Leichte Alzheimer-Erkrankung

Zukünftige Therapieoption: Tau-gerichtetes Antisense-Oligonukleotid MAPTRx


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Das Tauprotein spielt eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Alzheimer-Erkrankung. In einer Sicherheitsstudie wurde eine dosisabhängige Reduktion der Gesamt-Tau-Konzentration im Liquor von mehr als 50 % bei Patienten mit leichter Alzheimer-Erkrankung in den Gruppen mit 60 mg und 115 mg MAPTRx, einem Antisense Oligonukleotid, beobachtet. Es gab keine Sicherheitsbedenken.

Intrazelluläres Tauprotein spielt eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Alzheimer-Erkrankung. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass aggregiertes, hyperphosphoryliertes Tau ein Hauptfaktor für die Neurodegeneration beim Morbus Alzheimer sein könnte. Das Tau-Protein wird durch das Gen für das Mikrotubuli-assoziierte Protein Tau (MAPT), das hauptsächlich in Neuronen exprimiert wird, kodiert. Unter pathologischen Bedingungen akkumuliert das hyperphosphorylierte Tau intrazellulär und aggregiert zu Oligomeren und Fibrillen, was zu intraneuronalen neurofibrillären Ablagerungen führt und mit der Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten beim M. Alzheimer assoziiert ist. Tau wird auch von Neuronen ausgeschieden und breitet sich über spezifische neuronale Netzwerke über einen transsynaptischen Weg aus. Diese Ausbreitung der Tau-Pathologie geht mit einer weiteren synaptischen Dysfunktion und dem Verlust von Nervenzellen einher. Präklinische Studien haben gezeigt, dass eine Tau-Reduktion spezifische Aβ-vermittelte Defizite verhindert, was für eine zentrale Rolle von Tau bei der Vermittlung der Aβ-Toxizität in der frühen Pathogenese des M. Alzheimer spielt. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Senkung von Tau diese Pathologie reduzieren könnte. In der vorliegenden Studie versuchten die Autoren, die MAPT-Expression mit einem auf Tau ausgerichteten Antisense-Oligonukleotid (MAPTRx) bei Patienten im Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung zu hemmen.

Studiendesign

Es handelte sich um eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Phase-Ib-Studie, in der Sicherheit, Pharmakokinetik und die mögliche Wirkung von MAPTRx untersucht wurden. Vier aufsteigende Dosiskohorten wurden nacheinander aufgenommen und im Verhältnis 3 : 1 auf eine intrathekale Bolusgabe von MAPTRx oder Placebo alle 4 oder 12 Wochen randomisiert. Die Studiendauer betrug 13 Wochen, gefolgt von einem 23-wöchigen Nachbehandlungszeitraum. Der primäre Endpunkt der Studie war die Sicherheit. Der sekundäre Endpunkt war die Pharmakokinetik von MAPTRx im Liquor. Das vorab festgelegte explorative Ergebnis war die Gesamt-Tau-Protein-Konzentration im Liquor.

Ergebnisse

An der Studie nahmen 46 Patienten teil, von denen 34 auf MAPTRx und 12 auf Placebo randomisiert wurden. Die Patienten waren im Mittel 66 Jahre alt und wiesen laut Mini-Mental-Status-Test eine leichte kognitive Beeinträchtigung auf (MMSE-Score bei 22 bis 25 Punkten). Unerwünschte Ereignisse wurden bei 94 % der mit MAPTRx behandelten Patienten und 75 % der mit Placebo behandelten Patienten beobachtet. Alle Ereignisse waren leicht oder mittelschwer und nicht mit der Behandlung assoziiert. Es wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse bei den mit MAPTRx behandelten Patienten beobachtet. Im Liquor wurde eine dosisabhängige Verringerung der Gesamt-Tau-Konzentration mit einer mittleren Reduktion von mehr als 50 % im Vergleich zum Ausgangswert, 24 Wochen nach der letzten Dosis in den Gruppen mit 60 mg (vier Dosen) und 115 mg (zwei Dosen) MAPTRx beobachtet.

Kommentar

Es handelt sich hier um eine der spektakulärsten Studien für eine mögliche, zukünftige Behandlung der frühen Alzheimer-Erkrankung. Die beiden wichtigen pathophysiologischen morphologischen Veränderungen beim M. Alzheimer sind die Ablagerungen von Beta-Amyloid und intrazelluläres Tauprotein. Es wird davon ausgegangen, dass Beta-Amyloid zu etwa 50 % für die Krankheitsentstehung und Progression verantwortlich ist. Die neuen Daten zu den monoklonalen Antikörpern gegen Beta-Amyloid zeigen, dass einige dieser Substanzen den Krankheitsverlauf beim frühen Alzheimer verlangsamen können [1]. PET-Studien zeigten, dass diese monoklonalen Antikörper zu einer dramatischen Reduktion der Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn führen. Therapieansätze bei neurodegenerativen Erkrankungen wie dem M. Parkinson mit monoklonalen Antikörpern gegen Tau waren bisher leider nicht erfolgreich [2, 3]. Daher ist der Therapieansatz, ein Antisense-Oligonukleotid zu verwenden, neu und innovativ. Die kleine Studie zeigt als Proof-of-Concept, dass mit dem Antisense Oligonukleotid MAPTRx bei Patienten mit einer frühen Alzheimer-Erkrankung die Taukonzentration im Liquor dramatisch reduziert werden kann. Die Studie war allerdings viel zu klein und die Dauer zu kurz, um ermessen zu können, ob die Therapie auch Auswirkungen auf kognitive Funktionen und die Verschlechterung von kognitiven Funktionen im Verlauf hat. Um dies zu untersuchen, müssen größere Langzeitstudien durchgeführt werden, die aktuell in Plaunung sind.

Quelle

Mummery CJ, et al. Tau-targeting antisense oligonucleotide MAPTRx in mild Alzheimer’s disease: a phase 1b, randomized, placebo-controlled trial. Nat Med 2023. DOI: 10.1038/s41591-023-02326-3.

Literatur

1. van Dyck CH, et al. Lecanemab in early Alzheimer’s disease. N Engl J Med 2023;388:9–21. DOI: 10.1056/NEJMoa2212948.

2. Lang AE, et al. Trial of cinpanemab in early Parkinson’s disease. New Engl J Med 2022;387(5):408–20.

3. Pagano G, et al. Trial of prasinezumab in early-stage Parkinson’s disease. New Engl J Med 2022;387(5):421–32.

Psychopharmakotherapie 2023; 30(04):131-142