Schizophrenie

Erfolgreiche Symptomkontrolle von der Akut- bis zur Spätphase


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Aufgrund seiner pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften und der breiten Wirksamkeit ermöglicht das atypische Antipsychotikum Cariprazin eine umfassende Kontrolle aller relevanten Symptombereiche der Schizophrenie: von der Reduktion der Positivsymptomatik und der primären Negativsymptomatik im stationären Setting über die Verbesserung residualer Symptome, der psychosozialen Funktionalität und der Lebensqualität in der ambulanten Rezidivprophylaxe. Einen Überblick über die Einsatzbereiche gaben Experten in einem von Recordati veranstalteten Symposium im Rahmen des DGPPN-Kongresses 2021.

Mit Cariprazin (Reagila®) steht seit April 2018 ein Antipsychotikum mit einer besonderen Wirkweise zur Verfügung [5]. Cariprazin ist ein selektiver Partialagonist der D2/D3-Rezeptoren, mit einer höheren Affinität zu den Dopamin-D3-Rezeptoren als zu den D2-Rezeptoren und der im Vergleich zu allen anderen Antipsychotika höchsten Affinität zum D3-Rezeptor [6, 9], was die ausgeprägte Wirksamkeit auf die Negativsymptome bei Schizophrenie erklären kann [8]. Die Substanz ist indiziert zur Behandlung von Schizophrenie bei erwachsenen Patienten. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 1,5 mg einmal täglich [5]. Bei Bedarf kann die Tagesdosis in 1,5-mg-Schritten bis zur zugelassenen Maximaldosis von 6,0 mg erhöht werden [5].

Aufgrund der effektiven Halbwertszeit von Cariprazin und seinen beiden aktiven Metaboliten Demethylcariprazin (DCAR) und Didesmethylcariprazin (DDCAR) von etwa zwei Tagen bzw. einer Woche nehmen die Plasmakonzentrationen nach dem Absetzen oder einer Therapieunterbrechung nur langsam ab – nach einer Woche um etwa 50 % [5]. Für die Umstellung von Antipsychotika mit kürzerer Halbwertszeit auf Cariprazin wird eine langsame Plateau-Kreuztitration empfohlen [6]. Zudem sollte ein abrupter Wechsel von einem starken D2-Rezeptorantagonisten auf den partiellen D2/D3-Rezeptoragonisten vermieden werden, da dadurch Rebound-Effekte, wie Unruhe, Akathisie und eine Verschlechterung der psychotischen Symptome, ausgelöst werden könnten [6]. Die Kombination mit Benzodiazepinen kann die Wirksamkeit von Cariprazin in der Akutphase verbessern und das Risiko für einen Rebound während eines Wechsels der antipsychotischen Medikation minimieren [6].

Wirksame Akuttherapie, verlässliche Rezidivprophylaxe

Das Bindungsprofil von Cariprazin spiegelt sich in einer breiten Wirksamkeit von der frühen stationären Akuttherapie bis zur ambulanten Langzeitbehandlung und in einem günstigen Verträglichkeitsprofil wider [2–4, 7]. Während die D2-Affinität für die Kontrolle der in der Akutphase vorherrschenden Positivsymptomatik verantwortlich ist, wird die hohe Affinität zum Dopamin-D3-Rezeptor mit einer Verbesserung der Negativsymptomatik in Verbindung gebracht, die nach dem Abklingen der akuten psychotischen Symptome oft den weiteren Verlauf prägt und den Patienten im Alltag funktionell beeinträchtigen kann. Bei möglichst frühzeitiger Einstellung akutpsychotischer Patienten auf Cariprazin – bereits im ambulanten Setting – lassen sich die Weichen für Langzeittherapie stellen [6].

Cariprazin als Add-on zu Clozapin

Erfahrungen aus dem klinischen Alltag weisen darauf hin, dass auch schwerkranke Patienten in späten Stadien der Schizophrenie und unzureichendem Ansprechen auf Clozapin von einer Add-on-Therapie mit Cariprazin profitieren können. In einer aktuellen Publikation werden die Fälle einer 29-jährigen Frau und eines 35-jährigen Mannes mit therapierefraktärer Schizophrenie und partieller Clozapin-Response beschrieben, die nach Zugabe von Cariprazin innerhalb von drei Monaten eine deutliche Reduktion des PANSS(Positive and negative syndrome scale)-Gesamtwerts von 118 auf 89 Punkte bzw. von 121 auf 77 Punkte sowie der Einzelwerte für Positiv- und Negativsymptome erfuhren [1]. Im weiteren Verlauf setzte sich die Verbesserung der Symptome noch fort. Dadurch konnte die Dosis von Clozapin herabgesetzt werden, was in beiden Fällen mit einer deutlichen Abnahme des Körpergewichts einherging [1].

Quelle

Prof. Dr. Christoph U. Correll, Berlin, Prof. Dr. Helge Frieling, Hannover, Prof. Dr. Peter Falkai, München; Industriesymposium „Late stage Therapie – Licht am Horizont auch in dunklen Tagen?“, veranstaltet von Recordati im Rahmen des DGPPN-Kongresses, Berlin, 26. November 2021.

Literatur

1. De Bredaris D, et al. Cariprazine add-on in inadequate clozapine response: A report on two cases. Clin Psychopharmacol Neurosci 2021;19:174–8.

2. Durgam S, et al. An evaluation of the safety and efficacy of cariprazine in patients with acute exacerbation of schizophrenia: a phase II, randomized clinical trial. Schizophr Res 2014;152:450–7.

3. Durgam S, et al. Cariprazine in acute exacerbation of schizophrenia: a fixed-dose, phase 3, randomized, double-blind, placebo- and active-controlled trial. J Clin Psychiatry 2015;76:1574–82.

4. Durgam S, et al. Long-term cariprazine treatment for the prevention of relapse in patients with schizophrenia: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Schizophr Res 2016;176:264–71.

5. Fachinformation Reagila®; Stand: Dezember 2017.

6. Fagiolini A, et al. Treating schizophrenia with cariprazine: from clinical research to clinical practice. Real world experiences and recommendations from an international panel. Ann Gen Psychiatry 2020;19:55.

7. Kane JM, et al. Efficacy and safety of cariprazine in acute exacerbation of schizophrenia: Results from an international, phase III clinical trial. J Clin Psychopharmacol 2015;35:367–73.

8. Németh G, et al. Cariprazine versus risperidone monotherapy for treatment of predominant negative symptoms in patients with schizophrenia: a randomised, double-blind, controlled trial. Lancet 2017;389:1103–13.

9. Stahl SM. Drugs for psychosis and mood: unique actions at D3, D2, and D1 dopamine receptor subtypes. CNS Spectr 2017;22:375–84.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(01):33-39