Schizophrenie

Erfolgreiche Kontrolle der Positiv- und Negativsymptome mit Cariprazin


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Umfassende Studiendaten und Erfahrungen aus dem klinischen Alltag bestätigen, dass Cariprazin, ein Partialagonist der D2/D3-Dopaminrezeptoren mit hoher Affinität zum D3-Rezeptor, von der Akut- bis zur Langzeittherapie der Schizophrenie eine erfolgreiche Kontrolle der Positiv- und Negativsymptomatik ermöglicht. Bei frühzeitiger Einstellung auf das Antipsychotikum können die Patienten von einer langfristigen Stabilisierung und einer Steigerung ihrer Alltagsfunktionen profitieren, wie bei einem von Recordati veranstalteten Pressegespräch ausgeführt wurde.

Während in akuten Episoden der Schizophrenie Positivsymptome im Vordergrund stehen und überwiegend früh erkennbar sind, kann das Management der Negativsymptome eine Herausforderung darstellen, so die Erfahrung von Fatih Keskin, Oberarzt an der Klinik Könighof, Krefeld. Negativsymptome können sich bereits in der Prodromalphase manifestieren; ihre Ausprägung nimmt im Verlauf der Erkrankung weiter zu [8]. Deshalb gilt es, sie im Langzeitverlauf der Behandlung im Fokus zu halten. Gute Erfahrungen bei Patienten mit Schizophrenie und ausgeprägter Negativsymptomatik hat Keskin mit dem D2/D3-Partialagonisten Cariprazin (Reagila®) gemacht. Die Substanz unterscheidet sich durch ihren Wirkungsmechanismus von anderen verfügbaren Partialagonisten und sonstigen Antipsychotika [5, 7]: Während Cariprazin unter allen Antipsychotika die höchste Affinität zum D3-Dopaminrezeptor aufweist, ist die Affinität zu histaminergen, alpha-adrenergen und muskarinergen Rezeptoren niedrig, was das günstige Sicherheits -und Verträglichkeitsprofil erklären könnte [2, 5].

Wirksame Kontrolle der Positiv- und Negativsymptomatik

Dass die Behandlung mit dem Antipsychotikum der dritten Generation Patienten mit Schizophrenie langfristig vor psychotischen Rückfällen schützen kann, zeigen die Ergebnisse einer Placebo-kontrollierten Langzeitstudie. Im Verlauf von bis zu 97 Wochen blieb die Rezidivrate um 55 % gegenüber Placebo zurück (24,8 % vs. 47,5 %; Hazard-Ratio 0,45; 95%-Konfidenzintervall: 0,28–0,73] [1]. Die gute rezidivprophylaktische Wirkung von Cariprazin wird durch Erfahrungen aus dem klinischen Alltag bestätigt, wie Keskin an dem Fallbeispiel einer 25-jährigen Studentin verdeutlichte. Im Dezember 2017 erhielt die Patientin die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie, hatte aber schon zuvor ausgeprägte Negativsymptome aufgewiesen. Sie wurde zunächst auf Risperidon eingestellt. Nach mehreren Behandlungsabbrüchen erlitt sie drei Rezidive. Ihre Eltern beklagten eine zunehmende Rückzugstendenz ihrer Tochter. Sie wurde zunehmend depressiver, vernachlässigte die Selbstfürsorge, gab frühere Interessen auf und brach ihr Studium ab. Insgesamt war eine zunehmende affektive Verflachung und kognitive Desorganisation zu beobachten. Im Februar 2021 wurde die Patientin schrittweise von Risperidon auf Cariprazin umgestellt. Ab April 2021 erhielt sie Cariprazin (4,5 mg/Tag) in Monotherapie. Darunter kam es zu einer spürbaren Verbesserung der Negativsymptomatik. Sie begann eine Ausbildung und konnte wieder in den Berufsalltag zurückkehren.

„Partielle Dopaminagonisten können helfen, das psychosoziale Funktionsniveau zu verbessern“, so Keskin. Das zeigte sich auch in einer Head-to-Head-Studie bei Schizophreniepatienten mit überwiegender Negativsymptomatik [6]. Bereits ab Woche 10 war unter der Behandlung mit Cariprazin 4,5 mg/Tag eine statistisch signifikante Verbesserung des Funktionsniveaus (gemessen anhand der Personal and Social Performance Scale, PSP) gegenüber Risperidon 4 mg/Tag zu beobachten (p < 0,001), insbesondere in den Subskalen, die die Aktivitäten des täglichen Lebens (sozial nützliche Aktivitäten, persönliche und soziale Beziehungen und Selbstfürsorge) widerspiegeln [6]. Die überlegene Wirksamkeit von Cariprazin auf die Negativsymptomatik, den Antrieb und das psychosoziale Funktionsniveau wird mit der hohen Affinität zum D3-Rezeptor in Verbindung gebracht [1, 3, 5–7].

Gute Erfolge im Früh- und Spätstadium

Im Rahmen einer Post-hoc-Analyse der Akutstudien wurde die Sicherheit und Verträglichkeit von Cariprazin bei kurz (< 5 Jahre) und länger (> 15 Jahre) an Schizophrenie erkrankten Patienten untersucht [4]. Sowohl in der frühen also auch in der späten chronischen Phase wurde eine schnelle und gegenüber Placebo signifikante Symptomkontrolle erzielt. Im frühen Erkrankungsstadium waren die Behandlungseffekte erwartungsgemäß noch stärker ausgeprägt (Abb. 1) [4]. Im Akutfall kann die effektive Wirkdosis von Cariprazin innerhalb von nur einer Woche erreicht werden: Abhängig vom individuellen Ansprechen ist eine schnelle Auftitrierung von der empfohlenen Startdosis (1,5 mg/Tag) in Schritten von 1,5 mg/Tag bis zur zugelassenen Tageshöchstdosis von 6,0 mg möglich [2].

Abb. 1. Wirksamkeit von Cariprazin versus Placebo in frühen (0–5 Jahre) und späten Phasen (> 15 Jahre) der Schizophenie. Mittlere Änderung gegenüber dem Ausgangswert nach 6 Wochen im Vergleich zu Placebo (** p < 0,01; *** p < 0,001) (modifiziert nach [8])

Quelle

Fatih Keskin, Krefeld. Virtuelles Pressegespräch „Von First Episode bis Negativsymptomatik – Was kann Reagila® leisten?“, 30. Juni 2022, veranstaltet von Recordati.

Literatur

1. Durgam S, et al. Long-term cariprazine treatment for the prevention of relapse in patients with schizophrenia: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Schizophrenia Res 2016;176:264–71.

2. Fachinformation Reagila®; aktueller Stand.

3. Fagiolini A, et al. Treating schizophrenia with cariprazine: from clinical research to clinical practice. Real world experiences and recommendations from an International Panel. Ann Gen Psychiatry 2020;19:55.

4. Falkai P, et al. The efficacy and safety of cariprazine in the early and late stage of schizophrenia: a post hoc analysis of three randomized, placebo-controlled trials. CNS Spectr 2021 Dec 10;1–8; doi: 10.1017/S1092852921000997. Online ahead of print.

5. Kiss B, et al. Cariprazine (RGH-188), a dopamine D3 receptor-preferring, D3/D2 dopamine receptor antagonist-partial agonist antipsychotic candidate: in vitro and neurochemical profile. J Pharmacol Exp Ther 2010;333:328–40.

6. Németh G, et al. Cariprazine versus risperidone monotherapy for treatment of predominant negative symptoms in patients with schizophrenia: a randomised, double-blind, controlled trial. Lancet 2017;389:1103–13.

7. Stahl SM. Drugs for psychosis and mood: unique actions at D3, D2, and D1 dopamine receptor subtypes. CNS Spectr 2017;22:375–84.

8. Yasui-Furukori N. Update on the development of lurasidone as a treatment for patients with acute schizophrenia. Drug Des Devel Ther 2012;6:107–15.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(05):192-203