des Serotonin-Transporters ist nicht so effizient und damit wird die Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt weniger stark erhöht. Mit dieser Hypothese wird erklärt, warum Escitalopram einen schnelleren Wirkungseintritt und eine stärkere Wirksamkeit sowohl in Tiermodellen zu Depression und Angst als auch in klinischen Studien zeigt.

So führte Escitalopram (10 bis 20 mg/Tag) im Vergleich zu doppelt so hoch dosiertem Citalopram (20 bis 40 mg/Tag) und Plazebo zu einem signifikant schnelleren dauerhaften Ansprechen und zur Remission depressiver Symptome. Die gepoolte Auswertung der Studien weist für Escitalopram bereits nach der ersten Therapiewoche einen statistisch signifikant deutlicheren Rückgang auf der MADRS-Skala als unter Citalopram aus. Eine Metaanalyse der Phase-III-Studien zeigt in allen Auswertungen einen Vorteil in der Wirkung von Escitalopram gegenüber doppelt so hoch dosiertem Citalopram.

Quelle

Prof. Dr. H. P. Volz, Werneck, Prof. Dr. H. J. Möller, München, Satellitensymposium „Innovation im Spannungsfeld der gesundheitspolitischen Versorgung in der Psychiatrie“, veranstaltet von Lundbeck im Rahmen des DGPPN 2004, Berlin, 26. November 2004. sh

Psychopharmakotherapie 2005; 12(02)