Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
Diabetes mellitus ist ein bekannter Risikofaktor für die Entstehung von Demenzen sowie ein Risikofaktor für ischämischen Schlaganfall und somit indirekt für die Entstehung vaskulärer Demenz. Noch nicht geklärt ist die Wirkung einer kardioprotektiven glucosesenkenden Therapie zur Vorbeugung einer Demenz. Daher sollte in einer Metaanalyse ermittelt werden, ob eine kardioprotektive Senkung erhöhter Glucosespiegel mit Natrium-Glucose-Cotransporter-2-(SGLT-2-)Inhibitoren, Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA), Metformin oder Pioglitazon mit einer Verringerung des Risikos primärer Demenzerkrankungen oder kognitiver Beeinträchtigungen einhergeht.
Studiendesign
Die Datenbanken PubMed und Embase wurden nach Studien durchsucht, die bis Juli 2024 veröffentlicht wurden. Berücksichtigt wurden randomisierte klinische Studien zum Vergleich einer kardioprotektiven glucosesenkenden Therapie mit einer Kontrollgruppe (Placebo, übliche Behandlung oder keine glucosesenkende Therapie), wenn in der Studie Demenz oder Verschlechterungen der kognitiven Funktionen erfasst wurden. Kardioprotektive glucosesenkende Therapien wurden als Medikamentenklassen definiert, die in Leitlinien zur Verringerung von kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten mit Diabetes mellitus empfohlen werden und für die dafür Nachweise aus randomisierten klinischen Studien vorliegen. Die Daten wurden unabhängig voneinander von zwei Autoren unter Einhaltung der PRISMA-Definitionen extrahiert. Zur Schätzung eines gepoolten Behandlungseffekts wurden Metaanalyse-Modelle mit zufälligen Effekten verwendet.
Der primäre Endpunkt war die Diagnose einer Demenz oder kognitiver Beeinträchtigungen. Die sekundären Endpunkte waren Demenz-Subtypen der primären Demenzen, einschließlich vaskulärer und Alzheimer-Demenz, sowie Veränderungen der kognitiven Funktionen.
Ergebnisse
Sechsundzwanzig randomisierte klinische Studien mit 164 531 Patienten kamen für die Analyse infrage. In 23 Studien mit 160 191 Teilnehmern wurde die Häufigkeit von Demenzen oder kognitiver Beeinträchtigungen erfasst. Es handelte sich um 12 Studien zur Wirksamkeit von SGLT-2-Inhibitoren, 10 Studien zur Wirksamkeit von GLP-1-RA und eine Studie zur Wirksamkeit von Pioglitazon. Zu Metformin wurde keine Studie identifiziert. Alle Studien waren Placebo-kontrolliert. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer betrug 64,4 (±3,5) Jahre und 57 470 (34,9 %) waren Frauen. Die mittlere Beobachtungsdauer (Follow-up) betrug 31,4 Monate.
Im Beobachtungszeitraum der Studien trat der primäre Endpunkt bei 93 Patienten in den Behandlungsgruppen und bei 199 Patienten in den Kontrollgruppen auf. Die Diagnose einer Alzheimer-Demenz war häufiger als die Diagnose einer vaskulären Demenz. Über alle Medikamente hinweg war die glucosesenkende Therapie nicht signifikant mit einer Verringerung der kognitiven Beeinträchtigung oder Demenz verbunden (Odds-Ratio [OR] 0,83; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,60–1,14). Bei getrennter Betrachtung der Medikamentenklassen waren GLP-1-RA allerdings mit einer statistisch signifikanten Verringerung des Demenzrisikos verbunden (OR 0,55; 95%-KI 0,35–0,86), nicht jedoch die SGLT-2-Inhibitoren (OR 1,20; 95%-KI 0,67–2,17; p-Wert für Heterogenität = 0,04).
Kommentar
Die Studien von Seminer et al. und Tang et al [1] untersuchten die Assoziation von kardioprotektiven glucosesenkenden Therapien, einschließlich GLP-1-RA und SGLT-2-Inhibitoren, mit dem Risiko für Demenz und kognitive Beeinträchtigungen bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 2. In der systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Seminer et al. zeigte sich unter der Anwendung von GLP-1-RA eine statistisch signifikante Verringerung von Demenzen und kognitiven Beeinträchtigungen aller Ursachen, unter SGLT-2-Inhibitoren hingegen nicht. Bei der Analyse von Demenz-Subtypen fanden die Autoren keinen Zusammenhang zwischen kardioprotektiven glucosesenkenden Therapien und der Verringerung von vaskulärer Demenz, Alzheimer-Krankheit oder Lewy-Körper-Demenz. Dies ist überraschend, da kardioprotektive Therapien zur Senkung des Blutzuckerspiegels das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Damit sollten sie auch das Risiko für eine vaskuläre Demenz verringern.
Im Gegensatz dazu fanden Tang et al. [1] heraus, dass sowohl GLP-1-RA als auch SGLT-2-Inhibitoren das Risiko für eine Alzheimer-Krankheit und verwandte Demenzerkrankungen signifikant verringerten, wobei es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Medikamentenklassen gab. Tang et al. zeigten jedoch, dass Semaglutid, der neueste und wirksamste GLP-1-RA auf dem Markt, im Vergleich zu SGLT-2-Inhibitoren mit einem geringeren Demenzrisiko assoziiert war.
Beide Studien haben Limitationen. Dazu gehören eine kurze Nachbeobachtungszeit, die die langfristigen Auswirkungen dieser Medikamente auf die Krankheitsprävention unterschätzen könnte, und niedrige Inzidenzen von Demenzereignissen. Mit Zulassung neuer GLP-1-RA wird es notwendig, diese neueren Medikamente einzeln zu untersuchen, anstatt sie mit älteren Medikamenten derselben Klasse zu vergleichen.
Quelle
Seminer A, et al. Cardioprotective glucose-lowering agents and dementia risk: A systematic review and meta-Analysis. JAMA Neurol, published online April 7, 2025. doi: 10.1001/jamaneurol.2025.0360
Literatur
1. Tang H, et al. GLP-1RA and SGLT2i medications for type 2 diabetes and Alzheimer disease and related dementias. JAMA Neurology 2025.
Psychopharmakotherapie 2025; 32(03):105-121