Multiple Sklerose

Vergleichbare Schubratenreduktion mit Tolebrutinib und Teriflunomid


Dr. Alexander Pensler, Braunschweig

In einer aktuellen Studie konnte Tolebrutinib die Schubrate bei Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose (RMS) ähnlich stark senken wie Teriflunomid. Dabei könnte Tolebrutinib das Fortschreiten des Behinderungsgrades besser aufhalten.

Multiple Sklerose (MS) ist eine neurologische Erkrankung, die mit Entzündungen im Gehirn und Rückenmark einhergeht und zu fortschreitenden Behinderungen führen kann. Neben verschiedenen Biologika, die in der Regel subkutan verabreicht werden, ist das oral verabreichte Teriflunomid eine gängige Therapieoption. Mit dem neuen Bruton-Tyrosinkinase-Hemmer Tolebrutinib durchläuft nun der erste oral verabreichte und hirngängige Wirkstoff zur Behandlung der MS die Phase III der klinischen Prüfung [1]. Tolebrutinib kann auch im zentralen Nervensystem die Immunaktivierung durch B-Zellen und Mikroglia beeinflussen, während Teriflunomid ausschließlich entzündliche Prozesse in der Peripherie verringert. Die Wirkung von Tolebrutinib bei nicht schubförmiger sekundär progredienter MS wurde bereits in der HERCULES-Studie untersucht. In dieser Phase-III-Studie konnte gezeigt werden, dass Tolebrutinib im Vergleich zu Placebo das Fortschreiten der Behinderung verzögert [2]. In den beiden parallelen Studien GEMINI 1 und GEMINI 2 sollte nun die Wirkung von Tolebrutinib und Teriflunomid bei schubförmig remittierender MS verglichen werden.

Studiendesign

An den beiden randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studien GEMINI 1 und GEMINI 2 konnten Personen mit schubförmig remittierender multipler Sklerose teilnehmen. Die Probanden erhielten im Rahmen einer 1 : 1-Randomisierung entweder Tolebrutinib in einer Dosierung von 60 mg einmal täglich oder Teriflunomid in bekannter Dosierung (14 mg einmal täglich). Als primären Endpunkt wählte das Studienteam die Reduktion der jährlichen Schubrate (Annualized relapse rate [ARR]), als wichtigsten sekundären Endpunkt die Verschlechterung der Behinderung über mindestens sechs Monate (Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign im Überblick [Oh et al. 2025]

Studiendesign/-typ

Zwei randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studien (GEMINI 1 und GEMINI 2)

Eingeschlossene Patienten

Insgesamt 1873 Patienten (GEMINI 1 : 974 Personen, GEMINI 2 : 899 Personen) mit schubförmig remittierender multipler Sklerose

Interventionen

  • Tolebrutinib (60 mg einmal täglich)
  • Teriflunomid (14 mg einmal täglich)

jeweils mit zugehörigem Placebo der alternativen Medikation (Double-Dummy)

Primärer Endpunkt

  • Verringerung der jährlichen Schubrate [ARR]

Sekundärer Endpunkt

  • Verschlechterung einer Behinderung über mindestens sechs Monate (wichtigster sekundärer Endpunkt)

Sponsor

Sanofi

Studienregisternummer

NCT04410978 und NCT04410991

Ergebnisse

Insgesamt konnten 1873 Patienten mit schubförmig remittierender multipler Sklerose in die Parallelstudien eingeschlossen werden (GEMINI 1 : 974 Personen, GEMINI 2 : 899 Personen). In der GEMINI-1-Studie war die jährliche Schubrate in der Tolebrutinib-Gruppe mit der in der Teriflunomid-Gruppe vergleichbar (Tolebrutinib: 0,13; Teriflunomid: 0,12; Ratenverhältnis [RR] 1,06; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,81 bis 1,39; p = 0,67). In der GEMINI-2-Studie war dieser Wert sogar identisch (0,11; RR 1,00; 95%-KI 0,75–1,32; p = 0,98).

Beim sekundären Endpunkt, der Verschlechterung der Behinderung nach sechs Monaten, deutete sich ein Vorteil für Tolebrutinib an: Nur 8,3 % der Personen in der Tolebrutinib-Gruppe zeigten in einer Poolanalyse eine Verschlechterung des Behinderungsgrads. In der Teriflunomid-Gruppe waren es 11,3 % (Hazard-Ratio 0,71; 95%-KI 0,53–0,95).

Die Sicherheit der beiden Wirkstoffe, gemessen an unerwünschten Ereignissen, war vergleichbar (Tolebrutinib: 84,9 %; Teriflunomid: 86,3 %). Unter Teriflunomid trat vermehrt Haarausfall auf, unter Tolebrutinib Petechien und verstärkte Regelblutungen. Ein Anstieg der Leberenzyme war ebenfalls bei beiden Präparaten vergleichbar, trat in den ersten drei Monaten der Therapie auf und bildete sich immer komplikationslos zurück.

Fazit der Autoren

Die Autoren der Studien GEMINI-1 und GEMINI-2 konnten keine Überlegenheit von Tolebrutinib gegenüber Teriflunomid hinsichtlich der jährlichen Schubrate bei multipler Sklerose feststellen. Ebenso zeigte sich unter der Behandlung mit Tolebrutinib keine niedrigere Rate an Entzündungsaktivität in der Magnetresonanztomographie. Die positiven Ergebnisse dieser Parallelstudien in Bezug auf die Verschlechterung der Behinderung müssen in Folgestudien bestätigt werden.

Quelle

Oh J, et al. Tolebrutinib versus teriflunomide in relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med 2025. Apr 8. doi: 10.1056/NEJMoa2415985.

Literatur

1. Neue Ergebnisse zu BTKi – das Tolebrutinib Studienprogramm (https://www.ms-docblog.de/multiple-sklerose/neue-ergebnisse-zu-btki-das-tolebrutinib-studienprogramm/, Stand: 28. Januar 2025, letzter Abruf: 23.04.2025).

2. Sanofi; Positive Phase-III-Ergebnisse: Tolebrutinib erreicht primären Endpunkt bei nichtschubförmiger MS (https://www.journalmed.de/news/medizin/phase-iii-studie-tolebrutinib-erreicht-primaeren-endpunkt, Stand: 05.09.2024, letzter Abruf: 23.04.2025)

Psychopharmakotherapie 2025; 32(03):105-121