Schnell wirkende Antidepressiva: aktueller Stand und neue Entwicklungen

Teil 2: Psychedelika, Neurosteroide und weitere Substanzen


Christine Reif-Leonhard, Florian Freudenberg und Andreas Reif, Frankfurt am Main

Aktuell zugelassene konventionelle Antidepressiva haben eine Wirklatenz von mehreren Wochen. Wie in unserem vorangegangenen Übersichtsartikel aus dieser Reihe beschrieben, ist es in letzter Zeit zu einer vermehrten Erforschung schnell wirkender Antidepressiva (Rapid acting antidepressants, RAAD) gekommen. Mit intranasalem Esketamin wurde 2019 als erstes RAAD eine Substanz einer für die Depressionsbehandlung neuen Wirkstoffklasse (NMDA-Rezeptor-Antagonismus) zugelassen. Nachdem wir uns in dem vorigen Artikel auf potenzielle neuartige RAAD, die am glutamatergen System ansetzen, konzentriert haben, möchten wir nun weitere Pharmaka mit anderen pharmakologischen Targets hinsichtlich ihrer Eignung als RAAD anhand der klinischen Studienlage bewerten. Zu diesen Substanzklassen gehören die Psychedelika (darunter Psilocybin, Lysergsäurediethylamid [LSD], Ayahuasca/Dimethyltryptamin [DMT]), 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin [MDMA], GABAerge Substanzen (d. h. positiv-allosterische Modulatoren [PAM] von GABAA-Rezeptoren [GABA-PAM; PRAX-114, Propofol, Zuranolon]), opioiderge Substanzen (My-Opioid-Rezeptor-Partialagonisten [mOR-pA; Buprenorphin], Kappa-Opioid-Rezeptor-Antagonisten [kOR-A; Aticaprant, Navacaprant]) und Scopolamin.
Schlüsselwörter: Rapid acting antidepressant, Psychedelika, MDMA, GABA-PAM, opioiderge Substanzen, Scopolamin
Psychopharmakotherapie 2024;31:120–7.

Einleitung

Konventionelle Antidepressiva zielen im Wesentlichen auf die monoaminerge Signaltransmission (und hier insbesondere auf das serotonerge und noradrenerge System) und haben eine Wirklatenz von mehreren Wochen nach Erreichen der Zieldosis. Diese Wirklatenz ist für Patient wie Therapeut gleichermaßen unbefriedigend und legt nahe, dass nicht die Erhöhung der Monoamine im synaptischen Spalt an sich, sondern andere, indirekte Wirkungsmechanismen (Mechanism of action; MoA), beispielsweise eine Förderung der neuronalen Plastizität, eine wichtige Rolle spielen. In den letzten beiden Jahrzehnten erwachte das Interesse akademischer als auch unternehmerischer Forschung an der Entwicklung neuer, insbesondere schnell wirksamer Antidepressiva (Rapid acting antidepressant, RAAD; vgl. auch den ersten Teil dieser Artikelserie), nicht zuletzt aufgrund der aufregenden Entdeckung der schnellen antidepressiven Effekte von Ketamin und anderen glutamatergen Substanzen. Im ersten Teil dieser Artikelserie [41] wurde ausführlich der derzeitige Wissensstand im Hinblick auf glutamaterge Antidepressiva dargelegt; in diesem zweiten Teil werden nun weitere schnell wirksame Antidepressiva mit anderem MoA vorgestellt. Diese Wirkungsmechanismen umfassen:

  • Psychedelika im engeren Sinne (also 5-HT2A-Agonisten: Psilocybin, Lysergsäurediethylamid [LSD], Ayahuasca/Dimethyltryptamin [DMT])
  • 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA)
  • GABAerge Substanzen (positiv-allosterische Modulatoren [PAM] von GABAA-Rezeptoren [GABA-PAM; PRAX-114, Propofol, Zuranolon {Zurzuvae®}])
  • Opioiderge Substanzen: My-Opioid-Rezeptor Partialagonisten (mOR-pA; Buprenorphin), Kappa-Opioid-Rezeptor-Antagonisten (kOR-A; Aticaprant, Navacaprant)
  • Scopolamin

Erneut beschränken wir uns auf Substanzen mit Daten aus fortgeschrittenen klinischen Studien am Menschen und auf die Indikation depressive Episode (Major depressive episode, MDD).

Psychedelika (Psilocybin, DMT, 5-MeO-DMT, LSD u. a.)

Kaum eine Substanzgruppe hat in den letzten Jahren so große Aufmerksamkeit erhalten wie die der Psychedelika. Die Definition dieser Substanzklasse ist uneinheitlich. Zum einen werden hierunter Psychedelika im engeren Sinne verstanden, also psychedelisch wirkende Substanzen, die am Serotonin-5-HT2A-Rezeptor partial-agonistisch wirken (z. B. Psilocybin, LSD, DMT und deren Varianten); zum anderen werden beispielsweise auch Ketamin und MDMA hier eingeordnet. Diese letztgenannten Substanzen weisen jedoch deutlich andere Wirkungsmechanismen auf (NMDA-Antagonismus, Reuptake-Inhibition) und verursachen auch subjektiv andere psychische Veränderungen. Deshalb plädieren wir dafür, den Begriff Psychedelika enger zu fassen oder vielleicht sogar – im Sinne der Neuroscience based Nomenclature (NbN; https://nbn2r.com) – ganz darauf zu verzichten und ihn durch den Begriff „5-HT2A-Partialagonisten“ zu ersetzen. Da das Thema „Psychedelika in der Psychopharmakotherapie“ vor Kurzem erst in dieser Zeitschrift umfassend dargestellt wurde [20], wird diese Substanzgruppe in diesem Review eher etwas kürzer dargestellt und auf große Phase-II- bzw. Phase-III-Studien fokussiert.

Die Leitsubstanz der Psychedelika, zu der die meisten Studien über unterschiedliche Indikationsgebiete hinweg vorliegen, ist momentan Psilocybin. Die Substanz wird aus unterschiedlichen Pilzarten, meist des Genus Psilocybe, gewonnen oder chemisch synthetisiert (erstmals von Albert Hofmann im Jahr 1958) und ist ein Prodrug der eigentlich pharmakologisch aktiven Substanz Psilocin. Neben dem Agonismus am 5-HT2A-Rezeptor wirkt Psilocin auch am 5-HT1A- und 5-HT2C Rezeptor (partial-)agonistisch. Psilocybin wird seit langer Zeit von Ureinwohnern Mittel- und Südamerikas im Rahmen zeremonieller Riten konsumiert und wurde seit Mitte des 20. Jahrhunderts auch pharmazeutisch genutzt („psychedelische Therapie“), bevor es Ende der 60er-Jahre zunächst verboten wurde. Es existiert jedoch aus dieser Zeit bereits eine umfangreiche Datenbasis hinsichtlich der Sicherheit und des therapeutischen Einsatzes von Psilocybin, auch wenn diese natürlich nicht den heutigen methodischen Anforderungen entspricht. Seit den 2000er-Jahren wird Psilocybin in unterschiedlichen Indikationen wie Angst- und Abhängigkeitserkrankungen, Clusterkopfschmerz und Migräne sowie vor allem Depression in kontrollierten Studien untersucht. Am weitesten fortgeschritten ist die Forschung zur majoren Depression (MDD); bei behandlungsresistenter Depression (treatment resistant depression, TRD) wurde Psilocybin im Jahr 2018 durch die FDA der „breakthrough therapy“-Status zugesprochen (nicht identisch mit der Zulassung!). Aktuell liegen die Ergebnisse von zwei Placebo- und einer Komparator-kontrollierten Studie vor sowie von kleineren, offenen Studien, die hier nicht referiert werden.

In einer kleinen (n = 26 in jedem Arm) Placebo-kontrollierten Studie [48] wurde Psilocybin in gewichtsadaptierter Dosierung (0,215 mg/kg) untersucht. Psilocybin wurde einmalig gegeben und zeigte unmittelbar, aber auch nach zwei, acht und 14 Tagen eine signifikante Überlegenheit mit mittlerer (14 Tage, 0,67) bis großer (Tag 1, 0,97) Effektstärke, gemessen an der Reduktion des MADRS(Montgomery-Åsberg depression rating scale)-Scores gegenüber dem Ausgangswert. Nach der Einmalgabe waren in der Verum-Gruppe 54 % der Patienten remittiert, aber nur 10 % in der Placebo-Gruppe. Diese zunächst sehr positiv wirkenden Ergebnisse nivellieren sich jedoch, wenn man mehrere methodische Schwächen der Studie bedenkt: Zum einen handelte es sich um relativ leicht erkrankte Patienten (durchschnittlicher MADRS-Score von 24), von denen 73 % sogar Medikamenten-naiv waren. Zum anderen und schwerer wiegend hatten in der Verum-Gruppe 19 % der Teilnehmer vorherige Erfahrung mit Psychedelika, in der Placebo-Gruppe aber 42 %. Bereits grundsätzlich sind Psychedelika aufgrund der unmittelbar psychoaktiven Effekte kaum zu verblinden („funktionelle Entblindung“; ob der „psychedelische Trip“ essenziell ist für die therapeutische Wirkung oder ob er eher eine Nebenwirkung ist, haben wir in unserem vorigen Übersichtsartikel diskutiert, sodass wir hier nicht näher darauf eingehen). Hier kommt aber noch ein Nocebo-Effekt zum Tragen: Es ist anzunehmen, dass die Probanden mit Vorerfahrung wussten, in welche Gruppe sie randomisiert wurden. Dies dürfte zum Teil die vergleichsweise geringen Effekte in der Placebo-Gruppe erklären.

Eine weitere Placebo-kontrollierte Studie [17] widmete sich an TRD leidenden, schwer kranken Patienten (MADRS bei Baseline 33 Punkte). Untersucht wurde 1 mg Psilocybin als „aktives Placebo“ (n = 79) gegen 10 mg (n = 75) bzw. 25 mg (n = 79) Psilocybin, jeweils als Einmalgabe. Als primärer Endpunkt wurde nach drei Wochen die MADRS-Reduktion im Vergleich zur Baseline ermittelt. Es zeigte sich eine signifikante Überlegenheit in der 25-mg-, nicht jedoch in der 10-mg-Gruppe. Die Remissionsraten lagen bei 29 % in der 25-mg-Gruppe, im Vergleich zu 8 % in der 1-mg-Gruppe. Es handelt sich hier nach unserer Ansicht um die solideste Phase-II-Studie zu Psilocybin, was vermutlich auch daran liegt, dass sie von einem pharmazeutischen Unternehmen mithilfe von Wagniskapital durchgeführt wurde (dieser umfangreiche finanzielle Einsatz und das dazugehörige Fachwissen ermöglichen i. d. R. gründlichere und besser kontrollierte Studien).

Die dritte kontrollierte Studie [3] war ein direkter Vergleich von 25 mg Psilocybin gegen 10 mg Escitalopram (plus 1 mg Psilocybin als „aktives Placebo“) bei Patienten mit „langanhaltender Depression“; Psilocybin wurde zweimal im Abstand von drei Wochen verabreicht. Insgesamt wurden 59 Patienten randomisiert. Im QIDS-SR-16-Score (Quick inventory of depressive symptomatology – self-report) zeigte sich zwar eine numerische, nicht jedoch statistisch signifikante Überlegenheit von Psilocybin. In einem sekundären Outcome, der Warwick-Edinburgh Mental Wellbeing Scale (WEMWBS), zeigte sich ein signifikanter Vorteil von Psilocybin. Die QUIDS-SR-16-Remissionsraten nach sechs Wochen lagen bei 57 % (Psilocybin) bzw. 28 % (Escitalopram). Ein Kritikpunkt an der Studie ist neben der recht kleinen Stichprobe (die für eine Überlegenheitsanalyse bei Weitem keine ausreichende statistische Power besaß), dass die Patienten nicht durch das medizinische System überwiesen wurden, sondern durch Werbung auf sozialen Medien usw., was auch die hohe Rate von Screening-Versagen erklären kann (ca. 900 von ca. 1000 Patienten erfüllten nicht die Einschlusskriterien).

Der Vollständigkeit halber sei noch die kleine (n = 27) Studie von Davis et al. berichtet [7], in der in einem nur Wartelisten-kontrollierten Design die Wirksamkeit von circa 20 bis 30 mg Psilocybin überprüft wurde. Es zeigte sich eine signifikante und große (Cohen’s d = 2,6) Reduktion des QIDS-SR-Scores (sekundärer Endpunkt) in der unmittelbar behandelten Gruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe, die erst nach vier Wochen behandelt wurde; das offene, nicht verblindete Design ist aber natürlich mit vielen methodischen Problemen verbunden. – Die Ergebnisse der bizentrischen deutschen EPIsoDE-Studie stehen noch aus.

In einer kürzlich publizierten Metaanalyse [30] wurden die randomisiert kontrollierten Studien (randomized controlled trials, RCT) zu Psilocybin zusammengefasst; leider wurden jedoch Studien zu MDD mit denen zu „sekundärer Depression“ (depressive Episoden im Kontext lebensbedrohlicher anderer Erkrankungen) zusammengefasst, was aus unserer Sicht problematisch zu bewerten ist. Bei dieser Analyse zeigt sich eine deutliche Überlegenheit von Psilocybin (standardisierte Mittelwertdifferenz [SMD], gemessen mit Hedge’s g, von 1,53); betrachtet man lediglich die Studien zu genuiner MDD (vgl. Abb. 3 in diesem Paper), fällt der Effekt im mittleren Bereich um die 0,6 (genau angegeben ist dieser leider nicht) deutlich kleiner aus. Darüber hinaus liegt eine „expression of concern“ vor, ob die Berechnung der SMD korrekt war. Die Ergebnisse der Metaanalyse sind daher mit Vorsicht zu interpretieren.

Zukünftiger Studienbedarf

All diese Studien zusammengefasst, scheint also Psilocybin durchaus eine rasch einsetzende (bereits am Tag der Verabreichung), anhaltende antidepressive Wirkung zu haben und zu Recht als RAAD klassifiziert zu sein. Allerdings ist es bei Weitem nicht die Wunderdroge, als die es gerade in sozialen und Massenmedien propagiert wird; nach den ersten Placebo-kontrollierten Studien stellt sich hier eine gewisse Ernüchterung ein. Psychedelika im Allgemeinen und Psilocybin im Besonderen sind gerade auf der Spitze des „Hype-Cycles“ (Abb. 1) und es ist zu hoffen, dass dies nun in die Phase der Produktivität übergeht – idealerweise durch die Durchführung von großen Komparator-kontrollierten Phase-III-Studien. Zentrale Fragen der psychedelischen Therapie sind noch nicht geklärt: Braucht es tatsächlich die psychedelische Erfahrung, oder ist dies eine im Grunde unerwünschte Nebenwirkung? Ein interessanter Fallbericht, bei dem der „Trip“ durch die akzidentielle Gabe eines 5-HT2A-Antagonisten verhindert wurde, aber dennoch eine gute antidepressive Wirkung nachzuweisen war, stellt dies zumindest teilweise infrage [43]. Darüber hinaus ist die Rolle der begleitenden Psychotherapie noch unklar. Handelt es sich um Psychedelika-unterstützte Psychotherapie, um Psychotherapie-unterstützte Psychedelika-Therapie oder schlicht ein cleveres Business-Modell? Gute kontrollierte 4-Arm-Studien, die auch Schein-Psychotherapie einschließen, könnten hier Antworten liefern. Auch gibt es erste Phase-II-Studien z. B. zu 5-MeO-DMT (siehe unten), bei denen explizit keine umfangreiche Psychotherapie, sondern lediglich Sicherheits-Monitoring betrieben wird. Auf die Ergebnisse dieser Studie darf man sehr gespannt sein.

Abb. 1. Der Stand der Psychedelika im „Hype-Cycle“. Dargestellt ist der sogenannte „Hype-Cycle“ im Allgemeinen (dunkelrote Beschriftung), also die Perzeption von v. a. disruptiven neuen Technologien in der Allgemeinheit mit einer Zuordnung zur psychedelischen Therapie in der Depressionsbehandlung (blaue Beschriftung).

Randomisierte, kontrollierte Studien zu anderen Psychedelika liegen noch nicht vor. Zu diesen gehören LSD, das über ein wesentlich breiteres Rezeptorbindungsprofil verfügt, sowie Ayahuasca, für das in einer kleinen Studie ein Effekt bei TRD gezeigt werden konnte [35], als auch DMT selbst, der psychoaktive Wirkstoff in Ayahuasca (DMT wird durch periphere Monoaminoxidase abgebaut und so rasch inaktiviert. In Ayahuasca wird es oral zusammen mit Harmin verabreicht, das den Abbau hemmt; in pharmazeutischer Gabe wird es z. B. inhalativ gegeben). Darüber hinaus gibt es Varianten dieser Moleküle, wie 5-MeO-DMT oder deuteriertes Psilocybin, die in klinischen Studien untersucht werden. Allen ist gemeinsam, dass bislang allenfalls offene, unkontrollierte Studien vorliegen – die hier nicht referiert werden sollen –, jedoch noch keine Placebo- oder Komparator-kontrollierte Studien. Die Frage nach der Wirksamkeit dieser Substanzen ist daher noch nicht zu beantworten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren Studien hierzu vorliegen werden – nicht zuletzt aufgrund des enormen wirtschaftlichen Interesses an dieser Substanzgruppe.

3,4-Methylendioxy-Methamphetamin (MDMA; „Ecstasy“)

MDMA ist eine der am häufigsten verwendeten Partydrogen bzw. Drogen überhaupt. Es wirkt stark serotonerg durch Wiederaufnahmehemmung und Freisetzung vor allem von Serotonin. Es wirkt unter anderem schnell euphorisierend und entaktogen, aber nicht „klassisch“ psychedelisch. Mehrere randomisierte, Placebo-kontrollierte klinische Studien legen nahe, dass MDMA-unterstützte Psychotherapie in der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTSD [Posttraumatic stress disorder]) hoch wirksam ist (u. a. [32, 33]), sodass es vor Kurzem durch die FDA zu einer Annahme des Zulassungsantrags und einem beschleunigtem Review-Verfahren kam. In Australien ist seit 2023 die Verschreibung durch einen beschränkten Personenkreis erlaubt. Aufgrund der raschen stimmungsaufhellenden Wirkung wäre denkbar, dass sich MDMA auch als RAAD eignen könnte. Allerdings ist gut bekannt, dass es circa zwei bis fünf Tage nach MDMA-Einnahme vorübergehend zu (auch ausgeprägtem) depressivem Affekt kommen kann [6, 37]. Beobachtungsstudien erbringen unklare Ergebnisse und sind durch die Tatsache erschwert, dass die wenigsten MDMA-Konsumenten ausschließlich Ecstasy gebrauchen, sondern oft auch andere Substanzen (insbesondere Ketamin, Alkohol, Cannabis) [42]. Komplizierend kommt hinzu, dass Ecstasy-Konsumenten unter Umständen schon vor dem Gebrauch höhere Depressionswerte bzw. manifeste psychische Erkrankungen [18, 45] aufweisen. Longitudinale Studien zeigten, dass bei moderatem – nicht aber hohem – MDMA-Konsum Depressionswerte eher sinken als denn steigen [12], insbesondere wohl bei zu Depression prädisponierten Personen [27]. Insgesamt jedoch gibt es im Gegensatz zur Indikation PTSD nur wenig Evidenz für einen Einsatz von MDMA bei Depressionen [38], was bei dem erwähnten biphasischen Effekt auf die Stimmung auch nicht überraschend ist. In der Literatur findet sich dementsprechend auch nur ein Studienprotokoll für eine kleine Proof-of-Principle-Studie [23], deren Resultate jedoch noch nicht veröffentlicht sind.

Positiv-allosterische Modulatoren am GABAA Rezeptor (GABA-PAM; Neurosteroide)

Seit Langem wird die Hypothese diskutiert, dass eine GABAerge Dysfunktion in der Pathogenese der Depression eine Rolle spielt [26], was auch den (zumindest kurzfristig) positiven Effekt der schnell wirkenden und auf synaptische GABAA-Rezeptoren zielenden Benzodiazepine erklären könnte. In der Tat zeigten Metaanalysen, dass Benzodiazepine sowohl in Kombination mit konventionellen Antidepressiva als auch als Monotherapie antidepressive Effekte aufweisen [2, 16, 39, 47]. Aufgrund von Toleranzentwicklung, Sedierung, kognitiven Einschränkungen und der Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung kommt eine längerfristige Anwendung von Benzodiazepinen bei Depressionen jedoch nicht infrage. Nicht zuletzt deshalb sind alternative Ansatzpunkte am GABAergen System von großem Interesse. Am weitesten fortgeschritten in der klinischen Entwicklung sind hierbei die Neurosteroide Zuranolon und Brexanolon.

Zuranolon und Brexanolon

Brexanolon ist synthetisches Allopregnanolon und kann nur intravenös verabreicht werden; Zuranolon ist eine orale Variante dieses Moleküls. Beide gehören zu den Neurosteroiden, die sich allesamt chemisch von Cholesterol bzw. später im Stoffwechselweg von Progesteron ableiten. Neurosteroide zielen nicht auf das Glucocorticoid-System ab, sondern modulieren vor allem das GABA-System; insbesondere modulieren sie positiv-allosterisch extrasynaptische GABAA-Rezeptoren. Brexanolon wurde als erstes Molekül in der Indikation postpartale Depression (PPD) entwickelt [21, 29], von der FDA im Jahr 2019 zugelassen und in den USA unter dem Handelsnamen Zulresso® auf den Markt gebracht. Die Applikation ist allerdings nicht unkompliziert, da es über 60 Stunden intravenös verabreicht werden muss. Nicht zuletzt deshalb wurde nach einer oralen Formulierung gesucht, die dann auch in anderen Indikationen angewendet werden könnte. Mit Zuranolon konnte ein orales Neurosteroid-Analogon entwickelt werden [28], das Brexanolon ähnlich ist, insbesondere im Hinblick auf die wichtigsten pharmakodynamischen Eigenschaften, und das sich mit einer Plasmahalbwertszeit von rund 20 Stunden gut als tägliche Einmalgabe verabreichen lässt. Im weiteren Studienprogramm wurde daher Zuranolon im Hinblick auf seine Wirksamkeit bei PPD als auch MDD hin untersucht.

In einer ersten Phase-II-Studie, die von SAGE gesponsort wurde, wurde Zuranolon (30 mg) gegen Placebo bei insgesamt 89 MDD-Patienten getestet [19]. Die untere Grenze des Hamilton-Depressions-(HAM-D-)Scores lag bei 22 Punkten, was einer moderaten bis schweren MDD entspricht. Die Patienten waren entweder seit mindestens 30 Tagen stabil auf ein Antidepressivum eingestellt oder hatten bislang kein Antidepressivum erhalten. Der primäre Endpunkt war der HAM-D-Score nach 15 Tagen. Es zeigte sich eine klare Überlegenheit von Zuranolon gegenüber Placebo. Während in der Verum-Gruppe der Score um 17 Punkte im Vergleich zur Baseline sank, reduzierte er sich in der Placebo-Gruppe nur um 10 Punkte (p < 0,001). Eine Separierung zwischen Verum und Placebo zeigte sich schon am zweiten Studientag und hielt auch noch nach Beendigung der Behandlung bis zum Tag 28 an. Das Nebenwirkungsprofil war verhältnismäßig günstig, schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Wohl aufgrund der vielversprechenden Phase-II-Daten wurde ein umfangreiches Phase-III-Programm aufgelegt (und SAGE von Biogen übernommen).

Die ersten beiden Phase-III-Studien zu Zuranolon wurden 2023 in renommierten Journalen publiziert [4, 5] und fielen im Vergleich zur Phase-II-Studie ernüchternd aus. In einer ersten, großen (insg. 534 Patienten mit schwerer MDD) randomisierten, kontrollierten Studie wurde eine Therapie mit 50 mg Zuranolon gegen Placebo verglichen (Add-on zu stabiler antidepressiver Medikation oder monotherapeutisch; [5]). Wieder lag der primäre Endpunkt nach 14 Tagen Therapie. Der Unterschied zwischen Verum und Placebo an Tag 15 war zwar signifikant, jedoch deutlich geringer ausgeprägt als in der Phase-II-Studie (14 vs. 12 Punkte im HAM-D). Ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Armen fand sich bereits nach drei Tagen Behandlung (nicht mehr jedoch nach Beendigung der Therapie, d. h. ab Tag 21) und lag numerisch im Bereich zwischen zwei und drei Punkten Verbesserung im HAM-D gegenüber Placebo. Die Remissionsraten zu Tag 15 unterschieden sich zwar numerisch (zugunsten Zuranolon; 30 vs. 27 %), waren jedoch nicht statistisch unterschiedlich. Hinsichtlich des rasch eintretenden antidepressiven Effekts wurden keine Unterschiede zwischen bereits mit Antidepressiva behandelten Patienten und Medikamenten-naiven Patienten festgestellt. Neue Sicherheitssignale wurden nicht beobachtet.

In einer weiteren Phase-III-Studie (MOUNTAIN; [4]) wurden Zuranolon-Dosierungen von 20 und 30 mg täglich gegen Placebo verglichen. Abgesehen von der unterschiedlichen Dosierung war das Studiendesign dem der oben referierten Studie recht ähnlich; insgesamt wurden 581 Patienten randomisiert, von denen knapp ein Drittel bereits mit einem Antidepressivum vorbehandelt war. Der primäre Endpunkt, eine signifikante Reduktion des HAM-D am 15. Tag, wurde in keinem der beiden Dosierungsarme erreicht. Die durchschnittliche Reduktion betrug 1,4 Punkte, entsprechend einer Effektstärke (Cohen’s d) von 0,17. Post-hoc-Analysen zeigten signifikante Effekte in der 30-mg-Gruppe für den MADRS von Tag 8 bis Tag 12. Patienten mit einer schwereren Depression (HAM-D zu Baseline > 23) wiesen eine signifikante Reduktion des HAM-D am Tag 15 auf. Auch war der HAM-D-Unterschied an Tag 15 signifikant in der 30-mg-Gruppe, wenn Patienten ohne messbare Blutspiegel ausgeschlossen waren. Trafen beide Bedingungen zu, lag der durchschnittliche Unterschied bei 2,6 Punkten, entsprechend einer Effektstärke von 0,32.

Eine weitere, vom Design her fast identische und nur in Japan durchgeführte Studie [22] mit insgesamt 250 Patienten zeigte dagegen eine Überlegenheit sowohl von 20 mg (–1,9 Punkte im HAM-D) als auch 30 mg (–2,1 Punkte im HAM-D) Zuranolon gegenüber Placebo. Der Unterschied zwischen Placebo und Verum war bereits nach dem dritten Tag statistisch signifikant.

Die letzte Phase-III-Studie (CORAL; [36]) wich dahingehend von den anderen beiden Studien ab, als dass hier 50 mg Zuranolon zusammen mit einer anderen antidepressiven Medikation (einem selektiven Serotonin- oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer [SSRI oder SNRI]) co-initiiert wurde; es handelte sich also um eine Add-on-Studie. Insgesamt wurden 440 Patienten randomisiert. Sowohl nach drei als auch nach 14 Tagen zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen Verum und Placebo (–1,9 bzw. –1,6 Punkte im HAM-D). Die Remissionsraten waren nach acht und zwölf Tagen signifikant höher in der Zuranolon-Gruppe (23 % bzw. 29 %).

Nicht alle Erwartungen erfüllt

Interessanterweise finden sich in der Literatur mittlerweile mehr systematische Reviews bzw. Metaanalysen zu Zuranolon bei MDD als Originalarbeiten (z. B. [1, 14, 24, 25, 40, 49, 50]). Obwohl sich diese immer auf die gleichen Datensätze beziehen, sind die Schlussfolgerungen etwas unterschiedlich, was auch daran liegt, dass MDD und PPD teils zusammen, teils getrennt analysiert werden. Übereinstimmend zeigten sich gute Verträglichkeits- und Sicherheitsdaten für Zuranolon. Auch ein schneller Wirkeintritt, d. h. Überlegenheit gegenüber Placebo, nach drei Tagen wurde festgestellt. Die meisten, nicht jedoch alle Metaanalysen ergaben auch eine signifikanten Überlegenheit nach 14 Tagen Behandlung.

Bereits aus dieser narrativen Übersicht, aber auch aus den systematischen Reviews wird klar, dass – breit eingesetzt – Zuranolon bei MDD nicht die Erwartungen erfüllt, die in die Substanz gesteckt wurden. Zwar waren die Phase-II-Studie, eine japanische, eine Add-on- als auch eine Phase-III-Studie positiv, nicht jedoch eine weitere, große Phase-III-Studie. Eine signifikante Überlegenheit zeigte sich nur bei 30 mg und 50 mg Zuranolon. Positiv ist allerdings, dass Zuranolon schon nach drei Tagen wirksam zu sein scheint; es handelt sich also tatsächlich um eine schnell wirkende Substanz, insofern wurde unter Umständen der Endpunkt nach 15 Tagen unglücklich gewählt. Die durchschnittliche HAM-D-Reduktion lag aber lediglich bei etwa zwei Punkten im Vergleich zu Placebo. Es darf also bezweifelt werden, dass sich eine Überlegenheit gegen einen aktiven Komparator darstellen lässt. Aus Sicht der Verfasser besonders bedenkenswert ist die Möglichkeit, dass Neurosteroide bzw. der GABA-Signalweg nur bei einem Teil der an MDD leidenden Patienten eine Rolle spielen und sich ein therapeutischer Einsatz von Neurosteroiden auch nur bei diesen Patienten positiv auswirken könnte (im Sinne der „Präzisionspsychiatrie“). Dafür spricht, dass die Datenlage für Zuranolon bei der enger definierten PPD besser ist. Hier zeigte es sich in zwei Studien wirksam [8, 9] und ist in den USA auch unter dem Handelsnamen Zurzuvae® in dieser Indikation zugelassen. Auch ist gut denkbar, dass Neurosteroide bei der PPD eine wichtigere Rolle spielen als bei breit definierter MDD.

Generell ist festzuhalten, dass sich zahlreiche Substanzen in Phase II als erfolgreich zeigen, dann jedoch viele in Phase-III-Studien „sterben“. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von falsch-positiven Phase-II-Studien über den „winner’s curse“ (d. h. eine [möglicherweise durch finanziellen Druck verstärkte] überoptimistische Interpretation vorangegangener Phase-II-Studien) bis hin zu „failed studies“ in Phase III aufgrund von minder-kompetenten Studienzentren bzw. Auswirkungen von niedrig-performanten Gesundheitssystemen. Die Diskussion hierüber würde den vorliegenden Artikel sprengen, sollte jedoch auch bei der Beurteilung des Studienprogramms zu Zuranolon im Hinterkopf behalten werden. Alle vorliegenden Studien bedenkend, scheint Zuranolon bei PPD vielversprechend und es ist eine schnell wirksame Substanz. Ein Einsatz könnte also zum Beispiel als „Wirksamkeitsbeschleuniger“ bei konventionellen Antidepressiva denkbar sein. Allerdings fehlen bislang Direktvergleiche gegen Komparatoren. Ob eine Zulassung in Europa angestrebt ist, ist aktuell unklar und bleibt abzuwarten.

Andere am GABAA-Rezeptor ansetzende Substanzen

Die Neurosteroide sind die am weitesten klinisch entwickelten Substanzen (mit Zuranolon als Leitmolekül), die auf (insbesondere extrasynaptische) GABAA-Rezeptoren abzielen. Eine weitere Substanz, die auf extrasynaptische GABAA-Rezeptoren zielt, ist der GABA-PAM PRAX-114. In einer kleinen, offenen Studie erwies die Substanz sich als sicher und effektiv [10]. Eine Phase-II/III-Studie verlief jedoch negativ, sodass die weitere Entwicklung gestoppt wurde.

Auch das gängige Narkosemittel Propofol bindet an GABAA-Rezeptoren und hier an die Beta-3-Untereinheit. Propofol hat ein erhebliches Missbrauchspotenzial aufgrund einer kurzfristigen, raschen euphorisierenden Wirkung. In mehreren Studien wurde untersucht, ob eine Propofol-Narkose bei der Elektrokonvulsionstherapie (EKT) den antidepressiven Effekt verstärkt; ein genuin antidepressiver Effekt von Propofol wurde bislang jedoch nur in einer einzigen, kleinen und offenen Pilotstudie [31] in anästhetischer Dosierung bei TRD untersucht. Es zeigte sich eine rasche und deutliche Reduktion der Depressionswerte. Folgestudien sind zwar in clinicaltrials.gov genannt, aber noch nicht publiziert. Aufgrund der nur engen therapeutischen Breite und des Abhängigkeitspotenzials kommt eine therapeutische Anwendung aus unserer Sicht eher nicht infrage.

Opioiderge Substanzen

Im Wesentlichen wurden bislang zwei Wirkprinzipien, die am opioidergen System ansetzen, hinsichtlich einer raschen antidepressiven Wirkung untersucht: My-Opioid-Rezeptor-Partialagonismus und Antagonismus am Kappa-Rezeptor. Der Kappa-Opioid-Rezeptor (kOR; endogener Ligand: Dynorphin) wird in Hirnsystemen exprimiert, die Stress- und Belohnungsverhalten regulieren. In präklinischen Studien wurde eine Überaktivität dieses Systems mit Anhedonie und depressivem Verhalten in Zusammenhang gebracht. Aus der Gruppe der Kappa-Rezeptor-Antagonisten wurden bislang vor allem drei Substanzen untersucht: Navacaprant, CVL-354 (Phase-I-Studien in Durchführung) und Aticaprant.

Navacaprant ist momentan in einer Phase-III-Studie; allerdings finden sich für die Substanz keine öffentlich zugänglichen klinischen Studienergebnisse. Für Aticaprant existiert ein umfangreiches Phase-III-Studienprogramm des pharmazeutischen Unternehmers. Publiziert wurde bislang allerdings nur eine einzige aussagekräftige Phase-II-Studie [44], in der Aticaprant gegen Placebo verglichen wurde, beides in Kombination mit einem SSRI/SNRI. Insgesamt wurden 184 Patienten in die Studie eingeschlossen. Eine Überlegenheit von Aticaprant über Placebo zeige sich bereits ab der ersten Behandlungswoche und nahm von da an zu. In einer Subgruppen-Analyse zeigte sich, dass der Unterschied bei an Anhedonie leidenden Patienten größer war, was (neben weiteren experimentellen Studien) die Grundlage dafür war, die Substanz in der Indikation „Depression mit Anhedonie“ weiterzuentwickeln. Patienten, deren SHAPS-Score (Snaith-Hamilton pleasure scale; bildet Anhedonie ab) unter dem Median lag, zeigten keinen signifikanten Unterschied zu Placebo. Das Sicherheitsprofil von Aticaprant erwies sich als günstig, Kopfschmerz war die häufigste Nebenwirkung. Eine weitere, an einer akademischen Einrichtung durchgeführte Studie wurde vom Fördermittelgeber wegen zu langsamer Rekrutierung beendet [13].

Buprenorphin ist ein weiteres, auf das Opiat-System abzielendes Molekül. Es ist zum einen ein My-Opioid-Rezeptor-Partialagonist, zum anderen hat es schwächere kappa-Opioid-antagonistische/partialagonistische Wirkung. Es wurde daher sowohl monotherapeutisch als auch in Kombination mit Samidorphan, einem My-Opioid-Rezeptor-Antagonisten, gegeben; Letzteres unter der Idee, einen „reinen“ kOR-Antagonismus zu erreichen. Dies war jedoch nicht sehr erfolgreich. Während eine Studie positiv verlief, scheiterten zwei weitere, sodass die FDA keine Zulassung erteilte. Übereinstimmend damit kam eine Metaanalyse [11] zu dem Ergebnis, dass Buprenorphin bei TRD keine Überlegenheit gegen Placebo zeigt.

Scopolamin

Nicht zuletzt die Entwicklung des neuartigen Antipsychotikums KarXT (Xanomelin/Trospium-Kombination) hat das cholinerge System und hier insbesondere Muskarin-Rezeptoren wieder in das Interesse der Psychopharmaka-Entwicklung gerückt. Aufgrund älterer, kleiner und offener Studien und aus pharmakotheoretischen Überlegungen heraus wurde deshalb untersucht, ob der nichtselektive Muskarin-Rezeptor-Antagonist Scopolamin Potenzial als schnellwirksames Antidepressivum hat. Eine erste kleine (n = 19 Patienten) Placebo-kontrollierte Studie [15] zeigte eine rasche, nach drei bis vier Tagen einsetzende antidepressive Wirksamkeit von intravenösem Scopolamin. Dies stimulierte weitere Forschung zu einer möglichen antidepressiven Wirkung von Scopolamin. Ein kürzlich veröffentlichter systematischer Review [46] identifizierte insgesamt sieben Studien zu intravenösem Scopolamin, von denen sechs zeigen konnten, dass es depressive Symptome verminderte, und das jeweils bereits nach etwa drei Gaben von Scopolamin. Ein anhaltender Effekt über 28 Tage war nicht nachweisbar. Der Effekt von oraler Gabe war weniger klar, der von intramuskulärer Gabe negativ. In dem Artikel wurden dann fünf Studien (drei mit einem Cross-over-Design, zwei mit einem Parallel-Gruppen-Design) einer Metaanalyse unterzogen. Diese zeigte einen signifikanten antidepressiven Effekt nach drei Gaben von i.-v.-Scopolamin.

Zusammengefasst zeigt sich also eine rasche einsetzende, nicht anhaltende Wirkung von intravenösem Scopolamin; sowohl die Anwendungsroute als auch das Nebenwirkungspotenzial limitieren jedoch den Einsatz in der klinischen Praxis. Ein später publizierter systematischer Review [34] konnte nur vier Studien identifizieren, kommt jedoch im Wesentlichen zu den gleichen Schlussfolgerungen.

Mindestens ein pharmazeutisches Unternehmen hat einen M1-Antagonisten als Antidepressivum in der Pipeline.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Erfreulicherweise wenden sich zumindest einige forschende pharmazeutische Unternehmen wieder der Antidepressiva-Entwicklung zu. Dabei fokussiert man sich zunehmend auf Subindikationen wie TRD oder PPD, was eine Entwicklung in Richtung der Präzisionsmedizin darstellt. Bis dieses Konzept allerdings vollständig umgesetzt werden wird, d. h. theranostische Marker in der Klinik eingesetzt werden, um präzise vorherzusagen, welcher Patient auf welche Behandlung anspricht, dürfte noch einige Zeit vergehen. Da die Wirklatenz konventioneller Antidepressiva die Remission verzögert, wird auch die Entwicklung von RAAD vorangetrieben. Von diesen ist mit Esketamin bereits ein Wirkstoff aus der Gruppe der NMDA-Antagonisten/indirekten AMPA-Agonisten in Deutschland zugelassen, Auvelity® (Kombination Bupropion/Dextromethorphan) bislang nur in den USA. Weitere Arzneistoffe, die am glutamatergen System ansetzen, sind in fortgeschrittener klinischer Entwicklung. Auch die Gruppe der Psychedelika, und hier besonders Psilocybin, ist vielversprechend und es steht zu erwarten, dass diese noch in dieser Dekade auf den Markt kommen. Andere Ansätze, zum Beispiel GABA-PAMs oder kOR-Antagonisten, sind weniger weit entwickelt; aktuell laufen noch größere Phase-III-Studien, die darüber entscheiden werden, ob diese Medikamente effektiv sind. Da unklar ist, ob diese Mechanismen wirklich bei allen Patienten mit einer MDD eine Rolle spielen, sind biologische Marker, die dies anzeigen, von großer Wichtigkeit – nicht zuletzt, um in einer Subgruppe eigentlich wirksame Medikamente nicht im statistischen Rauschen untergehen zu lassen.

Abkürzungsverzeichnis

AMPA

Alpha-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isooxazolpropionsäure

EKT

Elektrokonvulsionstherapie

EMA

European Medicines Agency

FDA

Food and Drug Administration

GABA

Gamma-Aminobuttersäure

kOR-A

Kappa-Opioid-Rezeptor-Antagonist

LSD

Lysergsäurediethylamid

MADRS

Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale

MDMA

3,4-Methylendioxymethamphetamin (Ecstasy)

MoA

Mode of action, Wirkungsmechanismus

mOR-pA

My-Opioid-Rezeptor-Partialagonist

NMDA

N-Methyl-D-aspartat

PAM

Positiv allosterischer Modulator

RAAD

Rapid acting antidepressant, schnell wirkendes Antidepressivum

SNRI

Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

SSRI

Selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

TRD

Therapieresistente Depression

Interessenkonflikterklärung

AR: Honorare für Vorträge und/oder Beratertätigkeit von Janssen, Boehringer Ingelheim, COMPASS, SAGE/Biogen, LivaNova, Medice, Shire/Takeda, MSD und cyclerion.

CRL: Honorare für Vorträge und/oder Beratertätigkeit von Janssen, LivaNova und Das Fortbildungskolleg.

FF: keine.

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Prof. Dr. med. Andreas Reif, Universitätsklinikum Frankfurt, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Heinrich-Hoffmann-Straße 10, 60528 Frankfurt am Main und Fraunhofer Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP, Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main, E-Mail: reif@med.uni-frankfurt.de

Dr. med. Christine Reif-Leonhard, Priv.-Doz. Dr. Florian Freudenberg, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Heinrich-Hoffmann-Straße 10, 60528 Frankfurt am Main

Rapid acting antidepressants – current status and new developments. Part 2: Psychedelics, neurosteroids and further compounds

Currently approved conventional antidepressants exhibit a significantly delayed onset of action, taking several weeks. As described in our previous review article in this series, this has led to increased research into rapid-acting antidepressants (RAADs). With the approval of intranasal esketamine in 2019, a substance from a new class of drugs (NMDA receptor antagonism) was approved as the first RAAD. In the previous article, we focused on potential novel RAADs targeting the glutamatergic system; here, we aim to evaluate other drugs with different pharmacological targets regarding their suitability as RAADs based on clinical studies. These classes of substances mainly include psychedelics (such as psilocybin, lysergic acid diethylamide [LSD], Ayahuasca/dimethyltryptamine [DMT]), 3,4-methylenedioxy-N-methylamphetamine [MDMA], GABAergic substances (i.e., positive allosteric modulators [PAM] of GABA-A receptors [GABA-PAM; PRAX-114, propofol, zuranolone]), opioidergic substances (my-opioid receptor partial agonists [mOR-pA; buprenorphine], kappa-opioid receptor antagonists [kOR-A; aticaprant, navacaprant]), and scopolamine.

Key words: Rapid-acting antidepressant, psychedelics, MDMA, GABA PAM, opioidergic substances, scopolamine

Psychopharmakotherapie 2024; 31(04):120-127