Alzheimer-Krankheit

Methylphenidat bessert die Apathie


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie an 200 Patienten mit M. Alzheimer und Antriebsstörungen zeigte, dass Methylphenidat im Vergleich zu Placebo den Schweregrad der Apathie verringert.

Apathie ist gekennzeichnet durch verminderte Willensstärke, Initiative und Antrieb und eines der häufigsten neuropsychiatrischen Symptome bei Menschen mit M. Alzheimer. Sie ist mit einer erheblichen Belastung für das Pflegepersonal, höheren Kosten und Sterblichkeit assoziiert. Daten aus kleinen, bis zu 12-wöchigen Studien deuten auf einen Nutzen von Methylphenidat hin.

Studiendesign

Diese multizentrische, randomisierte, Placebo-kontrollierte klinische Studie wurde von August 2016 bis Juli 2020 in neun US-amerikanischen Kliniken und einer kanadischen Klinik durchgeführt, die auf die Betreuung von Demenzkranken spezialisiert waren. Eingeschlossen wurden Patienten mit einer Alzheimer-Krankheit, leichten bis mittelschweren kognitiven Beeinträchtigungen und häufiger und/oder schwerer Apathie, gemessen mit dem Neuropsychiatrischen Inventar (NPI). Verglichen wurden 10 mg Methylphenidat zweimal täglich mit Placebo.

Zu den primären Endpunkten gehörten die Veränderung der NPI-Subskala für Apathie gegenüber dem Ausgangswert nach sechs Monaten oder eine verbesserte Bewertung auf der Alzheimer’s Disease Cooperative Study Clinical Global Impression of Change (ADCS-CGIC). Andere Ergebnisse umfassten Sicherheit, Veränderung der kognitiven Fähigkeiten und die Lebensqualität.

Ergebnisse

Von 200 Teilnehmern wurden 99 mit Methylphenidat und 101 mit Placebo behandelt. Das mittlere Alter betrug 76 Jahre. 68 (34 %) Studienteilnehmer waren weiblich und 131 (66 %) waren männlich. Von Studienbeginn an wurde über einen Zeitraum von sechs Monaten eine stärkere Reduktion des NPI-Scores für Apathie bei den Methylphenidat-Teilnehmern im Vergleich zu Placebo beobachtet (mittlere Differenz –1,25; 95%-Konfidenzintervall [KI] –2,03 bis –0,47; p = 0,002). Der stärkste Rückgang des NPI-Apathie-Scores wurde in den ersten 100 Tagen beobachtet. Dabei hatten die Teilnehmer unter Methylphenidat eine signifikant größere Chance als die Teilnehmer unter Placebo, keine Apathie-Symptome aufzuweisen (Hazard-Ratio 2,16; 95%-KI 1,19–3,91; p = 0,01). Nach sechs Monaten zeigte sich unter Methylphenidat im Vergleich zu Placebo eine tendenziell, aber nicht statisch signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine verbesserte Bewertung auf der ADCS-CGIC (Odds-Ratio 1,90; 95%-KI 0,95–3,84; p = 0,07). Die Beurteilung kognitiver Funktionen und die Lebensqualität unterschieden sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen.

Von den 17 schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen, die während der Studie auftraten, stand keines im Zusammenhang mit dem Studienmedikament.

Kommentar

Bei der Alzheimer-Erkrankung kommt es zu einer Vielzahl von psychiatrischen Begleitsymptomen. Dazu gehören auf der einen Seite eine Antriebssteigerung mit Fluchtgefahr und auf der anderen Seite eine Apathie mit Antriebsminderung. Hier ist es wichtig, differenzialdiagnostisch eine Depression auszuschließen, da diese anders behandelt wird als eine reine Apathie. Methylphenidat ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Phenylethylamine und wird zur Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndroms eingesetzt. Die vorliegende Studie zeigt eine signifikante, wenn auch in absoluten Maßen geringe Wirksamkeit von Methylphenidat zur Behandlung der Apathie bei Patienten mit Morbus Alzheimer. Insgesamt wurde in dieser Population Methylphenidat relativ gut vertragen. Es kam allerdings bei einigen Patienten zu einer nicht unerheblichen Gewichtsabnahme. Ob Methylphenidat über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten wirksam ist und vertragen wird, kann die vorliegende Studie allerdings nicht beantworten.

Quelle

Mintzer J, et al. Effect of methylphenidate on apathy in patients with Alzheimer disease: the ADMET 2 randomized clinical trial. JAMA Neurology 2021;78:1324–32.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(01):33-39