Depressionen

Antidepressiva: Kombinationstherapie versus Monotherapie


Julia Pieper, Bonn

Im ärztlichen Alltag werden Antidepressiva zur Behandlung der akuten Depression häufig auch als Kombinationstherapie eingesetzt. Ob eine Kombination die Wirksamkeit verbessert oder ob die Therapie aufgrund unerwünschter Wirkungen häufiger abgebrochen wird, evaluierten Henssler und Kollegen in einer Metaanalyse.

Sowohl in deutschen als auch internationalen Leitlinien wird für den Therapiebeginn im Rahmen einer schweren Depression eine Monotherapie mit einem Antidepressivum (außer Monoaminoxidase[MAO]-Inhibitoren) empfohlen. Hierbei werden Ansprechraten von etwa 60 % erzielt, wobei nur etwa 40 % der Patienten eine Remission erreichen [1].

Handelt es sich bei Patienten um Nonresponder, kann eine Umstellung auf ein anderes Antidepressivum, eine Dosissteigerung, eine Augmentation (z. B. mit Lithium) oder die Ergänzung eines weiteren Antidepressivums mit einem anderen Wirkungsmechanismus erwogen werden.

In einer vorherigen Metaanalyse zeigten Henssler und Kollegen bereits, dass insbesondere eine Kombination eines Monoamin-Wiederaufnahmehemmers (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer oder trizyklische Antidepressiva) mit einem Antagonisten des präsynaptischen Alpha-2-Autorezeptors (z. B. Mianserin, Mirtazapin, Trazodon) als First-Line-Therapie bei akuter Depression wirksamer ist als eine Monotherapie [2]. Die Verträglichkeit der Kombinationen war dabei mit der Monotherapie vergleichbar.

Studiendesign

In die Metaanalyse wurden 39 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit insgesamt 6751 Patienten eingeschlossen, die an einer akuten Depression litten. Die Studien mussten folgende Kriterien erfüllen: Kombination zweier Antidepressiva (dosisunabhängig), Kontrollgruppe mit Monotherapie, Therapie erwachsener Patienten, Diagnosestellung einer Depression nach den üblichen Kriterien. Komorbiditäten oder begleitende psychiatrische Erkrankungen waren kein Ausschlusskriterium. Nicht eingeschlossen wurden dagegen Studien, die sich ausschließlich auf bipolare Depressionen fokussierten.

Primärer Endpunkt war die Wirksamkeit der Therapie, gemessen als standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) zwischen Mono- und Kombinationstherapie. Sekundäre Endpunkte waren Remission und Ansprechen auf die Therapie, jeweils gemessen als Änderung von der Baseline auf einer Skala (z. B. Montgomery-Asberg Depression Rating Scale, MADRS), sowie die Anzahl der Studienteilnehmer, die die Studie abbrachen (z. B. aufgrund von unerwünschten Wirkungen).

Ergebnisse

Von 39 eingeschlossenen Studien, berichteten 38 Daten über den primären Endpunkt, dabei betrug die SMD 0,31 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,19–0,44; p = 0,001), mit Vorteil aufseiten der Kombinationstherapie.

Anhand von 18 eingeschlossenen RCTs konnte gezeigt werden, dass die Kombination eines Monoamin-Wiederaufnahmehemmers mit einem Antagonisten am präsynaptischen Alpha-2-Rezeptor anderen Kombinationstherapien überlegen war (SMD 0,37; 95%-KI 0,19–0,55). Das galt ebenso, wenn die Kombinationstherapie bei Nonrespondern eingesetzt wurde (12 Studien; SMD 0,24; 95%-KI 0,03–0,45) und insbesondere auch, wenn sie als First-Line-Therapie zum Einsatz kam (5 Studien; SMD 0,64; 95%-KI 0,12–1,15). Im Gegensatz dazu brachte die Kombination mit Bupropion gegenüber einer Monotherapie keinen Vorteil (7 Studien; SMD = 0,10; 95%-KI –0,07 bis 0,27).

Die Ergebnisse für die sekundären Wirksamkeitsendpunkte entsprechen im Wesentlichen denen des primären Endpunkts. Die Anzahl der Studienabbrüche war in der Mono- und Kombinationstherapie-Gruppe jeweils ähnlich, ebenso die Anzahl der Studienabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen (Odds-Ratio [OR] 0,99; 95%-KI 0,86–1,14 bzw. OR 1,17; 95%-KI 0,79–1,75).

Fazit der Studienautoren

Eine Kombinationstherapie war wirksamer als eine Monotherapie, ohne dass Patienten die Therapie, beispielsweise aufgrund von Nebenwirkungen, häufiger abbrachen. Die Kombination eines Monoamin-Wiederaufnahmehemmers mit einem Antagonisten des Alpha-2-Rezeptors scheint insbesondere für Patienten mit einer schweren Depression und/oder Nonrespondern auf die Standardtherapie wirksam zu sein und wird deshalb als bevorzugte Kombination angesehen.

Quelle

Henssler J, et al. Combining antidepressants vs antidepressant monotherapy for treatment of patients with acute depression: A systematic review and meta-analysis. JAMA Psychiatry 2022;79:300–12.

Literatur

1. Henssler J, et al. Trajectories of acute antidepressant efficacy: how long to wait for response? A systematic review and meta-analysis of long-term, placebo-controlled acute treatment trials. J Clin Psychiatry 2018;79:17r11470.

2. Henssler J, et al. Combining antidepressants in acute treatment of depression: a meta-analysis of 38 studies including 4511 patients. Can J Psychiatry 2016;61:29–43.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(04):152-159