Idiopathische Hypersomnie

Natriumoxybat bei Erwachsenen wirksam


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Die Behandlung mit Natriumoxybat mit niedrigem Natriumgehalt führte in einer Phase-III-Entzugs-Studie zu einer klinisch bedeutsamen Verbesserung der Symptome der idiopathischen Hypersomnie (IH). Das Sicherheitsprofil entspricht dem für Narkolepsie. Natriumarmes Oxybat wurde im August 2021 von der Food and Drug Administration (FDA) für die Behandlung der IH bei Erwachsenen zugelassen.

Die idiopathische Hypersomnie (IH) ist geprägt von übermäßiger Tagesschläfrigkeit, verlängertem Nachtschlaf und ausgeprägter Schlafträgheit, was zu einer tiefgreifenden Beeinträchtigung der Lebensqualität und Funktionsfähigkeit im Alltag führt. Abhängig von der nächtlichen Schlafdauer werden zwei Subtypen unterschieden (> 10 h bzw. > 6 h oder < 10 h). Bis August 2021 war kein Arzneimittel für die Behandlung der IH zugelassen. Ziel der Studie war, die Sicherheit und Wirksamkeit von Natriumoxybat mit niedrigem Natriumgehalt bei IH zu untersuchen.

Studiendesign

Die randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte, Phase-III-Entzugs-Studie wurde in 50 spezialisierten Schlafzentren in Europa und den USA durchgeführt. Eingeschlossen waren Teilnehmer im Alter von 18 bis 75 Jahren mit IH, die Natriumoxybat als orale Lösung ein- oder zweimal pro Nacht in einer offenen Titrations- und Optimierungsphase über 10 bis 14 Wochen erhielten. Darauf folgte eine zweiwöchige offene Phase mit stabiler Dosierung. Anschließend wurden die Teilnehmer 1 : 1 randomisiert und erhielten entweder Placebo oder Natriumoxybat in individuell optimierter Dosis (Dosisbereich 2,5 bis 9,0 g/Nacht) über zwei Wochen. Während der Absetzphase wussten weder die Teilnehmer noch die Prüfärzte, welcher Behandlung sie zugeordnet waren. Der primäre Endpunkt war die Veränderung des ESS-(Epworth Sleepiness Scale-)Scores zwischen dem Ende der stabilen Dosierungsphase und dem Ende der Absetzphase. Unerwünschte Ereignisse bewerteten die Autoren in der Sicherheitspopulation, die sich aus allen Teilnehmern mit mindestens einer erhaltenen Dosis der Studienmedikation zusammensetzte.

Ergebnisse

Zwischen November 2018 und März 2020 wurden 154 Teilnehmer eingeschlossen und bildeten die Sicherheitspopulation. Die ESS-Scores sanken von durchschnittlich 15,7 (Standard deviation [SD] 3,8) bei Studienbeginn auf 6,1 (SD 4,0) bis zum Ende der Dosisstabilisierungsphase. Nach den offenen Phasen wurden 115 Teilnehmer entweder zu Placebo (n = 59) oder Natriumoxybat (n = 56) randomisiert und bildeten die modifizierte Intention-to-treat-Population. Während der Absetzphase verschlechterten sich die ESS-Scores bei den Teilnehmern unter Placebo, blieben aber bei den Patienten aus der Natriumoxybat-Gruppe stabil. In der Placebo-Gruppe stieg der Wert des ESS-Scores vom Ende der stabilen Dosisphase von 5,8 auf 13,3 nach der Randomisierung und in der Verum-Gruppe von 6,3 auf 7,0. Dies entspricht einer Mittelwertdifferenz von –6,5 Punkten (95%-Konfidenzintervall –8,0 bis –5,0; p < 0,0001). Zu den unerwünschten Ereignissen gehörten Übelkeit (22 %), Kopfschmerzen (18 %), Schwindel (12 %), Angstzustände (11 %) und Erbrechen (11 %). Todesfälle traten nicht auf.

Kommentar

Die vorliegende Studie ist außerordentlich wichtig, da sie die erste Studie bei IH ist, die zur Zulassung eines Arzneimittels in den USA geführt hat. Natriumoxybat ist indiziert bei Kataplexie oder übermäßiger Tagesschläfrigkeit bei Patienten ab sieben Jahren mit Narkolepsie.

In einer retrospektiven Untersuchung mit offener Verabreichung von Natriumoxybat bei Erwachsenen mit IH zeigte Natriumoxybat eine Verbesserung der exzessiven Tagesschläfrigkeit sowie eine verlängere nächtliche Schlafdauer [1]. Innovativ ist das Studiendesign, da es sich hier um eine „Entzugs-Studie“ handelt. Das Prinzip beruht darauf, dass zunächst alle Patienten mit dem Verum behandelt werden und darauf eine Phase folgt, in der die Patienten randomisiert und entweder mit Verum weiterbehandelt werden oder ein Placebo erhalten (Therapieentzug). Mit diesem Verfahren kann der Einfluss vom Placebo reduziert und die Behandlungsdauer verkürzt werden.

Die hier eingesetzte Variante von Oxybat, dem Salz der γ-Hydroxybuttersäure, hat einen sehr niedrigen Natriumgehalt, was sich bei einer Langzeittherapie positiv auf dem Blutdruck auswirken dürfte. Dessen ungeachtet hat Natriumoxybat jedoch eine ganze Reihe unerwünschter Arzneimittelwirkungen, die berücksichtigt werden sollten.

Quelle

Dauvilliers Y, et al. Safety and efficacy of lower-sodium oxybate in adults with idiopathic hypersomnia: a phase 3, placebo-controlled, double-blind, randomised withdrawal study. Lancet Neurol 2022;21:53–65.

Literatur

1. Leu-Semenescu S, et al. Benefits and risk of sodium oxybate in idiopathic hypersomnia versus narcolepsy type 1: a chart review. Sleep Med 2016;17:38–44.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(04):152-159