TOP-PRO-Studie

Propranolol versus Topiramat zur prophylaktischen Therapie der chronischen Migräne


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Propranolol (160 mg/Tag) war in der prophylaktischen Behandlung der chronischen Migräne ähnlich wirksam wie eine Therapie mit Topiramat (100 mg/Tag). Das wurde in einer randomisierten Studie in Indien beobachet. Das Verträglichkeitsprofil von Propranolol war dabei mit dem von Topiramat vergleichbar.

Die chronische Migräne ist definiert als eine Migräne, bei der mindestens 15 Kopfschmerztage im Monat bestehen und von denen mindestens acht die Kriterien einer akuten Migräneattacke erfüllen müssen. Durch Studien belegt ist die prophylaktische Wirkung von Topiramat in zwei randomisierten und Placebo-kontrollierten Studien [1, 3], OnabotulinumtoxinA [2] sowie von den vier monoklonalen Antikörpern Erenumab, Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab. Der Betablocker Propranolol ist in der prophylaktischen Behandlung der episodischen Migräne etabliert. Seine Wirksamkeit und Verträglichkeit für die Prophylaxe der chronischen Migräne ist jedoch nicht unter Zugrundelegung der aktuellen Diagnosekriterien nachgewiesen. Das Ziel der TOP-PRO-Studie war es daher, dies im Vergleich zu Topiramat zu untersuchen.

Studiendesign

In die doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studie wurden 175 Migränepatienten mit chronischer Migräne im Alter zwischen 18 Jahren und 65 Jahren ohne medikamentöse Prophylaxe eingeschlossen. Die Patienten erhielten entweder Topiramat 100 mg oder Propranolol 160 mg pro Tag. Beide Medikamente wurden langsam über vier Wochen aufdosiert.

Der primäre Endpunkt der Studie war die mittlere Reduktion der Migränetage pro 28 Tage am Ende der 24-wöchigen Behandlungszeit gegenüber dem Ausgangswert. Ein mittlerer Unterschied von 1,5 Tagen pro vier Wochen wurde als Grenzwert für die Nichtunterlegenheit gewählt. Als sekundäre Endpunkte wurden Reduktion der Kopfschmerztage, 50%-Responderrate, Änderung der Tage mit Einnahme von Akutmedikation, Änderung im HIT(Headache Impact Test)-6-Score oder im Migraine-Specific Quality-of-Life Instrument (MSQOL) definiert. Daneben wurden auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen erfasst.

Ergebnisse

In die Studie wurden, bedingt durch die COVID-19-Pandemie, lediglich 175 Patienten aufgenommen. Davon schlossen insgesamt 95 Patienten (Topiramat n = 46, Propranolol n = 49) die Studie ab. Die Patienten waren durchschnittlich 33 Jahre alt und 90 % waren Frauen. Die Migräne bestand im Mittel seit sechs Jahren und die chronische Migräne seit 1,2 Jahren. Die mittlere Zahl der Migränetage lag bei 17,4 und die mittlere Zahl der Kopfschmerztage bei 25,0 pro Monat.

Die mittlere Reduktion der Migränetage betrug 5,3 ± 1,2 Tage für Topiramat gegenüber 7,3 ± 1,1 Tage für Propranolol (p = 0,226). Damit war Propranolol einer Therapie mit Topiramat nicht unterlegen (Punktschätzer –1,99 Tage; 95%-Konfidenzintervall [KI] –5,23; 1,25). Auch bei den sekundären Endpunkten gab es keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, die 50%-Responderrate lag für Topiramat bei 17,2 % versus 21,9 % für Propranolol. Die Intention-to-treat-Analyse von 175 Patienten und die Per-Protocol-Analyse von 95 Patienten ergaben übereinstimmende Ergebnisse.

Es wurden keine signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit von unerwünschten Arzneimittelwirkungen zwischen den beiden Behandlungsgruppen beobachtet. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Topiramat waren Parästhesien, Müdigkeit, abdominelle Schmerzen und Angstzustände. Zu den häufigsten Nebenwirkungen unter Propranolol zählten Parästhesien, Müdigkeit, Gewichtszunahme und Schlafstörungen.

Kommentar

Bei der randomisierten Studie aus Indien handelt es sich um die erste Studie, bei der der Betablocker Propranolol zur Prophylaxe der chronischen Migräne untersucht wurde. Die Studie fand unter erschwerten Bedingungen statt, da währenddessen die COVID-19-Pandemie ausbrach. Die Studienergebnisse haben gezeigt, dass beide Substanzen zur Prophylaxe der chronischen Migräne wirksam sind. Rein numerisch war allerdings Propranolol etwas wirksamer als Topiramat. Die Reduktion der Migränetage pro Monat entsprach in etwa der, die in anderen Studien zur Behandlung der chronischen Migräne beobachtet wurden, so beispielsweise in den Studien mit OnabotulinumtoxinA oder mit den monoklonalen Antikörpern gegen CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) oder dessen Rezeptor. Kritisch anzumerken ist, dass es keine Placebo-Gruppe gab. Dies ist aber auch verständlich, da es außerordentlich schwierig wäre, bei einer Studie, die sich über 24 Wochen erstreckt, Patienten zu motivieren, sich mit Placebo behandeln zu lassen. Erstaunlich gering war die Abbruchrate wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen. Dies beruht wahrscheinlich darauf, dass beide Medikamente über einen Zeitraum von vier Wochen langsam eingeschlichen wurden. Für den klinischen Alltag bedeutet die Studie, dass es auch gerechtfertigt sein kann, bei Patienten mit chronischer Migräne Propranolol zur Migräneprophylaxe einzusetzen.

Quelle

Chowdhury D, et al. TOP-PRO study: A randomized double-blind controlled trial of topiramate versus propranolol for prevention of chronic migraine. Cephalalgia 2021;0:1–13; doi: 10.1177/03331024211047454.

Literatur

1. Diener HC, et al. Utility of topiramate for the treatment of patients with chronic migraine in the presence or absence of acute medication overuse. Cephalalgia 2009;29:1021–7.

2. Dodick DW, et al. OnabotulinumtoxinA for treatment of chronic migraine: pooled results from the double-blind, randomized, placebo-controlled phases of the PREEMPT clinical program. Headache 2010;50:921–36.

3. Silberstein SD, et al. Efficacy and safety of topiramate for the treatment of chronic migraine: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Headache 2007;47:170–80.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(01):33-39