Morbus Parkinson

Zusammenhang zwischen Erkrankungsrisiko und der Einnahme von Betablockern?


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Mit einem Kommentar des Autors
Epidemiologische Studien zeigen einen schwachen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Beta-Rezeptorantagonisten wie Propranolol und dem Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken. Wenn überhaupt ein kausaler Zusammenhang besteht, ist das absolute Risiko, durch die Einnahme von Propranolol eine Parkinson-Erkrankung zu bekommen, sehr gering.

Ein wichtiges Molekül in der Pathophysiologie der Parkinson-Erkrankung ist α-Synuklein. Derzeit wird davon ausgegangen, dass α-Synuklein aus dem Darm des Menschen über den Nervus vagus ins Gehirn transportiert wird und sich dann dort ausbreitet. Eine Reihe von Zellkulturexperimenten und Studien an Versuchstieren zeigte einen Zusammenhang zwischen der Aktivierung und Hemmung von Beta2-Adrenorezeptoren und der Expression von α-Synuklein [1]. Eine epidemiologische populationsbezogene Studie in Norwegen legte nahe, dass Menschen, die mit Propranolol behandelt werden, ein erhöhtes Risiko für eine Parkinson-Erkrankung haben, während Patienten, die mit dem Beta-2-Rezeptoragonisten Salbutamol behandelt wurden, ein reduziertes Risiko hatten [1]. Ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Propranolol und dem Risiko einer Parkinson-Erkrankung besteht, wurde jetzt von einer deutschen Autorengruppe genauer untersucht (Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign

Erkrankung

Morbus Parkinson

Studienziel

Einfluss von Betablockern und Salbutamol auf das Erkrankungsrisiko

Studientyp/Design

Systematische Auswertung fünf epidemiologischer Studien

Die Autoren analysierten insgesamt fünf epidemiologische Studien, in denen ein möglicher Zusammenhang zwischen der Einnahme von Betablockern und dem Risiko einer Parkinson-Erkrankung untersucht worden war. Es zeigte sich, dass die wahrscheinlichste Erklärung für das beobachtete leicht erhöhte Parkinson-Risiko durch Propranolol durch eine sogenannte umgekehrte Kausalität erklärt werden kann. In der Prodromalphase der Parkinson-Erkrankung kommt es häufig zu einem unspezifischen Aktionstremor, der üblicherweise mit Propranolol behandelt wird. Beta-Rezeptoragonisten wie Salbutamol werden häufig bei Patienten mit COPD und bei Rauchern eingesetzt. Rauchen hat allerdings eine Assoziation mit der Parkinson-Erkrankung: Raucher haben ein geringeres Risiko, an M. Parkinson zu erkranken. Das von den Autoren berechnete angenommene Risiko einer Parkinson-Erkrankung durch die Einnahme von Propranolol würde einen Fall auf 10 000 Patienten in fünf Jahren bedeuten. Umgekehrt müssten 50 000 Menschen für fünf Jahre mit Salbutamol behandelt werden, um eine Parkinson-Erkrankung zu verhindern.

Kommentar

Die Analyse der deutschen Autorengruppe zeigt, dass, wenn überhaupt, nur eine sehr schwache Assoziation zwischen Beta-Adrenozeptoren und dem Risiko der Parkinson-Erkrankung besteht. Die Studie zeigt auch ein typisches epidemiologisches Dilemma: dass nämlich eine beobachtete Assoziation zwischen einer biologischen Größe und einer Erkrankung keineswegs einen kausalen Zusammenhang beweist. Es gibt, wie häufig, zahlreiche potenzielle Einflussfaktoren, die nicht alle im Rahmen von epidemiologischen Studien erfasst werden können. Die Quintessenz des Artikels ist allerdings eindeutig: Patienten, die eine arterielle Hypertonie oder eine koronare Herzerkrankung haben, können problemlos mit Betablockern behandelt werden, ohne dass ein erhöhtes Risiko für eine Parkinson-Erkrankung besteht.

Quelle

Hopfner F, et al. β-adrenoreceptors and the risk of Parkinson's disease. Lancet Neurol published online January 27, 2020. https://doi.org/10.1016/S1474-4422(19)30400-4.

Literatur

1. Mittal S, et al. β2-adrenoreceptor is a regulator of the α-synuclein gene driving risk of Parkinson’s disease. Science 2017;357:891–8.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(04):216-221