Andreas Reif, Frankfurt/M.

Heute habe ich das große Vergnügen, mich persönlich bei Ihnen als neuer Mit-Herausgeber der PPT vorstellen zu dürfen. Meine Vita konnten Sie ja bereits der Ausgabe 1/2021 entnehmen; deshalb möchte ich heute kurz schildern, warum ich mich sehr auf diese Aufgabe freue.

Die Psychopharmakotherapie – die Methode, nicht die Zeitschrift – hatte in den letzten Jahren einen schweren Stand. Nicht nur das notorisch schlechte Image, das den „Psychopillen“ immer wieder beispielsweise durch die Medien zugeschrieben wird, brachte die medikamentöse Therapie psychischer Erkrankungen in Misskredit, sondern auch einige weitere Faktoren: eine Dekaden-lange Zeit der Dürre, in der keine innovativen Substanzen entwickelt wurden; eine offenkundige Ignoranz der Geschichte unseres Fachs und der „psychopharmakologischen Revolution“ gegenüber; eine systematische Veränderung der Studiendurchführung in den letzten Jahren, die zu einer kontinuierlichen Zunahme des Placebo-Effekts führte (mehr dazu können Sie in dieser Ausgabe lesen); damit zusammenhängend die medienwirksame Veröffentlichung mehrerer Metaanalysen, die Psychopharmaka generell eine Wirkung absprachen (interessanterweise legen deren Propagandisten ganz andere Qualitätsmaßstäbe an Studien zu nicht-medikamentösen Verfahren an); und nicht zuletzt lautstarke Kritik aus den eigenen Reihen gegen vermeintlich eindimensionale biologische Verfahren. Dabei wird dann gern übersehen, dass damit gleichzeitig die medizinische Kernkompetenz der Psychiatrie preisgegeben wird.

Mich erstaunt das alles sehr. Hatten wir nicht geglaubt, die Gräben zwischen Pharmako-, Sozio- und Psychotherapie zugeschüttet zu haben? Ist nicht in so gut wie jeder Leitlinie festgehalten, dass die Goldstandardtherapie fast jeder psychischen Erkrankung in der Kombinationsbehandlung besteht? Macht es nicht gerade das Spannende am Berufsbild des Psychiaters aus, eine ganze Breite von Methoden zu beherrschen und einzusetzen? Woher kommt dieser Zeitgeist – denn um einen solchen handelt es sich meiner Meinung nach – wirklich? Ich kann darauf sehr viele Antworten geben oder auch gar keine. Beruhigend ist aber doch immerhin, dass wir mit den Mitteln klinischer Studien und evidenzbasierter Medizin die Wirksamkeit ganz unterschiedlicher Methoden bewerten und einschätzen können. Hier Studien und Metaanalysen kritisch zu bewerten, einzuordnen und zu kommentieren, sehe ich als eine sehr wichtige Aufgabe der PPT an.

Darüber hinaus aber wird das kommende Jahrzehnt meiner Meinung nach dasjenige sein, in dem es zu einer Renaissance der Psychopharmakotherapie kommen wird. Eine Vielzahl von neuen Targets wurde in den letzten Jahren vorgeschlagen, und es befinden sich aktuell Substanzen aus ganz unterschiedlichen Klassen in Phase-I- oder -III-Studien. Am bekanntesten sind hier sicherlich Modulatoren des glutamatergen Systems bei depressiven Erkrankungen – Esketamin ist das erste zugelassene Medikament in diesem Bereich, siehe Artikel in diesem Heft – und die Wiederentdeckung der Psychedelika. Daneben gibt es aber eine ganze Reihe von weiteren Ansätzen: allosterische Modulation des GABAA-Rezeptors, antiinflammatorische Substanzen, Kaliumkanal-Öffner, um nur einige zu nennen. Neben diesen neuen molekularen Ansatzpunkten und den damit verbunden Fragen der „Präzisionsmedizin“ (welches Medikament für welchen Patienten zu welcher Zeit?) werden wir auch besser untersuchen müssen, wie wir am besten Medikamente mit anderen Behandlungsmethoden, sei es Psychotherapie oder Neurostimulation, verbinden können. Das Timing von Kombinationstherapien ist wenig erforscht, aber von immenser Wichtigkeit. Die psychiatrische Therapie der Zukunft bedarf besserer Prädiktoren, welche Therapie wann angezeigt ist, und einer geplanten, und eben nicht zufälligen, Durchführung ebendieser Therapien. Die entsprechenden Studien auf den Weg zu bringen, wird eine Herausforderung und nur in großen Verbünden möglich sein; der potenzielle Gewinn an Gesundheit dürfte aber erheblich sein. Die PPT wird diese Themen in bewährter Weise aufgreifen.

Ich bin mir deshalb sicher, dass die nächsten Jahre für unser Feld unglaublich spannend werden – vielleicht sogar ähnlich den 50er-Jahren. Und genau deshalb freue ich mich sehr, in dieser aufregenden Zeit in das Herausgeberteam der PPT aufgenommen worden zu sein!

In diesem Sinne viel Spaß beim Lesen der aktuellen Ausgabe wünscht Ihnen

Ihr

Andreas Reif

Psychopharmakotherapie 2021; 28(02):51-51