Schubförmige multiple Sklerose

Kein Effekt von hoch dosiertem Vitamin D3 zusätzlich zu Interferon beta-1a


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie ergab bei MS-Patienten mit niedrigem Vitamin-D3-Spiegel die Substitution von hoch dosiertem Vitamin D3 gegenüber Placebo keinen therapeutischen Nutzen.

Bei der schubförmigen Form der multiplen Sklerose (MS) stehen inzwischen viele therapeutische Optionen der Immunmodulation zur Verfügung. Eine der Standardtherapien ist die subkutane oder intramuskuläre Gabe von Interferon beta-1a. Eine Reihe von Registerstudien hatte gezeigt, dass bei Patienten mit schubförmiger MS und niedrigen Vitamin-D3-Spiegeln die Erkrankung mit einer schlechteren Prognose einhergeht. In Tierexperimenten hatte Vitamin D3 entzündungshemmende Eigenschaften. Kleinere randomisierte Studien hatten bisher einen Effekt von Vitamin D3 auf die Zahl von neuen Kontrastmittel aufnehmenden Entmarkungsherden in der Kernspintomographie gezeigt. Die Studien waren allerdings klein und es wurden nur niedrige Dosen von Vitamin D3 verwendet.

Die internationale SOLAR-Studie schloss Patienten mit schubförmiger MS ein, die eine Standardtherapie mit Interferon beta-1a 44 μg dreimal wöchentlich subkutan erhielten. Einschlusskriterium war ein Vitamin-D-Spiegel von unter 150 nmol/l. In die Studie wurden 229 Patienten randomisiert, die entweder Placebo oder hoch dosiertes Vitamin D3 in einer Dosis von 14 000 IE/Tag erhielten. Der primäre Endpunkt war der Anteil der Patienten, bei denen nach 48 Wochen keine Krankheitsaktivität der MS nachzuweisen war. Dieser Endpunkt ist definiert als die Abwesenheit neuer Erkrankungsschübe, kein Fortschreiten der Behinderung und keine neuen Entzündungsherde in der Kernspintomographie (Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign der SOLAR-Studie [Hupperts et al. 2019]

Erkrankung

Schubförmige multiple Sklerose (RRMS)

Studienziel

Wirksamkeit einer hoch dosierten Vitamin-D3-Supplementierung zusätzlich zu Interferon beta-1a subkutan

Studientyp

Interventionsstudie

Studienphase

Phase II

Studiendesign

Multizentrisch, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert, parallel

Eingeschlossene Patienten (Intention-to-treat-Population)

229 Patienten mit bereits seit 3–18 Monaten bestehender Therapie mit Interferon beta-1a (44 μg s. c. 3-mal/Woche) und einem Vitamin-D3-Serumspiegel unter 150 nmol/l; keine bzw. niedrig dosierte (≤ 1000 IU/Tag) Supplementierung von Vitamin D3; EDSS(Expanded disability status scale)-Score ≤ 4,0

Intervention

  • Vitamin D3 oral: 6670 IE (167 μg) pro Tag oral für 4 Wochen, dann 14 007 IE (350 μg) pro Tag für 44 Wochen (n = 113)
  • Placebo (n = 116)

Primärer Endpunkt

NEDA-3 (No evidence of disease activity; kein Rückfall, keine EDSS-Progression, keine aktiven Läsionen im Kernspintomogramm) nach 48 Wochen

Sekundäre Endpunkte

Jährliche Rückfallrate; EDSS; Zeit bis zum ersten Rückfall und bestätigter EDSS-Progression; Anzahl der aktiven Läsionen im Kernspintomogramm; Anzahl neuer hypointenser T1-Läsionen; Änderung des Gesamtvolumens von T2-Läsionen seit Baseline; prozentuale Veränderung des Hirnvolumens

Sponsor

Merck KGaA

Studienregisternummer

NCT01285401 (ClinicalTrials.gov)

SOLAR: Supplementation of Vigantol oil versus placebo add-on in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis (RRMS) receiving Rebif treatment

Die Patienten waren im Mittel 34 Jahre alt und zwei Drittel waren Frauen. Die MS bestand im Schnitt seit 10 bis 15 Monaten. Die Patienten hatten im Mittel in den letzten zwei Jahren 1,75 Schübe erlitten. Die Behandlung mit Interferon bestand im Mittel seit 6,5 Monaten.

Nach 48 Wochen hatten 36,3 % der Patienten, die hoch dosiertes Vitamin D3 erhalten hatten, keine Krankheitsaktivität. In der Placebo-Gruppe betrug der Anteil 35,3 % (Odds-Ratio 0,9; p = 0,80). In einer Subgruppenanalyse mit kernspintomographischen Endpunkten hatte die Patientengruppe mit hoch dosierten Vitamin D3 weniger aktive Läsionen als die Placebo-Gruppe.

Kommentar

Die internationale SOLAR-Studie ist die bisher größte Studie zum Einsatz von hoch dosiertem Vitamin D3 bei Patienten mit schubförmiger MS und niedrigem Vitamin-D-Spiegel. In der Studie ergab sich kein Unterschied bezüglich der Schubrate und dem Fortschreiten der Behinderung zwischen der Gruppe, die Vitamin D3 erhielt, und der Gruppe, die Placebo erhielt. Die Vitamin-D3-Gabe erfolgte zusätzlich zu einer immunmodulatorischen Therapie mit Interferon beta-1a. Eine Subgruppenanalyse zeigte allerdings, dass die Patienten die Vitamin D3 erhielten, etwas weniger neue Entzündungsherde in der Kernspintomographie hatten als die Patienten der Placebo-Gruppe. Dieses Ergebnis müsste in einer größeren Placebo-kontrollierten Studie näher untersucht werden. Bis eine solche Studie vorliegt, sollten Patienten mit schubförmiger MS keine hoch dosierte Vitamin-D3-Supplementierung erhalten.

Quelle

Hupperts R, et al. Randomized trial of daily high-dose vitamin D3 in patients with RRMS receiving subcutaneous interferon beta-1a. Neurology 2019;93(20):e1906-e16.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(02):85-95