Die MOXIe-Studie

Omaveloxolon zur Therapie der Friedreich-Ataxie


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In der randomisierten MOXIe-Studie verbesserte der Nrf2-Aktivator Omaveloxolon bei Patienten mit Friedreich-Ataxie signifikant die neurologischen Funktionen im Vergleich zu Placebo und war gut verträglich.

Die Friedreich-Ataxie (FA) ist eine genetisch bedingte langsam fortschreitende neurodegenerative Erkrankung mit einem Mangel an Frataxin. Sie beginnt meist im Kindesalter. Betroffen sind vor allem die Hinterstränge im Rückenmark, die spino-zerebellären Bahnen und die peripheren Nerven. Klinisch kommt es zu ausgeprägten Sensibilitätsstörungen, Ataxie, Dysarthrie und Nystagmus. Es bildet sich häufig eine Kyphoskoliose der Wirbelsäule aus und bei einem Teil der Patienten kommt es zu einer hypertrophen Kardiomyopathie oder/und einem Diabetes mellitus. Bisher gibt es keine wirksame und zugelassene medikamentöse Therapie der Friedreich-Ataxie. Der Frataxin-Mangel verursacht eine Dysregulation der antioxidativen Abwehrkräfte über eine Beeinträchtigung des Transkriptionsfaktors Nrf2 (Nuclear factor erythroid 2-related factor 2) und einer verminderten Adenosintriphosphat-Produktion. Omaveloxolon ist ein Nrf2-Aktivator und verbessert die mitochondriale Funktion, stellt das Redox-Gleichgewicht wieder her und reduziert Entzündungsreaktionen in Tiermodellen der Friedreich-Ataxie.

Studiendesign

Es handelte sich um eine internationale, doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte, Parallelgruppen-Phase-II-Studie an elf Kliniken in den Vereinigten Staaten, Europa und Australien. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 16 bis 40 Jahren mit molekulargenetisch bestätigter Friedreich-Ataxie und einem Ausgangswert auf der Modified Friedreich’s Ataxia Rating Skala (mFARS) zwischen 20 und 80 von maximal möglichen 93 Punkten. Die Patienten wurden im Verhältnis 1 : 1 auf Placebo oder 150 mg Omaveloxolon pro Tag randomisiert.Die Studienmedikation wurde einmal täglich oral eingenommen.

Der primäre Endpunkt der Studie war die Änderung des mFARS-Scores bei den mit Omaveloxolon behandelten Patienten im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Patienten nach 48 Wochen.

Ergebnisse

103 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip der Behandlung mit Omaveloxolon (n = 51) oder Placebo (n = 52) zugeteilt, wobei 40 Omaveloxolon-Patienten und 42 Placebo-Patienten für die Endauswertung zur Verfügung standen (Full analysis set [FAS]). Die Patienten waren im Mittel 24 Jahre alt. Der mittlere mFARS-Score im FAS betrug 38,8 in der Verum- und 40,9 in der Placebo-Gruppe, und die Krankheit bestand im Mittel seit 4,7 bzw. 4,8 Jahren. Über 90 % der Patienten war noch gehfähig. Drei Viertel der Patienten hatten eine Skoliose der Wirbelsäule.

Die Veränderungen der mFARS-Scores von Omaveloxolon (–1,55 ± 0,69) und Placebo (+0,85 ± 0,64) im Vergleich zum Ausgangswert zeigten einen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen von –2,40 ± 0,96 (p = 0,014). Die patientenbezogenen sekundären Endpunkte zeigten einen Trend zugunsten von Omaveloxolon, waren aber statistisch nicht unterschiedlich. Vorübergehende und reversible Erhöhungen der Aminotransferase wurden unter Omaveloxolon ohne Anstieg des Gesamtbilirubins oder anderer Anzeichen einer Leberschädigung beobachtet. Kopfschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit traten bei Patienten, die Omaveloxolon erhielten, ebenfalls häufiger auf.

Kommentar

Diese relativ kleine Studie zeigt eine Wirksamkeit von Omaveloxolon bei Patienten mit Friedreich-Ataxie. In der Placebo-Gruppe kam es, wie zu erwarten, zu einer fortschreitenden Verschlechterung der neurologischen Ausfälle. In der Verum-Gruppe kam es im Gegensatz dazu zu einer Verbesserung. Die Friedreich-Ataxie ist eine seltene Erkrankung, und um eine mögliche Progression mit den genannten Instrumenten sinnvoll erfassen zu können, ist es notwendig, Patienten in Therapiestudien einzuschließen, die noch gehfähig sind. Dies sind allerdings nicht die Patienten mit der am schnellsten fortschreitenden Progression. Das schränkt die Aussagekraft der Studien ein. Die geringe Zahl der Patienten der Studie erklärt auch, warum die sekundären Endpunkte nicht signifikant unterschiedlich waren. Omaveloxolon führt offenbar zu einer Erhöhung der Leberenzyme, die transient ist. Strukturelle Leberschädigungen konnten nicht nachgewiesen werden. Allerdings ist eine Behandlungsdauer von 48 Wochen zu kurz, um sicher belegen zu können, dass die Substanz nicht hepatotoxisch ist. Mit Omaveloxolon besteht aber erstmals die Aussicht auf eine wirksame medikamentöse Therapie der Friedreich-Ataxie.

Quelle

Lynch DR, et al. Safety and efficacy of omaveloxolone in Friedreich ataxia (MOXIe study). Ann Neurol 2021;89:212–25.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(03):131-143