Dr. rer. nat. Christine Willen, Cloppenburg
Viele Patienten werden mit dem ersten und zweiten ASM nicht anfallsfrei, trotz adäquat hoher Dosierung bzw. maximaler, noch verträglicher Dosen. Über ein Drittel der behandelten Patienten sind pharmakorefraktär, erreichen also mit der bisherigen Medikation keine ausreichende Kontrolle ihrer Epilepsie-bedingten Anfälle [1]. Daher besteht ein hoher Bedarf an wirksamen Interventionsmöglichkeiten auch noch in späteren Therapielinien.
Starke anfallssupprimierende Effekte unter Cenobamat messbar
Laut Auffassung von House kann die Zusatztherapie mit Cenobamat ab der Drittlinie dabei helfen, die Anfallsentstehung und -ausbreitung effektiv zu unterdrücken und sogar die Chance auf ein anfallsfreies Leben zu erhöhen. In der Zulassungsstudie erzielten bis Woche 12 in der Erhaltungsphase 21 % der Behandelten eine Ansprechrate von 100 % (Anfallsfreiheit) unter Cenobamat 400 mg/Tag (n = 95) (Abb. 1). Unter Cenobamat 200 mg/Tag (n = 98) lag der Anteil mit Anfallsfreiheit bei 11 %. Mit einer Tagesdosis von Cenobamat 100 mg/Tag wurde Anfallsfreiheit bei 4 % erreicht [4].

Abb. 1. Wirksamkeit von Cenobamat (Add-on zu 1 bis 3 anfallssupprimierenden Medikamenten) in der 12-wöchigen Erhaltungsphase der Zulassungsstudie (mod. nach [4])
Unter den behandlungsbedingten Nebenwirkungen wurden am häufigsten Schläfrigkeit (22,1 % Cenobamat vs. 11,9 % Placebo), Schwindel (22,1 % vs. 16,5 %), Kopfschmerzen (12,4 % vs. 12,8 %), Übelkeit (11,5 % vs. 4,6 %) sowie Müdigkeit (10,6 % vs. 6,4 %) berichtet [2]. Bisherige Real-World-Erfahrungen (n = 112) stützen, dass Cenobamat als Add-on bei refraktärer fokaler Epilepsie auch bei einer niedrigen Tagesdosis von maximal 100 mg klinisch relevante Effekte mit einer signifikanten Reduktion der monatlichen Anfallshäufigkeit ermöglichte [5].
Cenobamat: kleines Molekül mit dualem Wirkungsmechanismus
Cenobamat ist ein kleines Molekül mit einem dualen Wirkungsmechanismus. Es wirkt als ein positiver allosterischer Modulator von GABA-A-Rezeptoren und hemmt zusätzlich bevorzugt den persistierenden Natriumstrom (Natriumkanalblockade). „Wenn Cenobamat in Erwägung gezogen wird, sollten die pharmakologischen Eigenschaften bekannt sein“, betonte House. Cenobamat kann beispielsweise die Serumkonzentrationen von ASM senken, die hauptsächlich durch das Cytochrom-P450-Isoenzym CYP3A4 metabolisiert werden, weil es ein CYP3A4-Induktor ist. Cenobamat kann demgegenüber aber auch die Serumkonzentrationen von ASM erhöhen, die vorwiegend durch CYP2C19 metabolisiert werden (CYP2C19-Inhibitor). Darüber hinaus erhöht Cenobamat die Empfindlichkeit gegenüber Natriumkanalblockern, gab der Experte zu bedenken. Daher sollten Kombinationsmedikamente dementsprechend sorgsam durchdacht und gegebenenfalls in der Dosis angepasst oder ausgeschlichen werden, um etwaige Störeffekte zu vermeiden.
Cenobamat (Ontozry®) ist zugelassen zur Zusatztherapie fokaler Anfälle mit und ohne sekundäre Generalisierung bei erwachsenen Patienten mit Epilepsie, deren Epilepsie trotz des vorherigen Einsatzes von mindestens zwei ASM keine adäquate Krankheitskontrolle ermöglichte [3]. Cenobamat wird oral eingenommen (1-mal tgl.) mit einer empfohlenen Startdosis von 12,5 mg/Tag. Über einer Eindosierungszeit von drei bis sechs Monaten wird die Anfangsdosierung gemäß individuellem Ansprechverhalten schrittweise angepasst, erläuterte House. Die empfohlene Zieldosis liegt bei 200 mg/Tag. Basierend auf dem klinischen Ansprechen kann die Dosis auf maximal 400 mg pro Tag erhöht werden [1, 3].
Quelle
Dr. med. Patrick House, Hamburg. Interaktives Workshop-Symposium: „Von der Theorie zur Praxis: Optimierung der Cenobamat-Anwendung durch interaktive Fallstudien“, veranstaltet von Angelini Pharma Deutschland GmbH im Rahmen der ZNS-Tage, Köln, 14. März 2025.
Literatur
1. Chen Z, et al. Treatment outcomes in patients with newly diagnosed epilepsy treated with established and new antiepileptic drugs. JAMA Neurol 2018;75:279–86.
2. Chung SS, et al. Randomized phase 2 study of adjunctive cenobamate in patients with uncontrolled focal seizures. Neurology 2020;94:e2311–e2322
3. Fachinformation Ontozry®.
4. Krauss GL, et al. Safety and efficacy of adjunctive cenobamate (YKP3089) in patients with uncontrolled focal seizures: a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, dose-response trial. Lancet Neurol 2020;19:38–48.
5. Novitskaya Y, et al. Add-on treatment with cenobamate is already effective at low doses in refractory focal epilepsy: A prospective observational study. Epilepsia 2024;65:630–40.
Psychopharmakotherapie 2025; 32(03):105-121