Migräneprophylaxe mit Eptinezumab

Anti-CGRP-Therapie jetzt auch als Infusion


Dr. Alexander Kretzschmar, München

Mit Eptinezumab ist jetzt erstmals ein intravenös verabreichter monoklonaler Antikörper gegen Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) verfügbar. Auf der 8. Dreiländertagung Kopfschmerz sowie der Jahrestagung der European Academy of Neurology (EAN) wurden die vorliegenden Daten diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei der guten Wirksamkeit und Verträglichkeit auch bei Patienten mit der Doppeldiagnose einer chronischen Migräne und eines Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch.

Eptinezumab (Vyepti®) ist zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen mit mindesten vier Migränetagen pro Monat in der EU zugelassen. Die Zulassung basiert auf zwei Phase-III-Studien:

  • PROMISE-1 bei 888 Patienten mit episodischer Migräne (EM; Patienten im Mittel 39,8 Jahre alt; 84,3 % weiblich; zu Beginn durchschnittlich 8,6 Migränetage pro Monat)
  • PROMISE 2 bei 1072 Patienten mit chronischer Migräne (CM; im Mittel 40,5 Jahre, 88, 2 % weiblich; zu Beginn rund 16,1 Migränetage pro Monat)

Primärer Endpunkt war jeweils die Reduktion der monatlichen Migränetage (MMD) in Woche 1 bis 12 [1, 3].

Pharmakokinetik und Klinik

Der humanisierte monoklonale Antikörper ist aufgrund der intravenösen Gabe zu 100 % bioverfügbar. Mit seiner Eliminationshalbwertszeit von 27 Tagen wird er alle zwölf Wochen intravenös verabreicht. Die zugelassene Dosis beträgt 100 mg; einige Patienten können von einer Dosierung von 300 mg profitieren [2]. Mit einer tmax von 4,8 Stunden hat Eptinezumab die schnellste Anflutungsgeschwindigkeit von allen CGRP-Antikörpern. Diese Kinetikvorteile sind nach Ansicht von Prof. Christoph Schankin, Bern, klinisch relevant, auch im Vergleich zu den anderen CGRP-Antikörpern. Er verwies auf die Zulassungsstudien, in denen es bereits einen Tag nach der ersten Infusion zu einer signifikanten Reduktion der Zahl der Patienten mit einer Migräne kam, und zwar sowohl bei der EM (100 mg: p = 0,0159; 300 mg: p = 0,031) als auch bei der CM (100 mg bzw. 300 mg: jeweils p < 0,0001 vs. Placebo). Gleichzeitig schätzen viele Betroffene die vermehrte Zuwendung während der Infusion oder auch die Möglichkeit, sich zu entspannen – für Migräne-Patienten ein seltener Luxus, berichtete Dr. Astrid Gendolla, Essen.

Nach der schnellen Differenzierung gegenüber Placebo hielt die signifikante prophylaktische Wirkung von Eptinezumab über den gesamten Beobachtungszeitraum von zwölf Wochen (primärer Endpunkt) sowie in offenen Extensionsstudien gegenüber Placebo an. In PROMISE-1 reduzierte der CGRP-Antikörper die MMD um 3,9 Tage (100 mg) bzw. 4,3 Tage (300 mg) (Placebo –3,2 Tage; p = 0,0182 bzw. p = 0,0001). Auch in PROMISE-2 reduzierten Eptinezumab 100 mg bzw. 300 mg die MMD signifikant deutlicher als Placebo (jeweils p < 0,0001 vs. Placebo). 30,9 % bzw. 36,8 % erreichten eine mindestens 75%ige Abnahme der MMD bereits bis Woche 4 (Placebo: 20,3 %). Weitere Auswertungen zeigen auch eine Verbesserung der krankheitsbedingten Beeinträchtigung, der Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit.

Patienten mit CM und Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch (MOH [medication overuse headache]) gelten als schwer behandelbar. Die vorliegenden Daten für die CGRP-Antikörper zeigen laut Expertenmeinung, dass eine vorherige MOH-Therapie verzichtbar ist. In PROMISE-2 hatten 431 Patienten (40,2 %) die Doppeldiagnose einer CM und eines MOH. Eptinezumab führte auch hier nach der ersten Infusion zu einer schnellen und anhaltenden prophylaktischen Wirkung mit einer signifikanten MMD-Reduktion (100 mg und 300 mg jeweils p < 0,0001 vs. Placebo).

Prophylaxebeginn während einer akuten Attacke

Für Diskussionen sorgten die Ergebnisse der Phase-III-Studie RELIEF. Dort erhielten Erwachsene mit mehr als einem Jahr Migräne in der Vorgeschichte und Migräneattacken an 4 bis 15 Tagen pro Monat Eptinezumab (n = 238) oder Placebo (n = 242) innerhalb von 1 bis 6 Stunden nach Beginn einer mittelschweren bis schweren Migräneattacke. Eptinezumab 100 mg erwies sich als signifikant überlegen bei der medianen Zeitdauer bis zur Kopfschmerzfreiheit (primärer Endpunkt) sowie wichtigen sekundären Endpunkten wie dem Verschwinden des am meisten belastenden Symptoms (jeweils p < 0,001) [5]. Diskutiert wurde, ob der Anti-CGRP-Antikörper Eptinezumab nicht nur in der Migräneprävention, sondern auch zur Therapie akuter Migräneattacken eingesetzt werden kann.

Sicherheitsprofil

Die Kontraindikationen entsprechen denjenigen der anderen CGRP-Antikörper. Eine Metaanalyse von fünf klinischen Studien (n = 2076) ergab als häufigste therapieassoziierte Nebenwirkungen (TEAE) eine Nasopharyngitis (100 mg: 6,3 %; 300 mg: 8,7 %) und Infektionen der oberen Atemwege (6,4 bzw. 7,8 %). Überempfindlichkeitsreaktionen als TEAE traten in 1,1 % der Fälle auf, meist nach der ersten oder zweiten Infusion, konnten aber vor Ort wirksam behandelt werden [4]. 1,9 % (Eptinezumab) bzw. 1,0 % (Placebo) der Patienten brachen die Studien ab. Patienten mit hereditärer Fructose-Intoleranz sollten Eptinezumab wegen des Sorbitol-Gehalts der Zubereitung nicht erhalten.

Fazit

Die Experten zeigten sich überzeugt, dass Eptinezumab aufgrund seiner gegenüber den bisher zugelassenen CGRP-Antikörpern unterschiedlichen Applikation – intravenös statt subkutan – und des applikationsbedingt schnelleren Wirkungseintritts im klinischen Alltag ein eigenständiges klinisches Profil zeigen wird. Die klinische Erfahrung wird auch zeigen, bei welchen Patienten und in welchen Behandlungssituationen die höhere Dosis von 300 mg angezeigt ist.

Quellen

Prof. Christoph Schankin, Bern, Satellitensymposium „Vier Substanzen – drei Länder: Was bietet der neue CGRP-Antikörper Eptinezumab?“, veranstaltet von Lundbeck GmbH im Rahmen der 8. Dreiländertagung Kopfschmerz, 13. Mai 2022.

Dr. Astrid Gendolla, Essen, Launch-Pressekonferenz „Dunkelheit ist keine Therapie: Vyepti® als neue Option in der Migräneprophylaxe“, veranstaltet von Lundbeck GmbH im Rahmen der Jahrestagung der European Academy of Neurology (EAN), Wien, 26. Juni 2022.

Literatur

1. Ashina M, et al. Eptinezumab in episodic migraine: A randomized, double-blind, placebo-controlled study (PROMISE-1). Cephalalgia 2020;40:241–54.

2. European Medicines Agency. Vyepti ®, Summary of Product Characteristics. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/vyepti-epar-product-information_en.pdf (Zugriff am 15.08.2022).

3. Lipton RB, et al. Efficacy and safety of eptinezumab in patients with chronic migraine: PROMISE-2. Neurology 2020;94:e1365–77.

4. Smith TR, et al. Safety and tolerability of eptinezumab in patients with migraine: a pooled analysis of 5 clinical trials. J Headache Pain 2021;22:16.

5. Winner PK, et al. Effects of intravenous eptinezumab vs placebo on headache pain and most bothersome symptom when initiated during a migraine attack: A randomized clinical trial. JAMA 2021;325:2348–56.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(05):192-203