Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

Neue Entwicklungen beim Management der ADHS


Christine Vetter, Köln

ADHS ist nicht gleich ADHS – die Problemlage ist bei den jeweiligen Patientengruppen recht unterschiedlich. Inwieweit vor allem bei Kindern und Jugendlichen eine digitale Unterstützung der Therapie möglich ist, wurde beim ADHS-Frühjahrs-Update 2021 dargestellt. Dort wurde ferner die besondere Situation bei Frauen mit ADHS diskutiert.

Die modernen digitalen Möglichkeiten nehmen zunehmend Einzug in die Behandlung und Betreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen. Ein Beispiel stellt die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen dar, deren Behandlung offenbar gut durch digitale Angebote zu unterstützen ist.

So wurden mittlerweile vielfältige Optionen entwickelt, die gezielt auf die Situation von Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern zugeschnitten sind. Sie können dazu beitragen, Probleme in der Therapiesitzung besser bearbeiten zu können. Einzelne Angebote erlauben es ferner, konkrete Therapieaufgaben im Alltag konsequenter umzusetzen. Außerdem können mittels virtueller Optionen die Selbsthilfemöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Eltern und weiterer Bezugspersonen verbessert werden und die Therapie kann insgesamt interessanter gestaltet werden.

Die Patienten können dabei über unterschiedliche Medien erreicht werden. Die Palette reicht vom herkömmlichen Computer über das Internet, das Smartphone und das Telefon bis hin zur virtuellen Realität – beispielsweise in Form eines virtuellen Klassenzimmers, in dem die reale Schulsituation imitiert werden kann.

Telefonassistierte und internetbasierte Selbsthilfe

Der Einstieg in die digitale Unterstützung der Behandlung erfolgte seinerzeit über die telefonassistierte Selbsthilfe für Eltern von Kindern mit ADHS. Im Grunde geht es hierbei um eine per Telefon angeleitete Selbsthilfe, die sich gezielt an Eltern von Kindern mit ADHS oder an Lehrer richtet. Das Verfahren erlaubt die Identifizierung von Verhaltensproblemen in der Familie wie auch die Psychoedukation und die Entwicklung eines gemeinsamen Störungskonzepts, die Fokussierung positiver Merkmale des Kindes und auch die Intensivierung positiver Eltern-Kind-Interaktionen.

Es können so ferner klare Familienregeln etabliert werden mit angemessenen positiven wie auch negativen Konsequenzen. Insgesamt kann dadurch eine Stärkung der Ressourcen des Kindes mit besserer Kanalisierung der kindlichen Energie erreicht werden und gleichzeitig eine Entlastung der Eltern und auch eine Stärkung ihrer Ressourcen. Gute Erfahrungen mit diesem Instrument liegen insbesondere vor bei Kindern mit Residualsymptomen unter einer Therapie mit Methylphenidat.

Positive Effekte sind auch mittels der internetbasierten Selbsthilfe für Eltern von Kindern mit ADHS, dem sogenannten ADHS-Elterntrainer, zu erwirken. Es handelt sich um ein evidenzbasiertes angeleitetes Elterntraining, das helfen kann, Fehlinformationen und dysfunktionale Einstellungen abzubauen, konkrete Verhaltensprobleme zu lösen, die elterlichen Belastungen zu reduzieren und die Eltern-Kind-Beziehung zu stärken.

Weitere digitale Unterstützungsmöglichkeiten bieten die Webseite des zentralen AHDS-Netzes (www.zentrales-adhs-netz.de) sowie die Selbsthilfe-App ADHS-KIDS für Eltern und die App AUTHARK als App-unterstützte Therapiearbeit für Kinder.

ADHS bei Frauen nicht unterschätzen

Noch häufig unterschätzt wird das Problem der ADHS bei Frauen. Im Kindes- und Jugendalter wird ADHS deutlich häufiger bei Jungen diagnostiziert als bei Mädchen; als Ursache diskutiert wird auch eine etwas langsamere Hirnentwicklung bei Jungen gegenüber Mädchen, wodurch die Jungen möglicherweise Umwelteinflüssen wie etwa Stress stärker ausgesetzt sein können. Im Erwachsenenalter nähert sich das Geschlechterverhältnis bei persistierendem ADHS aber zunehmend an.

Die betroffenen Frauen fallen oftmals durch eine ausgeprägte Desorganisation auf sowie durch eine emotionale Dysregulation mit Symptomen wie Labilität, mangelnder Affektkontrolle und einer erhöhten Impulsivität. Die Symptome treten häufig Hormon-assoziiert verstärkt auf beispielsweise in Form prä- sowie perimenstrueller Beschwerden, als postpartale Depression nach der Geburt des ersten Kindes oder auch mit postmenopausalen Symptomen.

Bei der Behandlung von Frauen mit ADHS sind unbedingt mögliche Komorbiditäten zu beachten. Die Frauen leiden überproportional häufig unter Schlafstörungen, unter chronischen Schmerzen, Substanzkonsum, einer generalisierten Angststörung sowie Depressionen und Suizidgedanken. Es besteht zudem oftmals eine Assoziation zu körperlichem und vor allem zu einem sexuellen Missbrauch. Außerdem gibt es deutliche Überschneidungen in der Emotionsregulation mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Quelle

Prof. Dr. med. Manfred Döpfner, Köln, Prof. Dr. med. Alexandra Philipsen, Bonn, Online-Veranstaltung „ADHS Frühjahrs-Update 2021“, 6. März 2021, veranstaltet von Medice.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(03):131-143