Episodische Migräne bei Erwachsenen

ELEVATE-Studie: Atogepant für die Prophylaxe, wenn herkömmliche orale Therapien versagen


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie war der CGRP-Rezeptor-Antagonist Atogepant 60 mg oral einmal täglich gut verträglich und zeigte über 12 Wochen eine signifikante und klinisch relevante Reduktion der mittleren monatlichen Migränetage im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit episodischer Migräne, die zuvor auf zwei bis vier Klassen konventioneller oraler Migräneprophylaxen nicht angesprochen hatten.

Atogepant, ein oraler Calcitonin-Gene-related-Peptide-Rezeptor-(CGRP)-Antagonist, ist zur Prophylaxe der Migräne wirksam und zugelassen, wird aber bislang nur in den USA auf den Markt gebracht. Die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit von Atogepant bei Menschen, bei denen die herkömmlichen oralen Migräneprophylaktika wie Betablocker, Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin unwirksam waren oder nicht vertragen wurden, war bisher nicht in einer klinischen Studie untersucht worden. Mit der ELEVATE-Studie wurden nun Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit von Atogepant für die Prophylaxe der episodischen Migräne bei Teilnehmern untersucht, bei denen zwei bis vier Klassen konventioneller oraler Migräneprophylaxen versagt hatten.

Studiendesign

ELEVATE war eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie, die an 73 Kopfschmerzzentren durchgeführt wurde. Erwachsene im Alter von 18 bis 80 Jahren mit episodischer Migräne, bei denen zuvor zwei bis vier konventionelle orale Behandlungen zur Migräneprophylaxe versagt hatten, wurden randomisiert und erhielten entweder einmal 60 mg Atogepant oral oder Placebo. Es erfolgte eine Stratifizierung nach monatlichen Migränetagen zu Beginn der Studie, Anzahl der bisherigen Behandlungsklassen, an denen die Teilnehmer gescheitert waren, und geographische Region. Der primäre Endpunkt der Studie war die Veränderung der mittleren monatlichen Migränetage über den 12-wöchigen Behandlungszeitraum.

Ergebnisse

Zwischen März 2021 und August 2022 wurden 540 Studienteilnehmer gescreent, 315 wurden randomisiert und 313 Teilnehmer erhielten mindestens eine Dosis der Studienmedikation. Die Patienten waren im Mittel 42 Jahre alt; 89 % waren Frauen. Die mittlere Zahl der Migränetage pro Monat zu Beginn der Studie betrug 9,1. Bei 90 % der Patienten war mindestens eine vorherige Migräneprophylaxe nicht wirksam, bei 56 % wurde sie nicht vertragen.

Nach 12 Wochen betrug die mittlere Reduktion der monatlichen Migränetage gegenüber dem Ausgangswert –1,9 (Standardfehler [SE] 0,4) unter Placebo und –4,2 (SE 0,4) unter Atogepant. Dies entspricht einer Mittelwertdifferenz von –2,4 Tagen (95%-Konfidenzintervall [KI] –3,2 bis –1,5; p < 0,0001). Es zeigte sich auch eine signifikante Reduktion der Kopfschmerztage pro Monat und der Tage mit Akutmedikation zur Behandlung von Migräneattacken zugunsten von Atogepant. Die häufigste behandlungsbedingte Nebenwirkung unter Atogepant war Verstopfung bei 16 von 156 Teilnehmern (10 %) gegenüber vier von 157 Teilnehmern (3 %) unter Placebo. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei vier von 156 Teilnehmern (3 %) in der Atogepant-Gruppe auf, keine Ereignisse in der Placebo-Gruppe. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führten, traten bei drei Patienten (2 %) in der Atogepant-Gruppe auf, gegenüber zwei (1 %) in der Placebo-Gruppe.

Kommentar

Es gibt neue Ansätze zur Prophylaxe der Migräne, darunter die monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor, die einmal pro Monat oder alle 3 Monate subkutan oder – wie Eptinezumab – alle drei Monate intravenös gegeben werden [3]. Ebenfalls neu sind die sogenannten Gepante, kleine Moleküle, die als Antagonisten direkt am CGRP-Rezeptor wirken. Atogepant ist eines dieser Moleküle und hat seine Wirksamkeit sowohl bei der Prophylaxe der episodischen [1] als auch der chronischen Migräne [2] gezeigt. Aufgrund der hohen Kosten ist die Verschreibungsfähigkeit neuer migränepräventiver Medikamente in den meisten Gesundheitssystemen eingeschränkt. Erstattet wird die Therapie in der Regel von den Krankenkassen nur bei Patienten, bei denen die vorherige orale Therapie bei episodischer Migräne mit Betablockern, Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin nicht wirksam war, nicht vertragen wurde oder kontraindiziert war. Deshalb werden für alle monoklonalen Antikörper und Gepante prospektive randomisierte Studien in dieser speziellen Patientenpopulation durchgeführt. Die hier durchgeführte Studie zeigt eindeutig, dass orales Atogepant bei Patient mit episodischer Migräne, bei denen die vorausgegangenen oralen Therapien nicht wirksam waren, gut wirksam ist und eine gute Verträglichkeit hat. Die beiden einzigen unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die allerdings selten zum Studienabbruch führten, waren Obstipation und Übelkeit.

Quelle

Tassorelli C, et al. Safety and efficacy of atogepant for the preventive treatment of episodic migraine in adults for whom conventional oral preventive treatments have failed (ELEVATE): a randomised, placebo-controlled, phase 3b trial. Lancet Neurol 2024;23:382–92.

Literatur

1. Ailani J, et al. Atogepant for the preventive treatment of migraine. New Engl J Med 2021;385:695–706.

2. Pozo-Rosich P, et al. Atogepant for the preventive treatment of chronic migraine (PROGRESS): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2023;402:775–85.

3. Sacco S, et al. European Headache Federation guideline on the use of monoclonal antibodies targeting the calcitonin gene related peptide pathway for migraine prevention – 2022 update. J Headache Pain 2022;23:67.

Psychopharmakotherapie 2024; 31(04):145-153