Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Medikamenten-induzierter Dauerkopfschmerz vor allem bei Migräne-Patientinnen


Prof. Dr. med. H. C. Diener, Essen

In einer epidemiologischen Studie in Spanien ergab sich, dass 1,5 % der Bevölkerung unter Medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzen leiden. Frauen im Alter zwischen 45 und 60 mit Migräne als Grunderkrankung sind besonders gefährdet.

Chronische Kopfschmerzen sind häufig, und die meisten Betroffenen leiden unter einem Medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerz. Die bisher in USA und Spanien durchgeführten epidemiologischen Studien legen nahe, dass etwa 4 bis 5 % der Bevölkerung unter chronischen Kopfschmerzen, das heißt Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen im Monat, leiden – und dass wiederum die Hälfte davon einen Medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerz hat.

Für eine große epidemiologische Studie in einem Landkreis in Nordspanien wurden Interviews in Schulen, Fabriken und Behörden durchgeführt. Zwischen Juli 1998 und April 1999 wurden 4855 Teilnehmer über 14 Jahre nach Kopfschmerzen gefragt. Wurde diese Frage mit Ja beantwortet, wurden insbesondere Patienten mit Kopfschmerzen an mehr als 10 Tagen im Monat gebeten, nach einer initialen neurologischen Untersuchung für einen Monat ein Kopfschmerztagebuch zu führen. Patienten mit chronischen Kopfschmerzen und eine entsprechende Zahl von Kontrollpersonen wurden auch gebeten, den SF-36-Fragebogen zur Lebensqualität auszufüllen. Anschließend wurden die Patienten mit chronischen Kopfschmerzen in solche mit und ohne Medikamentenabusus eingeteilt.

74 Patienten erfüllten die Kriterien für chronische Kopfschmerzen mit Medikamentenmissbrauch. Dies entspricht einer Prävalenz von 1,4 %. 95 % waren Frauen. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 56 Jahren. Das mittlere Alter bei Beginn der chronischen Kopfschmerzen war 38 Jahre und das mittlere Alter, ab dem regelmäßig Schmerz- oder Migränemittel eingenommen wurden, 45 Jahre. Das mittlere Alter bei Beginn der primären Kopfschmerzen war 22 Jahre. Unterteilte man die Patienten nach ihrem initialen Kopfschmerz, hatten 49 ursprünglich eine Migräne, 20 einen chronischen Spannungskopfschmerz und 5 einen „new daily persistent headache“. Die am häufigsten missbrauchten Medikamente waren Analgetika (35 %), Mutterkornalkaloide (22 %), Opioide (12,5), Serotonin-Agonisten („Triptane“, 2,7 %) und Kombinationen von Schmerz- und Migränemitteln (27,8 %).

Diese Studie ist eine der größten und technisch am besten durchgeführten zum chronischen Kopfschmerz und Medikamentenmissbrauch. Die Autoren haben hier abweichend von den Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft eine Kopfschmerzhäufigkeit von mehr als 10 Tagen/Monat als Grenzwert angesetzt. Dies ist durchaus legitim und deckt sich auch mit unseren Erfahrungen, dass bei diesen Patienten bereits häufiger Medikamentenmissbrauch besteht. Wie in anderen Studien ist dieses Erkrankungsbild am meisten prävalent bei Frauen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren. Hier beträgt die Prävalenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung 5,5 %. Wie in früheren Studien auch, sind die meisten Patienten Migränepatienten, gefolgt von Patienten mit chronischem Spannungskopfschmerz. Die missbrauchten Medikamente unterscheiden etwas in den einzelnen Ländern. Während in den USA Barbiturat-haltige Medikamente an erster Stelle stehen, sind es in Europa meist Analgetika und Mutterkornalkaloide.

Quelle

Colás R, et al. Chronic daily headache with analgesic overuse. Epidemiology and impact on quality of life. Neurology 2004;62:1338-42.

Psychopharmakotherapie 2005; 12(01)