Antipsychotika-induzierte Akathisie

Welche Arzneimittel eignen sich bei Bewegungsunruhe unter Antipsychotika?


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Eine häufige unerwünschte Wirkung von Antipsychotika ist Bewegungsunruhe. Nicht immer kommt eine Dosisreduktion infrage. Welche Arzneimittel zur Behandlung der Antipsychotika-induzierten Akathisie am wirksamsten sind, wurde vor Kurzem in einer Metaanalyse untersucht.

Unter Antipsychotika-Therapie tritt bei etwa 14–35 % der Patienten eine Antipsychotika-induzierte Akathisie (AIA) auf [1]. Sie ist gekennzeichnet durch Bewegungsunruhe (wie ständigen Beinbewegungen, Wippen von einem Fuß auf den anderen, Herumlaufen oder der Unfähigkeit, sich zu setzen oder still zu sitzen) sowie innere Anspannung und je nach Ausmaß mit erhöhter Suizidalität verbunden. Unter Antipsychotika der ersten Generation treten AIA häufiger auf als unter Antipsychotika der zweiten Generation [2].

In Abhängigkeit von der Schwere sind laut der (abgelaufenen) S3-Leitlinie zur Schizophrenie nach Risiko-Nutzen-Evaluation eine Dosisreduktion des Antipsychotikums oder die Umstellung auf ein Antipsychotikum mit weniger Akathisie-Risiko übliche Strategien [1]. Falls dies nicht möglich ist, sollten bei entsprechendem Leidensdruck verschiedene pharmakologische Behandlungsversuche verfolgt werden. Die Evidenz dafür ist jedoch bislang nicht gut.

Studiendesign

Für eine aktuelle Metaanalyse werteten Forscher aus Frankreich und Südkorea doppelblinde randomisierte klinische Studien aus, in denen aktive Arzneimittel zur Behandlung von AIA mit Placebo oder einer anderen aktiven Behandlung verglichen wurden. Eingeschlossen wurden Studien mit mindestens zehn Patienten mit bestätigter Akathisie unter Antipsychotika-Therapie, aus denen standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) bestimmt wurden. Primärer Endpunkt der Metaanalyse war der Schweregrad der Akathisie, gemessen anhand einer validierten Skala.

Studienergebnisse

In ihre Analyse ließen die Autoren 15 Studien mit insgesamt 492 Teilnehmern einfließen (zehn Parallelgruppen-, drei Cross-over- und drei Multiarmstudien). Zwölf Studien waren Placebo-, drei aktivkontrolliert. Acht Studien wurden mit geringem, zwei mit mäßigem und fünf mit hohem Verzerrungsrisiko eingestuft.

Zur Akathisie-Therapie waren zehn unterschiedliche Arzneimittel eingesetzt worden, von denen Mirtazapin, Mianserin, Vitamin B6, Biperiden, Trazodon und Propranolol wirksamer als Placebo waren (Tab. 1). Am wirksamsten waren Mirtazapin, Biperiden und Vitamin B6, wobei Letzteres das beste Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil aufwies. Unter Clonazepam, Zolmitriptan und Valproinsäure war der Unterschied zu Placebo nicht signifikant.

Tab. 1. Ergebnisse der Metaanalyse [Gerolymos et al. 2024]

Arzneimittel

SMD (95%-KI)

Bemerkungen

Mirtazapin

–1,20 (–1,83 bis –0,58)

Am wirksamsten in Metaanalyse (15 mg/d für ≥ 5 Tage), UAW: sedierend, kann zu Gewichtszunahme führen*

Biperiden

–1,01 (–1,69 bis –0,34)

Beste Alternative, wenn Vitamin B6 und Mirtazapin versagen, UAW: sedierend

Niedrige Dosierung (2,5-mg-Injektionen) in den Studien kann Verträglichkeit ggü. Wirksamkeit begünstigt haben; optimale Dosierung: 12 mg/Tag über 14 Tage

Vitamin B6

–0,92 (–1,57 bis –0,26)

Bestes Risiko-Nutzen-Verhältnis: mittlere bis große Effektstärke, aber gutes Verträglichkeits- und Akzeptanzprofil bei AIA (600 mg/Tag)

Mianserin

–0,81 (–1,44 bis –0,19)

Wirksam und abgesehen von sedierender Wirkung gutes Verträglichkeitsprofil*

Trazodon

–0,84 (–1,54 bis –0,14)

Signifikant wirksam; optimale Dosierung: 100 mg/Tag; häufigste UAW: Schläfrigkeit. Bei Männern seltene Fälle von Priapismus gemeldet; sollte bei Männern mit hämatologischen oder neurologischen Erkrankungen (Sichelzellenanämie, multiples Myelom, Leukämie, Hyperkoagulabilität oder Erkrankungen des autonomen Nervensystems) oder mit anatomischen Deformationen des Penis vermieden werden.

Propranolol

–0,78 (–1,35 bis –0,22)

Größte Heterogenität des Modells (da Studien mit ≤ 2 Tagen Dauer einbezogen wurden);
Dosis ≥ 50 mg/Tag scheint Wirksamkeit nicht zu verbessern

Cyproheptadin

–0,91 (–2,01 bis 0,19)

Eventuell wirksam, aber Daten unzureichend

Clonazepam

–0,56 (–1,86 bis 0,74)

Nicht signifikant wirksam; von den Autoren nicht zur AIA-Behandlung empfohlen

Zolmitriptan

–0,29 (–1,40 bis 0,82)

Nicht signifikant wirksam (kein Vergleich vs. Placebo); von den Autoren nicht zur AIA-Behandlung empfohlen

Valproinsäure

–0,18 (–1,05 bis 0,69)

Nicht signifikant wirksam; von den Autoren nicht zur AIA-Behandlung empfohlen

* 10–20 % der Patienten reagieren nicht auf Mirtazapin und Mianserin.

AIA: Antipsychotika-induzierte Akathisie; KI: Konfidenzintervall; SMD: standardisierte Mittelwertdifferenz; UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkung

Zu den signifikanten Nebenwirkungen zählten Schläfrigkeit und Schwindel unter Trazodon und Mirtazapin, Hypersalivation und Depression unter Valproinsäure, Mundtrockenheit und Sedierung unter Biperiden und Valproinsäure, Hypotonie unter Propranolol sowie vorübergehende Sedierung unter Mianserin.

Fazit der Studienautoren

Am wirksamsten gegen AIA erwiesen sich in dieser Metaanalyse Mirtazapin, Biperiden und Vitamin B6. Letzteres wies das beste Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil auf. Trazodon, Mianserin und Propranolol sind den Autoren zufolge wirksame Alternativen mit etwas weniger günstigen Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofilen.

Quelle

Gerolymos C, et al. Drug efficacy in the treatment of antipsychotic-induced akathisia: a systematic review and network meta-analysis. JAMA Netw Open 2024 Mar 4;7(3):e241 527. DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2024.1527.

Literatur

1. DGPPN e. V. für die Leitliniengruppe: S3-Leitlinie Schizophrenie. Langfassung, 2019, Version 2.0. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009 (Zugriff am 25.06.24)

2. Huhn M, et al. Comparative efficacy and tolerability of 32 oral antipsychotics for the acute treatment of adults with multi-episode schizophrenia: a systematic review and network meta-analysis. Lancet 2019;394:939–51. DOI : 10.1016/S0140–6736(19)31 135-3.

Psychopharmakotherapie 2024; 31(04):145-153