Christine Vetter, Köln
Akute Krankheitsschübe und sich oft schleichend entwickelnde Behinderungen gelten als zentrales Problem bei der schubförmigen MS. Oft wird dabei übersehen, dass die Erkrankung für die Betroffenen noch weitaus mehr Auswirkungen hat. So geht sie mit einer gegenüber gesunden Menschen verstärkten Hirnatrophie einher. Dies hat häufig kognitive Einbußen zur Folge, die Probleme am Arbeitsplatz wie auch im sozialen Umfeld nach sich ziehen können. Die Hirnatrophie ist laut Prof. Dr. Dr. Mike P. Wattjes, Hannover, außerdem mit einer Behinderungsprogression assoziiert.
Umfassende und langanhaltende Wirksamkeit
Den vielfältigen Symptomen der MS lässt sich durch eine Behandlung mit Teriflunomid entgegenwirken, wie die Experten betonten. So belegten laut Prof. Dr. Mark Obermann, Höxter, kontrollierte Studien eine signifikante Reduktion der jährlichen Schubrate, einschließlich der Schübe mit Residuen. Der Wirkstoff besitzt zudem klinische Wirksamkeit über alle Altersgruppen hinweg [3, 8, 9, 10]. Er bewirkt auch eine anhaltende Hemmung der Behinderungsprogression mit einem in Studien über bis zu zwölf Jahre dokumentierten stabilen EDSS (Expanded disability status scale) [5].
Reduktion der Hirnatrophie
Teriflunomid verlangsamte außerdem die bei der MS zu beobachtende Hirnatrophie, die ihrerseits ein Prädiktor für die Entwicklung kognitiver Beeinträchtigungen sowie für die Krankheits- und Behinderungsprogression ist. So zeigte sich bei Patienten mit nur geringem Hirnvolumenverlust eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit einer über zwölf oder 24 Wochen bestätigten Behinderungsprogression im Verlauf von sieben Jahren. Die Begrenzung der Hirnatrophie ist somit ebenfalls ein wichtiges Therapieziel bei der Behandlung der MS.
Dass Teriflunomid auch in dieser Hinsicht eine Schutzwirkung entfaltet, wurde in Studien dokumentiert, wobei der Hirnvolumenverlust um mehr als 30 % in zwei Jahren reduziert wurde [11]. Der Therapieeffekt zeigte sich vor allem im Bereich der kortikalen grauen Substanz. Es handelt sich hierbei um einen relevanten Befund, da insbesondere die kortikale Dicke einen Prädiktor für kognitive Symptome darstellt. Das spiegelt sich auch in Studienbefunden wider, wonach ein stabiler Anteil von Patienten unter Teriflunomid 48 Wochen nach Therapiebeginn nur minimale oder sogar keine kognitiven Beeinträchtigungen berichtete [4].
Vergleichbare klinische Wirksamkeit
Die klinische Wirksamkeit von Teriflunomid bei der leichten bis moderaten MS ist mit anderen krankheitsmodifizierenden Arzneimitteln (Disease-modifying drugs, DMD) vergleichbar. Das belegt die Number needed to treat (NNT), also die Anzahl Patienten, die behandelt werden muss, um einen Krankheitsschub zu verhindern, die in der gleichen Größenordnung liegt wie unter der Behandlung mit Dimethylfumarat (DMF). Auch in einer Vergleichsstudie mit Ponesimod gab es keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Schubrate, der Fatigue-Symptomatik, der MRT-Aktivität wie auch der über zwölf und 24 Wochen bestätigten Behinderungsprogression [7]. In einer Vergleichsstudie mit Ofatumumab über ein und zwei Jahre zeigte sich sogar ein numerischer Vorteil hinsichtlich der Begrenzung der Hirnatrophie [6].
Antivirale Effekte
Besonders aktuell sind zudem Hinweise darauf, dass Teriflunomid wahrscheinlich auch eine antivirale Wirkung besitzt [1, 2]. Diese dürfte direkt im Wirkungsmechanismus der Substanz begründet sein. So hemmt Teriflunomid das Enzym Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) [1] und vermindert damit in der Zelle Substanzen, die für die Virusreplikation benötigt werden.
Quelle
Prof. Dr. Mark Obermann, Höxter, Dr. Boris-Alexander Kallmann, Bamberg, Prof. Dr. Dr. Mike P. Wattjes, Hannover; Fachpressekonferenz „Vielseitigkeit von Teriflunomid – Überzeugende Therapie mit umfassender Wirksamkeit“, 30. März 2022, veranstaltet von Sanofi Genzyme.
Literatur
1. Bar-Oh A, et al. Teriflunomide and its mechanism of action in multiple sclerosis. Drugs 2014;74:74659–74.
2. Cherwinski HM, et al. The immunosuppressant leflunomide inhibits lymphocyte progression through cell cycle by a novel mechanism. J Pharmacol Exp Ther 1995;272:460-8.
3. Confavreux C, et al. Oral teriflunomide for patients with relapsing multiple sclerosis (TOWER): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Neurol 2014;13:247–56.
4. Coyle PK, et al. Patient-reported outcomes in relapsing forms of MS: Real-world, global treatment experience with teriflunomide from the Teri-PRO study. Mult Scler Relat Disord 2017;17:107–15.
5. Freedman MS, et al. The efficacy of teriflunomide in patients who received prior disease-modifying treatments: Subgroup analyses of the teriflunomide phase 3 TEMSO and TOWER studies. Mult Scler J 2018;24(Suppl 2):530–737; P1233.
6. Hauser SL, et al. Ofatumumab versus teriflunomide in multiple sclerosis. N Engl J Med 2020;383:546–57.
7. Kappos L, et al. Ponesimod compared with teriflunomide in patients with relapsing multiple sclerosis in the active-comparator phase 3 OPTIMUM study: a randomized clinical trial. JAMA Neurol 2021;78:558–67.
8. Miller AE, et al. Teriflunomide reduces relapses with sequelae and relapses leading to hospitalizations: results from the TOWER study. J Neurol 2014;261(Suppl 1): 1781–8.
9. O’Connor P, et al. Randomized trial of oral teriflunomide for relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med 2011;365:1293–303.
10. Oh J, et al. Imaging outcome measures of neuroprotection and repair in MS: a consensus statement from NAIMS. Neurology 2019;92(Suppl):P2–047.
11. Radue EW, et al. Teriflunomide slows BVL in relapsing MS: a reanalysis of the TEMSO MRI data set using SIENA. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm 2017;4:e390.
Psychopharmakotherapie 2022; 29(03):112-119