Parkinson-Krankheit

Lixisenatid bei früher Parkinson-Krankheit


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Mit einem Kommentar des Autors

In einer randomisierten Phase-II-Studie bei Patienten mit früher Parkinson-Krankheit führte eine Therapie mit Lixisenatid, einem GLP-1-Rezeptor Agonisten, nach zwölf Monaten zu einem geringeren Fortschreiten der motorischen Behinderung als Placebo. Die Therapie war jedoch mit häufigen gastrointestinalen Nebenwirkungen verbunden. Längere und größere Studien sind jetzt erforderlich, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Lixisenatid bei Menschen mit einer beginnenden Parkinson-Krankheit zu untersuchen.

Die Therapie der Parkinson-Krankheit erfolgt rein symptomatisch. Neuroprotektive Ansätze, welche die Krankheitsprogression verlangsamen, sind bisher gescheitert [3]. Lixisenatid ist ein Glucagon-like-Peptide-1(GLP-1)-Rezeptor-Agonist, der zur Behandlung des Diabetes mellitus zugelassen ist. In einem Mausmodell der Parkinson-Krankheit zeigte die Substanz neuroprotektive Eigenschaften.

Studiendesign

In der doppelblinden, randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-II-Studie LIXIPARK wurde die Wirkung von Lixisenatid auf das Fortschreiten der motorischen Behinderungen bei Personen mit beginnender Parkinson-Krankheit untersucht. Patienten, bei denen die Parkinson-Krankheit vor weniger als drei Jahren diagnostiziert wurde, die eine stabile Dosis von Medikamenten zur symptomatischen Therapie (z. B. Levodopa oder Dopaminagonisten) erhielten und die keine motorischen Komplikationen aufwiesen, wurden nach dem Zufallsprinzip auf die tägliche subkutane Gabe von Lixisenatid oder Placebo randomisiert. Die Behandlung erfolgte für zwölf Monate, gefolgt von einer zweimonatigen Auswaschphase. Lixisenatid oder eine äquivalente Menge Placebo wurde zunächst über 14 Tage in einer Dosis von 10 μg pro Tag verabreicht, dann wurde die Dosis für den Rest des zwölfmonatigen Zeitraums auf 20 μg pro Tag erhöht.

Der primäre Endpunkt war die Veränderung der Werte auf der Movement Disorder Society-Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS) Teil III, ermittelt im On-Zustand, also in der wirksamen Phase der symptomatischen Therapie. Die Skala reicht von 0 bis 132, wobei höhere Werte eine ausgeprägtere motorische Behinderung anzeigen. Zu den sekundären Endpunkten gehörten andere MDS-UPDRS-Teilergebnisse nach 6, 12 und 14 Monaten sowie die Levodopa-Äquivalentdosis.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 156 Personen eingeschlossen (78 je Therapiegruppe). Die Werte auf der MDS-UPDRS Teil III lagen bei Studienbeginn in beiden Gruppen bei etwa 15 Punkten. Nach zwölf Monaten betrug die Veränderung des MDS-UPDRS-III-Werts gegenüber dem Ausgangswert

  • in der Lixisenatid-Gruppe –0,04 Punkte, was eine Verbesserung anzeigt, und
  • in der Placebo-Gruppe +3,04 Punkte, was auf eine Verschlechterung hinweist.

Die Differenz betrug 3,08 Punkte mit einem 95%-Konfidenzintervall (KI) von 0,86 bis 5,30 (p = 0,007).

Nach 14 Monaten, nach der zweimonatigen Auswaschphase, wurden die mittleren motorischen MDS-UPDRS-Scores im medikamentenfreien Zustand, also am Ende eines wirksamen Intervalls der symptomatischen Therapie ermittelt. Sie betrugen 17,7 (95%-KI 15,7–19,7) in der Lixisenatid-Gruppe und 20,6 (95%-KI 18,5–22,8) in der Placebo-Gruppe. Die anderen Ergebnisse der sekundären Endpunkte unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen.

Nebenwirkungen wurden von 86 % der Patienten in der Lixisenatid-Gruppe und 71 % in der Placebo-Gruppe berichtet. Bei 71 % bzw. 32 % wurde ein Zusammenhang mit der Studienmedikation angenommen. Gastrointestinale Nebenwirkungen traten unter Lixisenatid häufiger auf als unter Placebo, nämlich Übelkeit bei 46 % versus 12 % der Patienten, Erbrechen bei 13 % versus 3 % und gastroösophagealer Reflux bei 8 % versus 1 %. Bei 36 % der Patienten, die Lixisenatid erhielten, musste die Dosis wegen Nebenwirkungen reduziert werden.

Kommentar

Dies ist eine aufsehenerregende Studie, die zu vielen kontroversen Kommentaren in der Parkinson-Szene geführt hat. Grundlage der Studie war die Beobachtung, dass GLP-1-Agonisten neuroprotektive Eigenschaften haben und neben ihrer Wirkung auf den Glucosestoffwechsel auch entzündungshemmende Eigenschaften besitzen [4]. In präklinischen Modellen der Parkinson-Erkrankung waren GLP-1-Agonisten ebenfalls wirksam. Die hier durchgeführte Studie zeigt, dass es unter dem GLP-1-Agonisten Lixisenatid zu einem Stillstand der Parkinson-Krankheit kommt, während die Erkrankung unter Placebo fortschreitet. Der absolute Unterschied in der verwendeten Skala ist allerdings sehr gering und es ist fraglich, ob er klinisch bedeutsam ist. Die Beobachtung bezieht sich allerdings bisher nur auf ein Jahr, sodass nicht bekannt ist, ob sich die Stabilisierung der Erkrankung unter der Gabe des GLP-1-Agonisten auch langfristig nachweisen lässt. Ein weiteres Problem sind die unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Hier stehen ganz im Vordergrund Übelkeit und Erbrechen. Ursache ist wahrscheinlich, dass für diese Studie die höchste zugelassene Dosis von Lixisenatid verwendet wurde, die auch in den Studien zum Diabetes mellitus schlecht toleriert wurde.

Die LIXIPARK-Studie muss in den Kontext anderer Studien mit GLP-1-Agonisten gestellt werden. Eine 48-monatige doppelblinde Studie mit Exenatid zeigte ähnliche Effekte wie in dieser Studie [1]. Die daraufhin durchgeführte große Studie mit lang wirksamem pegyliertem Exenatid war allerdings negativ [2]. Ein endgültiges Urteil über eine mögliche Langzeitwirkung von GLP-1-Agonisten bei beginnender Parkinson-Erkrankung erfordert große und über lange Zeiträume angelegte Studien.

Quelle

Meissner WG, et al (LIXIPARK Study Group). Trial of lixisenatide in early Parkinson’s Disease. N Engl J Med 2024;390(13):1176–85.

Literatur

1. Athauda D, et al. Exenatide once weekly versus placebo in Parkinson’s disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2017;390:1664–75.

2. McGarry A, et al. Safety, tolerability, and efficacy of NLY01 in early untreated Parkinson’s disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2024;23:37–45.

3. Morris HR, et al. The pathogenesis of Parkinson’s disease. Lancet 2024;403:293–304.

4. Reich N, Hölscher C. The neuroprotective effects of glucagon-like peptide 1 in Alzheimer’s and Parkinson’s disease: an in-depth review. Front Neurosci 2022;16:970925.

Psychopharmakotherapie 2024; 31(03):103-117