Migräneprophylaxe mit Anti-CGRP-Antikörpern

Fremanezumab überzeugt in Studien und beweist sich im Praxisalltag


Sabine M. Rüdesheim, Frechen

Die Prophylaxe mit Fremanezumab verringert nicht nur die monatlichen Migränetage, sondern verbessert auch die Lebensqualität der Betroffenen. Auch im Behandlungsalltag überzeugt der Anti-CGRP(Calcitonin gene-related peptide)-Antikörper gegenüber herkömmlichen Standardprophylaktika, wie Experten bei einem Pressegespräch der Firma Teva aufzeigten.

Migräne ist eine von acht chronischen Erkrankungen, die jeweils mehr als 10 % der Weltbevölkerung beeinträchtigen – dabei sind Frauen zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung stellt für die Betroffenen und für deren Familien eine schwere Belastung dar. Leitlinien empfehlen denjenigen Patienten eine Prophylaxe anzubieten, die an mindestens vier Kopfschmerztagen pro Monat von einer Beeinträchtigung berichten. Theoretisch könnten deshalb rund 40 % der Migränepatienten von einer Prophylaxe profitieren, doch lediglich < 15 % verwenden eine solche [6]. Als medikamentöse Optionen zur Migräneprophylaxe werden oft nicht spezifisch entwickelte Prophylaktika wie Betablocker, Calciumkanalblocker, Antidepressiva sowie Antiepileptika eingesetzt. Doch trotz Leidensdruck und verminderter Lebensqualität ist die Adhärenz und Persistenz aufgrund der hohen Nebenwirkungsraten und mangelnder Wirksamkeit niedrig: Mehr als 80 % der Patienten mit chronischer Migräne beenden die orale Prophylaxe innerhalb eines Jahres – die meisten schon innerhalb des ersten Monats [5].

Weniger Kopfschmerz – mehr Lebensqualität

Eine alternative Option zur Migräneprophylaxe sind monoklonale Antikörper gegen CGRP (Calcitonin gene-related peptide) oder dessen Rezeptor. Fremanezumab (Ajovy®) bindet an CGRP und hindert dadurch beide CGRP-Isoformen (α- und β-CGRP) an der Bindung an den CGRP-Rezeptor. Unter dem spezifisch für die Migräneprophylaxe entwickelten Wirkstoff verringerte sich die durchschnittliche Zahl der monatlichen Kopfschmerztage mit mindestens mäßigem Schweregrad um 4,6 Tage im Vergleich zu 2,5 Tagen unter Placebo [4].

Während der Behandlung mit Fremanezumab im Rahmen des klinischen HALO-Programms berichteten 68 % der Patienten von einer Verbesserung der Ängstlichkeit, 57 % von einer Verbesserung der Schlafqualität, 71 % haben mehr Zeit mit Freunden bzw. der Familie verbracht, 69 % waren häufiger bei der Arbeit bzw. in der Schule und 81 % verspürten mehr Freude an Freizeitaktivitäten [2].

Auch ein systematischer Literaturreview, der ausschließlich Ergebnisse aus randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-III-Studien berücksichtigte, bestätigt Anti-CGRP-Antikörpern eine überzeugende Wirksamkeit gegenüber herkömmlichen Standardprophylaktika [3].

Real-Life-Daten untermauern Wirksamkeit

Dass sich diese positiven Ergebnisse bezüglich der Wirksamkeit unter kontrollierten Studienbedingungen auch in den klinischen Alltag übertragen lassen, zeigten die Daten der ersten Interimsanalyse der nichtinterventionellen Studie FINESSE auf. In der Studie sollen insgesamt 1000 Patienten mit episodischer oder chronischer Migräne über 24 Monate beobachtet werden. Die erste Interimsanalyse wurde nach Vorliegen der 6-Monats-Daten von 308 Patienten durchgeführt. Eine Reduktion der monatlichen Migränetage um ≥ 50 % (primärer Endpunkt) erreichten 48,7 % aller Migränepatienten (53,2 % episodische und 43,0 % chronische Migräne). Es wurde eine Reduktion der monatlichen Migränetage von 12,7 zu Baseline auf 6,2 im Monat 6 festgestellt. Zudem ging die Anzahl der Tage, an denen eine akute Migränemedikation eingenommen werden musste, von 9,6 auf 4,4 zurück [7].

Auch die Zwischenergebnisse der prospektiven Beobachtungsstudie PEARL zeigen die Wirksamkeit von Fremanezumab bei der Migräneprävention und zur Verringerung migränebedingter Behinderungen: Über sechs Monate hatten 54,7 % aller Patienten eine mindestens 50 %ige Reduktion der monatlichen Migränetage; 71,2 % aller CM-Patienten hatte eine mindestens 30%ige Reduktion der monatlichen Migränetage [1].

Fazit

Trotz der hohen Prävalenz und erheblicher Krankheitslast profitieren noch viel zu wenig Migränebetroffene von einer Prophylaxe. Mit Anti-CGRP-Antikörpern wie Fremanezumab kann die Versorgung optimiert werden.

Quelle

Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Hartmut Göbel, Kiel, Dr. med. Borries Kukowski, Hildesheim, virtuelles Pressegespräch „Migräneprophylaxe mit anti-CGRP-Antikörpern – von den Studiendaten zur Patientenrealität“, 11. Juli 2022, veranstaltet von Teva.

Literatur

1. Ashina M, et al. Effectiveness of fremanezumab for preventive treatment of migraine: the observational PEARL study. EAN-Kongress 2022, Poster EPR-035. Eur J Neurol 2022;29(Suppl. 1):192.

2. Buse DC, et al. Improvements across a range of patient-reported domains with fremanezumab treatment: results from a patient survey study. J Headache Pain 2020;21:109.

3. Drellia K, et al. Anti-CGRP monoclonal antibodies for migraine prevention: A systematic review and likelihood to help or harm analysis. Cephalalgia 2021;41:851–64.

4. Fachinformation Ajovy®, Stand Mai 2022.

5. Hepp Z, et al. Persistence and switching patterns of oral migraine prophylactic medications among patients with chronic migraine: A retrospective claims analysis. Cephalagia 2017;37:470–85.

6. Lipton RB, et al. Migraine prevalence, disease burden, and the need for preventive therapy. Neurology 2007;68:343–9.

7. Straube A, et al. Effectiveness of fremanezumab for preventive treatment in migraine: The non-interventional FINESSE study. DGN-Kongress 2021, Poster IP055.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(05):192-203