Morbus Parkinson

Sublinguale Apomorphin-Gabe – ein Ansatz zur Behandlung von Off-Episoden


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie war ein sublingual applizierter Apomorphin-Film bei Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Krankheit und Off-Phasen wirksam. Allerdings brach fast ein Drittel der Patienten die Behandlung wegen oropharyngealer Nebenwirkungen ab.

Bei fortgeschrittener Parkinson-Erkrankung kommt es bei vielen Patienten zu ausgeprägten Wirkungsschwankungen der dopaminergen Medikation. Besonders unangenehm sind Off-Phasen, bei denen die Patienten über längere Zeit unbeweglich sind. Patienten, die für eine tiefe Hirnstimulation nicht geeignet sind, benötigen hierfür eine rasch wirksame medikamentöse Therapie. Bisher steht für diese Situationen die subkutane Gabe von Apomorphin zur Verfügung. Diese kann mit einem Pen oder einer subkutanen Pumpe erfolgen.

Als weitere Arzneiform, die eine rasche systemische Wirkung ermöglicht, wurde ein Apomorphin-Film zur sublingualen Applikation entwickelt. Sicherheit und Wirksamkeit des Apomorphin-Sublingualfilms zur Therapie von Off-Phasen bei Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Krankheit wurden in der CTH-300-Studie untersucht.

Studiendesign

Die randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie wurde an 32 Zentren für Bewegungsstörungen in den USA und Kanada durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten mit einer Parkinson-Krankheit, die zwei Stunden oder mehr Off-Phasen am Tag mit vorhersehbaren Off-Phasen am frühen Morgen hatten. In einer offenen Titrationsphase wurde die Dosis des sublingualen Apomorphin-Films schrittweise erhöht (10 bis 35 mg), bis eine gute Wirkung erreicht wurde (jeweils morgens nach einer 12-stündigen Phase ohne Parkinson-Medikation). Die Patienten wurden dann nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1 : 1 randomisiert der Verum- oder Placebo-Gruppe zugeordnet und erhielten in der 12-wöchigen Doppelblindphase ihre Studienmedikation zur Bedarfsbehandlung bei Off-Phasen. Visiten zur Wirksamkeitsbestimmung fanden nach vier, acht und zwölf Wochen statt. Dabei wurde jeweils die Punktzahl auf der Movement Disorder Society Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS) Teil 3 (motorisch) vor der Medikation und 30 Minuten nach der Applikation des Apomorphin-Films ermittelt. Primärer Endpunkt war der Unterschied zwischen beiden Werten bei der 12-Wochen-Visite.

Ergebnisse

Zwischen Juni 2015 und Dezember 2017 wurden 109 Patienten in die Studie aufgenommen. Sie wiesen bereits seit rund viereinhalb Jahren motorische Fluktuationen auf und hatten aktuell im Mittel vier Off-Phasen (3,8 bzw. 3,9) pro Tag bei einer Levodopa-Dosis von 1033 mg/Tag und sowie einen MDS-UPDRS-3-Score von etwa 43. Nach dem Zufallsprinzip wurden sie zu dem Apomorphin-Sublingualfilm (n = 54) oder Placebo (n = 55) randomisiert. Alle Patienten erhielten die zugewiesene Studienbehandlung. 34 (63 %) Patienten aus der ApomorphinGruppe und 46 (84 %) Patienten aus der Placebo-Gruppe schlossen die Studie ab.

In Woche 12 betrug die Veränderung im MDS-UPDRS Teil 3 vom Zeitpunkt vor der Medikation bis zu 30 Minuten nach der Dosis mit Apomorphin-Sublingualfilm –11,1 Punkte (95%-Konfidenzintervall [KI] –14,0 bis –8,2) und mit Placebo –3,5 (95%-KI –6,1 bis –0,9); das bedeutete ein Differenz von –7,6 (95%-KI –11,5 bis –3,7; p = 0,0002).

Leichte bis mittelschwere oropharyngeale Nebenwirkungen wie Erythem, Schwellung der Zunge, Mundtrockenheit, Lippenödeme oder Rhinorrhö waren die häufigsten Nebenwirkungen. Sie wurden von 17 (31 %) Patienten der Apomorphin-Gruppe und vier (7 %) Patienten der Placebo-Gruppe berichtet. Diese Nebenwirkungen führten bei neun (17 %) Patienten der Apomorphin-Gruppe und bei einem (2 %) Patienten unter Placebo zum Abbruch der Behandlung. Andere bei der Behandlung mit Apomorphin auftretende unerwünschte Ereignisse waren vorübergehende Übelkeit bei 15 (28 %), Schläfrigkeit bei sieben (13 %) und Schwindel bei fünf (9 %) Patienten. Weitere unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Prävalenz ≤ 2 %) waren orthostatische Hypotonie, Synkope, Dyskinesien, Halluzinationen, Verlängerung des QT-Intervalls im EKG und Impulskontrollstörungen. Ein Patient, der mit Apomorphin-Sublingualfilm behandelt wurde (mit bekannten kardialen Risikofaktoren), erlitt einen tödlichen Herzstillstand.

Der Apomorphin-Sublingualfilm ist für die meisten Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Krankheit und Off-Phasen eine wirksame und bedarfsgerechte Behandlung. Allerdings brach fast ein Drittel der Patienten die Behandlung wegen oropharyngealer Nebenwirkungen ab. Die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit des Apomorphin-Sublingualfilms müssen noch untersucht werden.

Kommentar

Off-Phasen sind beim fortgeschrittenen Morbus Parkinson ein häufiges Problem. Dieses Problem ist besonders gravierend, wenn die Unbeweglichkeit morgens nach dem Aufwachen über eine Stunde anhält, bis die oral eingenommene dopaminerge Medikation wirkt. Bisher steht für die Behandlung dieser Off-Phasen Apomorphin als subkutane Gabe zur Verfügung. Bei Patienten, bei denen mehrfach täglich längere Off-Phasen auftreten, wird Apomorphin derzeit noch über eine Pumpe subkutan appliziert. Die neue Applikationsform von Apomorphin als Sublingualfilm stellt eine wichtige alternative Applikation zur Verfügung. In der doppelblinden, randomisierten Studie zeigte sich eine eindeutige Überlegenheit gegenüber Placebo. Die beobachteten Nebenwirkungen waren zu erwarten und sind auch von der subkutanen Gabe von Apomorphin bekannt. Die Dauer der Studie betrug allerdings nur 12 Wochen. Jetzt müssen noch Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit bei der Langzeitapplikation des Apomorphin-Films erhoben werden.

Quelle

Olanow CW, et al. Apomorphine sublingual film for off episodes in Parkinson's disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 study. Lancet Neurol 2020;19:135–44.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(02):85-95