Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
Pathologisches Alpha-Synuclein gilt als das pathogene Substrat der Parkinson-Krankheit. Alpha-Synuclein-Aggregate und deren Ausbreitung zwischen Neuronen spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese und bei der Progression der Erkrankung.
Prasinezumab ist ein experimenteller therapeutischer monoklonaler Antikörper, der aggregiertes Alpha-Synuclein bindet [2]. Die Wirkung von Prasinezumab wurde in der PASADENA-Studie bei Patienten mit Morbus Parkinson im Frühstadium untersucht (s. u.) [3]. In PASADENA wurde der primäre Endpunkt (Movement Disorder Society Unified Parkinson’s Disease Rating Scale [MDS-UPDRS]; Summe der Teile I + II + III) nicht erreicht. Patienten, die Prasinezumab erhielten, zeigten jedoch eine langsamere Progression der motorischen Ausfälle als die mit Placebo behandelten Teilnehmer (MDS-UPDRS; Teil III). Keine Unterschiede fanden sich bei den MDS-UPDRS Teilen I und II. Daher sollte untersucht werden, ob Prasinezumab in vier vorab spezifizierten und sechs explorativen Post-hoc-Untergruppen mit schnellerem Fortschreiten der motorischen Progression (MDS-UPDRS; Teil III) wirkt.
Die Untergruppen waren:
- Therapie mit Monoaminooxidase(MAO)-B-Hemmern zu Studienbeginn (ja vs. nein),
- Hoehn- und Yahr-Stadium (2 vs. 1),
- Rapid-Eye-Movement(REM)-Schlafverhaltensstörung (ja vs. nein),
- Datengesteuerte Subphänotypen (diffus maligne vs. nicht diffus maligne) [1],
- Alter bei Studienbeginn (≥ 60 Jahre vs. < 60 Jahre),
- Geschlecht (männlich vs. weiblich),
- Krankheitsdauer (> 12 vs. < 12 Monate),
- Alter bei der Diagnose (≥ 60 vs. < 60 Jahre),
- Motorische Subphänotypen (akinetisch-rigide vs. tremordominant),
- Motorische Subphänotypen (posturale Instabilität und Gangstörung vs. Tremor-Dominanz).
Studiendesign
PASADENA war eine doppelblinde und Placebo-kontrollierte Studie und umfasste 316 Personen mit M. Parkinson im Frühstadium, die im Verhältnis 1 : 1 : 1 auf intravenöse Infusionen von Placebo, Prasinezumab 1500 mg oder Prasinezumab 4500 mg alle vier Wochen über 52 Wochen randomisiert wurden. Mit Ausnahme der Einnahme von MAO-B-Hemmern waren andere symptomatische Therapien wie Levodopa und Dopamin-Agonisten nicht erlaubt.
Ergebnisse
Die beste Wirkung zeigte sich bei den schnell fortschreitenden Subpopulationen (diffus bösartig). Diese Patienten haben häufiger eine orthostatische Dysregulation, leichte kognitive Beeinträchtigungen (mild cognitive impairment) und sehr häufig REM-Schlafverhaltensstörungen. Sie weisen schwerere motorische Symptome auf und haben häufiger eine Depression oder ein Angsterkrankung. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Prasinezumab in der PASADENA-Studie eine numerische Wirkung auf die Verlangsamung des Fortschreitens in Untergruppen von Patienten mit schnell fortschreitender Erkrankung zeigte.
Kommentar
Es ist erstaunlich, dass eine so hochrangige Zeitschrift wie Nature Medicine eine Subgruppenanalyse einer initial neutralen Studie publiziert. Es herrscht normalerwiese eine Übereinkunft für die Publikation klinischer Studien, dass, wenn der primäre Endpunkt einer Studie nicht erreicht wird, weitere Analysen explorativ und Hypothesen generierend sind. Im vorliegenden Fall wurden zehn Untergruppen von Patienten aus der PASADENA-Studie analysiert, davon ein Teil post hoc. Begründet wurde dies damit, dass der primäre Endpunkt MDS-UPDRS Summe der Teile I + II + III möglicherweise die Verlangsamung der Progression nicht widerspiegelt. Nur für eine Untergruppe von Patienten fand sich ein möglicher Therapieeffekt von Prasinezumab – nämlich bei Patienten mit rascher Krankheitsprogression. Diese Analyse war allerdings nicht für multiple Vergleiche korrigiert. Es gibt bei klinischen Studien zahlreiche Beispiele, bei denen eine Untergruppe von Patienten bei einer insgesamt neutralen Studie vermeintlich profitierte. In den meisten Fällen ließ sich dies nicht reproduzieren, wenn weitere Studien gezielt in dieser Population duchgeführt wurden. Ein endgültiges Urteil über eine mögliche Wirkung von Prasinezumab kann erst getroffen werden, wenn eine weitere Studie mit einer Beobachtungszeit von mehr als einem Jahr durchgeführt wird.
Es ist wichtig zu betonen, dass es sich bei der Publikation um eine explorative Analyse einer Phase-II-Studie handelt, die keine Wirkung auf den primären Endpunkt gezeigt hat.
Quelle
Pagano G, et al. Prasinezumab slows motor progression in rapidly progressing early-stage Parkinson’s disease. Nature Med 2024;30:1096–103.
Literatur
1. Fereshtehnejad SM, et al. New clinical subtypes of Parkinson disease and their longitudinal progression: a prospective cohort comparison with other phenotypes. JAMA Neurol 2015;72:863–73.
2. McFarthing K. Prasinezumab and cinpanemab – the perspective of a person with Parkinson’s. J Parkinsons Dis 2022;12:2287–8.
3. Pagano G, et al. Trial of prasinezumab in early-stage Parkinson’s disease. N Engl J Med 2022;387:421–32.
Psychopharmakotherapie 2024; 31(04):145-153