Prolactin-Erhöhung und Mastitis unter Risperidon plus Ziprasidon


Detlef Degner, Juliane Porzig, Göttingen, Stefan Kropp, Hannover, Renate Grohmann, München, und Eckart Rüther, Göttingen

Ein Anstieg des Prolactins im Plasma ist als unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) bei Antipsychotika bekannt. Über diese endokrinologische Komplikation ist schon bei konventionellen Antipsychotika berichtet worden, sie wurde aber auch bei einigen modernen Atypika in unterschiedlichem Ausmaß festgestellt. Die kurzfristigen (z. B. Gynäkomastie oder Galaktorrhö) und potenziellen langfristigen Folgen sind noch nicht abschließend einzuschätzen. Im Rahmen des AMSP-Projekts („Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie“) wird eine 23-jährige Patientin vorgestellt. Unter einer Risperidon-Monotherapie fielen deutlich erhöhte Prolactin-Werte auf. Unter einer Kombinationsbehandlung von Risperidon mit Ziprasidon entwickelte sie schließlich eine Galaktorrhö mit Mastitis.
Schlüsselwörter: Prolactin, Mastitis, atypische Antipsychotika, Risperidon, Ziprasidon
Psychopharmakotherapie 2005;12:67–8.

Fallbericht

Vorgeschichte. 23-jährige Studentin mit einer schizoaffektiven Störung (ICD-10: F25.1), Erstdiagnose 2001. In der Familie sind keine psychiatrischen Vorerkrankungen bekannt. Die frühkindliche Entwicklung verlief zunächst unauffällig, im Alter von 7 Jahren (1988) wurde die Diagnose einer Epilepsie gestellt und eine langjährige Behandlung mit Valproinsäure begonnen. Zwölf Jahre später wurde die Patientin stationär behandelt, 2001 erfolgte erstmals eine stationäre Behandlung in unserer Klinik. Im weiteren Verlauf wurde die Patientin mehrfach stationär und zuletzt ambulant in unserem Hause behandelt und medikamentös auf Valproinsäure 1200 mg/Tag und Risperidon (max. 20 mg/Tag) eingestellt.

Organmedizinischer Befund. Unauffällige klinisch-neurologische Untersuchung, unauffälliges EKG und EEG. MRT von 2001: Temporalhornasymmetrie rechts weiter als links.

Vorerkrankungen. Bekannte Epilepsie, Erstdiagnose 1988. Kein Alkohol, keine illegalen Drogen.

Aktueller Verlauf. Die Patientin wurde seit Juli 2003 mit Risperidon behandelt. Unter einer Risperidon-Dosis von 20 mg/Tag wurde bei einer Routineuntersuchung ein Prolactin-Wert von 3820 µU/ml (Normwert: 97–530 µU/ml) bestimmt (Tab. 1). Nach Reduktion der Risperidon-Dosis auf 4 mg/Tag und Beginn einer zusätzlichen Medikation mit Ziprasidon bis 120 mg/Tag fiel der Prolactin-Spiegel zwei Monate später auf 2837 µU/ml. Auf eine weitere Reduktion der Risperidon-Dosis reagierte die Patientin mit zunehmender psychotischer Symptomatik, so dass zunächst eine Behandlung mit Risperidon 4 mg/Tag, Ziprasidon 160 mg/Tag und Valproinsäure 1200 mg/Tag weitergeführt wurde. Bei weiteren Kontrollen des Prolactins zeigten sich zunächst erhöhte Werte bis maximal 4810 µU/ml. Ein MRT (Hypophysenzielaufnahme) zeigte eine Hypophyse mit einer Größe im oberen Normbereich. Im weiteren Verlauf kam es zu einem Abfall des Serumprolactins. Am 06.09.2004 entwickelte die Patientin unter 3 mg Risperidon und 160 mg Ziprasidon eine Mastitis, die etwa sieben Tage anhielt. Die Patientin gab an, einige Tage, eventuell Wochen vorher eine leichte Galaktorrhö bemerkt zu haben. Den genauen Zeitpunkt des Beginns konnte sie nicht benennen. Die Mastitis wurde antibiotisch behandelt, Risperidon stufenweise reduziert und am 24.11.04 abgesetzt. Gleichzeitig erfolgte eine Aufdosierung von Ziprasidon bis auf 300 mg/Tag. Nach einer erneuten passageren Erhöhung zeigte sich eine zunehmende Normalisierung der Prolactin-Werte, bei der letzten Kontrolle am 10.01.05 lag der Wert im Normbereich. Die Patientin blieb psychisch stabil, weitere Nebenwirkungen zeigten sich nicht.

Tab. 1. Antipsychotische Medikation und Prolactin-Werte im Verlauf (Normwert für Prolactin: 97–530 µU/ml)

Datum

Risperidon [mg/Tag]

Ziprasidon [mg/Tag]

Prolactin [µU/ml]

01.09.03

20

3820

11.11.03

4

120

2837

16.12.03

4

160

2854

23.01.04

4

160

4018

06.04.04

4

160

4810

08.07.04

4

160

2034

06.09.04
(Mastitis)

3

160

1322

29.11.04

240

1452

10.01.05

300

488

Diskussion

Antipsychotika können durch ihre Dopamin-antagonistische Wirkung die Prolactin-Freisetzung enthemmen. Ausmaß und Dauer eines Anstiegs des Serumprolactins hängen direkt mit den Bindungseigenschaften der einzelnen Substanzen an den D2-Rezeptoren zusammen.

Alle konventionellen Antipsychotika können eine Hyperprolaktinämie induzieren [4], klinische Folgen wie eine Galaktorrhö wurden bei bis zu 10 % der betroffenen Patienten beschrieben [16].

Bei den atypischen Antipsychotika ist das Risiko für die einzelnen Substanzen unterschiedlich [2, 3], insgesamt aber deutlich geringer. Im Pharmakovigilanz-Projekt AMSP wurden im Zeitraum 1993 bis 2000 bei 122562 überwachten Patienten 35 UAW-Fälle mit einer Gynäkomastie oder Galaktorrhö dokumentiert, dies entspricht einer Inzidenz von 0,03 %. Amisulprid und Risperidon waren die am häufigsten angeschuldigten Substanzen [9].

In einer 14-wöchigen Doppelblindstudie bei Patienten mit einer therapierefraktären Psychose kam es zu einer signifikanten, dosisabhängigen Erhöhung der Prolactin-Spiegel unter Risperidon, nicht aber unter Olanzapin oder Clozapin [15]. Patienten mit Haloperidol zeigten einen geringeren, nicht signifikanten Prolactin-Anstieg. In einer weiteren Doppelblindstudie wurden bei 402 Patienten die kurzfristigen Auswirkungen von Risperidon und konventionellen Neuroleptika auf die Prolactin-Spiegel verglichen [7]. Prolactin stieg bei 88,0 % in der Risperidon-Gruppe gegenüber 47,6 % in der Haloperidol-Gruppe (weibliche Patienten). In einer anderen Studie zeigten sich bei männlichen schizophrenen Patienten unter Risperidon gegenüber Haloperidol signifikante Prolactin-Anstiege [17].

Klinische Komplikationen einer Prolactin-Erhöhung können bei Frauen unter anderem eine Galaktorrhö, Amenorrhö und Gynäkomastie, bei Männern eine erektile Dysfunktion [14] sein. Langfristige Risiken (Osteoporose [12], Mammakarzinom [13]) sind zurzeit nicht überschaubar.

Die bisherigen Berichte beziehen sich nicht nur auf prämenopausale Patientinnen. Bai et al. [1] beschrieben eine 72-jährige Patientin, die unter 5 mg/Tag Risperidon eine Mastitis entwickelte, Kearns und Mitarbeiter [6] zeigten, dass die Prolactin-Spiegel sich unter Risperidon invers zum Alter der Patientinnen verhalten.

Kleinberg et al. [8] fanden keine eindeutige Korrelation zwischen der Höhe der Prolactin-Spiegel während einer Risperidon-Medikation und dem Auftreten von Hyperprolaktinämie-assoziierten UAW. Dies konnte im hier berichteten Fall bestätigt werden. Ungewöhnlich ist dabei der Zeitverlauf – eine über Monate bestehende deutliche Prolactin-Erhöhung unter Risperidon und die spätere Entwicklung einer Mastitis unter einer reduzierten Dosis Risperidon in Kombination mit Ziprasidon bei erniedrigten Prolactin-Spiegeln. Die Arbeitsgruppe von Kropp [9] hat ermittelt, dass 45,2 % aller unter Psychopharmaka aufgetretenen Galaktorrhö-Fälle zwei Wochen nach Medikamentenbeginn auftraten.

Das Risiko einer Prolactin-assoziierten Komplikation unter Ziprasidon wurde bislang als gering eingeschätzt, es wurde sogar ein deutlicher Abfall der Prolactin-Werte nach additiver Gabe von Ziprasidon zu einer vorbestehenden Risperidon-Medikation beobachtet [10]. Jordan [5] beschrieb erstmals 2003 eine Galaktorrhö unter Ziprasidon bei einer jungen Patientin. Lusskin et al. [11] publizierten einen Fall einer klinisch schweren Hyperprolaktinämie mit Amenorrhö bei einer Patientin unter 100 mg Ziprasidon, nachdem zuvor Risperidon wegen dieser Problematik abgesetzt worden war. Möglicherweise ist im hier vorliegenden Fall die Kombinationsbehandlung Risperidon/Ziprasidon für die Mastitis mit anzuschuldigen.

Literatur

1. Bai YM, Ciu HJ, Guo ZZ. Risperidone-induced hyperprolactinaemia in an elderly woman. Am J Psychiatry 2002;159:2112.

2. David SR, Taylor CC, Kinon BJ, et al. The effects of olanzapine, risperidone, and haloperidol on plasma prolactin levels in patients with schizophrenia. Clin Ther 2000;22:1085–96.

3. Fric M, Laux G. Prolaktinplasmaspiegel und Häufigkeit der endokrinologischen Begleitwirkungen unter Therapie mit den atypischen Neuroleptika. Psychiatr Prax 2003;30:97–101

4. Hamner MB, Arana GW. Hyperprolactinaemia in antipsychotic-treatment patients: Guidelines for avoidance and management. CNS Drugs 1998;10:209–22.

5. Jordan MP. Ziprasidone-associated galactorrhea in a female teenager. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 2003;42:4–5.

6. Kearns AE, Goff DC, Hayden DL, Daniels GH. Risperidone-associated hyperprolactinaemia. Endocr Pract 2000;6:425–9.

7. Kinon BJ, Gilmore JA, Liu H, et al. Prevalence of hyperprolactinaemia in schizophrenic patients treated with conventional antipsychotic medications or risperidone. Psychoneuroendocrinology 2003;28:55–68.

8. Kleinberg DL, Davis JM, De Coster, et al. Prolactin levels and adverse events in patients treated with risperidone. J Clin Psychopharmacol 1999;19:57–61.

9. Kropp S, Ziegenbein M, Grohmann R, et al. Galactorrhea due to psychotropic drugs. Pharmacopsychiatry 2004;37:84–8.

10. Kunwar AR, Megna JL, Corman JM. Ziprasidone substitution in a patient with risperidone-induced hyperprolactinaemia. J Psychiatr Pract 2003;9:245–7.

11. Lusskin SI, Cancro R, Chuang L, Jacobsen J. Prolactin elevation with ziprasidone. Am J Psychiatry 2004;161:1925.

12. O’Keane V, Meaney AM. Antipsychotic drugs: a new risk factor for osteoporosis in young women with schizophrenia? J Clin Psychopharmacol 2005;25:26–31.

13. Schyve PM, Smithline F, Meltzer HY. Neuroleptic-induced prolactin level elevation and breast cancer: an emerging clinical issue. Arch Gen Psychiatry 1978;35:1291–301.

14. Spollen JJ, Wooten RG, Cargile C, et al. Prolactin levels and erectile function in patients treated with risperidone. J Clin Psychopharmacol 2004;24:161–6.

15. Volavka J, Czobor P, Cooper TB, et al. Prolactin levels in schizophrenia and schizo-affective disorder patients treated with clozapine, olanzapine, risperidone, or haloperidol. J Clin Psychiatry 2004;65:57–61.

16. Windgassen K, Wesselmann U, Schulze Monking H. Galactorrhea and hyperprolactinaemia in schizophrenic patients on neuroleptics: frequency and etiology. Neuropsychobiology 1966;33:142–6.

17. Zhang XY, Zhou DF, Cao LY, et al. Prolactin levels in male schizophrenic patients treated with risperidone and haloperidol. Psychopharmacology 2004; 31.7.2004 (elektronische Vorveröffentlichung).

Dr. med. Detlef Degner (Korrespondenzautor), Juliane Porzig, Prof. Dr. Eckart Rüther, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Georg-August-Universität Göttingen, von-Siebold-Str. 5, 37075 Göttingen, E-Mail: ddegner@gwdg.de
Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Kropp, Abteilung für Klinische Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30623 Hannover
Dr. Renate Grohmann, Klinik für Psychiatrie, LMU München, Nussbaumstr. 5, 80336 München

Psychopharmakotherapie 2005; 12(02)