Epilepsie

Perampanel als frühe Zusatztherapie und als neue evidenzbasierte Therapie bei Kindern


Michael Koczorek, Bremen

Der AMPA-Rezeptor-Antagonist Perampanel ist als antiepileptische Zusatztherapie anhaltend wirksam und verträglich – auch bei frühem Einsatz. Nach der kürzlich erfolgten Zulassungserweiterung können nun auch Kinder ab dem 4. bzw. ab dem 7. Lebensjahr behandelt werden. Wesentliche Studienergebnisse hierzu wurden im Rahmen des von Eisai veranstalteten 14. Valentinssymposiums präsentiert.

Perampanel (Fycompa®) wird bereits seit über acht Jahren als antiepileptische Zusatztherapie bei Jugendlichen und Erwachsenen eingesetzt. Seitdem haben Studien unter Real-Life-Bedingungen die Wirksamkeit und Sicherheit des hochselektiven, nichtkompetitiven AMPA-Rezeptor-Antagonisten (AMPA: α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionsäure) bei therapierefraktären Patienten untermauern können. So beobachteten Steinhoff et al. [8] über ein Follow-up von mindestens sechs Monaten in Bezug auf sekundär generalisierte Anfälle 50%-Responderraten (Abnahme der Anfallsfrequenz um mindestens 50 %) von bis zu 57 % und Anfallsfreiheit bei bis zu 32 % der Patienten – bei insgesamt guter Verträglichkeit mit Somnolenz und Schwindel als häufigste Nebenwirkungen.

Retrospektive Analysen zeigten unter Perampanel im indirekten Vergleich mit neuen Antiepileptika wie Lacosamid oder Brivaracetam höhere Retentionsraten (70 %/65 %/52 %), höhere Responderraten (46 %/29 %/28 %) und höhere Anfallsfreiheit (14 %/4 %/7 %) [5, 7, 9]. Auch Meschede et al. [6] zeigten höhere Anfallsfreiheitsraten unter Perampanel (26 %) versus Lacosamid (14 %); negative Einflüsse auf die Kognition wurden nicht beobachtet.

In der FYDATA-Studie wiesen Villanueva et al. nach, dass eine langsame Titrierung (2 mg/Tag alle drei bis vier Wochen) weniger allgemeine und psychiatrische Nebenwirkungen induziert (verglichen mit 2 mg/Tag alle ein bis zwei Wochen) [10].

Perampanel als erste oder zweite Zusatztherapie

Dass Epilepsie-Patienten auch von einem frühen Einsatz von Perampanel als erste Zusatztherapie profitieren können, zeigen zwei spanische Studien.

In einer retrospektiven Analyse wurden die Daten von 149 Patienten mit fokaler oder idiopathischer generalisierter Epilepsie (IGE) aus 22 spanischen Zentren über zwölf Monate ausgewertet [1]. Das mittlere Alter war 41 Jahre, die mittlere Krankheitsdauer zehn Jahre. 86 % hatten bislang nur eine Monotherapie erhalten, 14 % zwei Monotherapien. Bei einer Retentionsrate von 85 % sprachen 85 % der Patienten auf die Zusatztherapie mit Perampanel an, insgesamt 46 % wurden anfallsfrei (39 % bei fokaler, 61 % bei generalisierter Epilepsie). Unter Kombination mit Enzyminduktoren (Carbamazepin, Phenobarbital/Primidon, Phenytoin) war die Anfallsfreiheitsrate geringer. Die mittlere Perampanel-Dosis lag bei 6,2 mg/Tag. Nebenwirkungen waren meist leicht bis moderat, 11 % der Patienten brachen die Therapie wegen unerwünschter Wirkungen ab. Bei Kombination mit bzw. ohne Levetiracetam zeigten sich keine Unterschiede in der Verträglichkeit.

In der prospektiven, multizentrischen Beobachtungsstudie PERADON wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Perampanel als erste bzw zweite Zusatztherapie bei 42 bzw. 71 Patienten ≥ 12 Jahre mit fokaler Epilepsie untersucht [4]. Nach zwölf Monaten lag die Retentionsrate bei 81 %, die Responderrate bei 76 % (1. Zusatztherapie) bzw. 63 % (2. Zusatztherapie), Anfallsfreiheit erreichten 38 % bzw. 20 %. Die mittlere Dosis lag bei 6 mg/Tag. Bei der Kombination mit/ohne Levetiracetam sowie mit/ohne Natriumkanalblocker zeigten sich keine Unterschiede in der Verträglichkeit. Im Studienverlauf konnte die Therapie bei 24 % der Patienten mit einer Reduktion der begleitenden Antiepileptika im Median von zwei auf ein Begleitmedikament vereinfacht werden. Bei langsamer Aufdosierung (2 mg/Tag alle zwei Wochen) war die Retentionsrate deutlich höher als bei wöchentlicher Titration (87 % versus 53 %) und die Inzidenz behandlungsbezogener Nebenwirkungen weniger als halb so hoch (24 % versus 53 %).

Perampanel im frühen Kindesalter

Seit November 2020 kann Perampanel nun auch als Zusatztherapie bei Kindern ab vier Jahren mit fokalen Anfällen (mit oder ohne sekundäre Generalisierung) sowie bei Kindern ab sieben Jahren mit primär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (pGTKA) bei idiopathischer generalisierter Epilepsie (IGE) eingesetzt werden; vorher lag die Altergrenze bei zwölf Jahren. Relevant für die Zulassungserweiterung waren unter anderem die Ergebnisse der offenen einarmigen Phase-III-Studie 311 [3]. Eingeschlossen wurden 180 Kinder im Alter von ≥ 4 bis < 12 Jahren. Die mittlere Tagesdosis lag bei 7 mg/Tag. Schwerwiegende therapiebezogene unerwünschte Ereignisse kamen bei 15 % der Kinder vor, davon betrafen 7,2 % das Nervensystem, 1,1 % waren psychiatrische Nebenwirkungen. Die Anfallsfrequenz konnte nach 28 Tagen um 40 % (fokale Anfälle), 59 % (fokale Anfälle mit sekundärer Generalisierung) und 69 % (pGTKA) reduziert werden. Die Responderraten lagen zwischen 47 % und 65 %; Anfallsfreiheit erreichten zwischen 12 % und 55 %.

Erste Real-World-Erfahrungen über einen Zeitraum von zwei Jahren an 203 jungen Patienten (4 bis < 12 Jahre) mit verschiedenen Anfallsarten und bis zu drei oder mehr antiepileptischen Begleitmedikamenten lieferte die multizentrische, nichtinterventionelle, retrospektive Phase-IV-Studie PROVE 506 [2]. Sie bestätigte die gute Verträglichkeit von Perampanel mit therapiebezogenen Nebenwirkungen von 31,5 %, darunter Aggression (6,9 %) und Reizbarkeit (3 %). Die mittlere maximale Dosis von Perampanel lag bei 5,3 mg/Tag. 60 % der Kinder waren nach einem Jahr noch in Therapie mit Perampanel.

Quelle

Dr. Stephan Arnold, München, Priv.-Doz. Dr. med Thomas Bast, Kehl-Kork, im Rahmen des 14. Valentinssymposium (online), 27. Februar 2021, veranstaltet von Eisai.

Literatur

1. Bertol-Alegre V, et al. Poster-Präsentation AES 2018.

2. Chez M, et al. Poster presented at the 73rd Annual Meeting of the American Epilepsy Society 2019.

3. Fogarasi A, et al. Epilepsia 2020;61:125–37.

4. Jaramillo JA, et al. Epil Behav 2020;102:106655

5. Kurth C, et al. Seizure 2017;45:47–51.

6. Meschede C, et al. Seizure 2018;58:141–6.

7. Steinhoff BJ, et al. Epilepsia 2014;55(Suppl 1): 16–8.

8. Steinhoff BJ, et al. Epilepsy Res 2014;108:986–8.

9. Steinhoff BJ, et al. Seizure 2017;48:11–4.

10. Villanueva V, et al. Epilepsy Res 2016;126:201–10.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(03):131-143