Depression

Wirkung einer langfristigen Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren gegenüber Placebo


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Erwachsenen im Alter von ≥ 50 Jahren ohne relevante depressive Symptome zu Beginn der VITAL-DEP-Studie führte eine Behandlung mit Omega-3-Fettsäuren im Vergleich zu Placebo über 5,3 Jahre zu einem geringen, aber statistisch signifikanten Anstieg des Risikos für eine Depression oder klinisch relevante depressive Symptome. Die Ergebnisse sprechen gegen den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln mit Omega-3-Fettsäuren bei Erwachsenen zur Vorbeugung von Depressionen.

Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, die Omega-3-Fettsäuren enthalten, wird als sicherer und breit anwendbarer Ansatz zur Prävention von Depressionen propagiert. Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) sollen das Depressionsrisiko senken und die Stimmung verbessern. Ziel der Untersuchung war daher, die Wirkung einer Omega-3-Supplementierung auf das Risiko von Depressionen im mittleren Lebensalter zu analysieren.

Studiendesign

Insgesamt nahmen 18 353 Erwachsene an der VITAL-DEP(Vitamin D and omega-3 trial-depression endpoint prevention)-Studie teil. Dabei handelt es sich um eine Ergänzungsstudie zur randomisierten VITAL-Studie an 25 871 Erwachsenen in den USA, in der die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs durch Vitamin D3 und Omega-3-Fettsäuren im Vordergrund stand [1]. 16 657 Personen hatten ein Risiko für eine erstmals auftretende Depression und 1696 Personen für eine rezidivierende Depression. Die Therapie erfolgte mit 2 × 2 faktorieller Zuteilung zu Vitamin D3 (2000 I.E./Tag), marinen Omega-3-Fettsäuren (1 g Fischöl pro Tag, das 465 mg EPA und 375 mg DHA enthielt) oder Placebo. 9171 Personen erhielten Omega-3-Fettsäuren und 9182 Personen Placebo. Primäre Endpunkte waren das Risiko einer Depression oder klinisch relevanter depressiver Symptome (erstmaliges oder wiederholtes Auftreten) und die mittlere Differenz der Stimmungswerte auf einer 8-teiligen Depressionsskala des Patient Health Questionnaire (PHQ-8).

Ergebnisse

Von den 18 353 Teilnehmern schlossen 90,3 % die Studie ab. Die mediane Behandlungsdauer betrug 5,3 Jahre. Die Patienten waren im Schnitt 67,5 Jahre alt und 49,2 % waren Frauen. Das Risiko, eine Depression zu entwickeln, war in der Omega-3-Gruppe (651 Ereignisse, 13,9/1000 Personenjahre) höher als in der Placebo-Gruppe (583 Ereignisse, 12,3/1000 Personenjahre; Hazard-Ratio [HR] 1,13; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,01–1,26; p = 0,03). Die Stimmungswerte zwischen den Interventionen unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Die mittlere Veränderung des PHQ-8-Scores betrug 0,03 Punkte (95%-KI –0,01 bis 0,07; p = 0,19). Schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse traten in der Omega-3-Gruppe vergleichbar häufig auf wie in der Placebo-Gruppe (2,7 % vs. 2,9 %), gleiches galt für die Gesamtmortalität (3,3 % vs. 3,1 %) und die Suizidrate (0,02 % vs. 0,01 %). Zu den häufigen unerwünschten Ereignissen gehörten gastrointestinale Blutungen (2,6 % vs. 2,7 %), leichte Blutergüsse (24,8 % vs. 25,1 %) und Magenverstimmungen oder -schmerzen (35,2 % vs. 35,1 %).

Kommentar

Die Suche im Internet nach den Begriffen „Fischöl“ oder „Omega-3“ liefert unzählige Empfehlungen zum Einsatz dieser Substanzen. Vermeintlich gibt es fast keine Krankheit, bei der sie sich nicht positiv auswirken sollen. Beispiele dafür sind bösartige Tumore, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz. Trotz relativ schwacher Datenlage wurde der Einsatz von Omega-3-Fettsäuren auch zur Prävention und Behandlung von Depressionen propagiert. Die Ergebnisse der Unterstudie der VITAL-Studie weisen eindeutig darauf hin, dass die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren das Risiko, eine Depression zu entwickeln, nicht reduziert. Im Gegenteil: Das Risiko für die Entwicklung einer Depression war unter Omega-3-Fettsäuren sogar erhöht. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um ein Zufallsergebnis, da es keinen Unterschied zwischen den PHQ-8-Scores gab, die die Stimmungsschwankungen zwischen Verum und Placebo messen sollten. Die Autoren schlussfolgern daher zu Recht, dass sich Omega-3-Fettsäuren nicht zur Prävention von Depressionen eignen.

Quelle

Okereke OI, et al. Effect of long-term supplementation with marine omega-3 fatty acids vs placebo on risk of depression or clinically relevant depressive symptoms and on change in mood scores: a randomized clinical trial. JAMA 2021;326:2385–94.

Literatur

1. Manson JE, et al. Marine n-3 fatty acids and prevention of cardiovascular disease and cancer. N Engl J Med 2019;380:23–32.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(02):71-75