Antipsychotika bei Schizophrenie

Effektstärken vergleichbar, Unterschiede bei den Nebenwirkungen


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Eine Netzwerk-Metaanalyse zu 32 älteren und neueren Antipsychotika für die Behandlung akuter Schizophrenie-Episoden ergab bei der Gesamtsymptomatik bessere Effekte als Placebo mit etwas unterschiedlichen Effektstärken. Größer sind die Differenzen bei den Nebenwirkungen.

Antipsychotika sind Arzneimittel der ersten Wahl in der Schizophrenie-Therapie und entfalten ihre therapeutischen Effekte auf die verschiedenen Positiv- und Negativsymptome mit je nach Substanz etwas unterschiedlicher Beeinflussung von zentralen Neurotransmittersystemen. Dementsprechend unterscheiden sie sich mehr oder weniger stark in ihrer klinischen Wirksamkeit als auch den Nebenwirkungen.

Um die ärztliche Entscheidung für oder gegen ein Antipsychotikum beim individuellen Patienten auf einem möglichst aktuellen Evidenzstand zu erleichtern, erarbeitete ein internationales Expertenteam einen systematischen Review mit Netzwerk-Metaanalyse unter Einbeziehung der beiden neu zugelassenen Antipsychotika Brexpiprazol und Cariprazin sowie von einigen älteren, bisher in Metaanalysen noch nicht berücksichtigten Antipsychotika der ersten Generation.

Methodik und Ergebnisse

In den systematischen Review wurden 402 Placebo-kontrollierte oder Head-to-Head-Studien mit 53 463 erwachsenen Teilnehmern und 32 Antipsychotika in der Therapie von akuten Symptomen einer Schizophrenie oder vergleichbaren Erkrankungen einbezogen. Ausgeschlossen waren unter anderem Studien mit Patienten in einem ersten psychotischen Schub oder Patienten mit überwiegender Negativ- und/oder Depressionssymptomatik.

Primäres Zielkriterium war die Veränderung der Gesamtsymptomatik, gemessen anhand von standardisierten Messskalen wie der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) oder der Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS). Die Unterschiede wurden als standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) mit 95%-Glaubwürdigkeitsintervall (95%-CrI) angegeben.

Die Effektgrößenschätzungen ergaben insgesamt bessere Ergebnisse für alle Antipsychotika im Vergleich zu Placebo, wenngleich bei sechs Substanzen in nicht signifikantem Ausmaß. Die standardisierten Mittelwertdifferenzen lagen zwischen –0,89 (95%-CrI –1,08 bis –0,71) für Clozapin und –0,03 (95%-CrI –0,59 bis 0,52) für Levomepromazin. Der Vergleich zwischen den Antipsychotika zeigte für Clozapin, Amisulprid, Zotepin, Olanzapin und Risperidon eine signifikant stärkere Besserung der Gesamtsymptomatik als mit vielen anderen Substanzen; für die weiteren paarweisen Vergleiche ergaben sich meistens nur geringe Unterschiede.

Weitere Analysen ergaben im Vergleich zu Placebo

  • bei der Veränderung der Positivsymptomatik SMD zwischen –0,69 (95%-CrI –0,86 bis –0,52) für Amisulpirid und –0,17 (95%-CrI –0,31 bis –0,04) für Brexpiprazol
  • bei der Veränderung der Negativsymptomatik SMD zwischen –0,62 (–0,84 bis –0,39) für Clozapin und –0,10 (–0,45 bis 0,25) für Flupentixol und
  • bei der Veränderung der Depressionssymptomatik SMD zwischen –0,90 (–1,36 bis –0,44) für Sulpirid und +0,04 (–0,39 bis 0,47) für Flupentixol.

Die Ergebnisse blieben weitgehend konstant nach Adjustierung auf mögliche Effekt-beeinflussende Faktoren oder in Sensitivitätsanalysen, das statistische Vertrauen in die Effektschätzer war allerdings oftmals sehr niedrig.

Das relative Risiko (RR) für einen Studienabbruch aus irgendeinem Grund im Vergleich zu Placebo lag zwischen 0,52 (95%-CrI 0,12 bis 0,95) bei Clopenthixol und 1,15 (0,36 bis 1,47) bei Pimozid. Weitere Sicherheitsanalysen ergaben im Vergleich zu Placebo

  • ein RR für Sedierung zwischen 0,92 (0,17 bis 2,03) bei Pimozid und 10,20 (4,72 bis 29,41) bei Zuclopenthixol,
  • ein RR für den notwendigen Einsatz eines Antiparkinson-Medikaments zwischen 0,46 (0,19 bis 0,88) bei Clozapin und 6,14 (4,81 bis 6,55) bei Pimozid,
  • eine Gewichtszunahme zwischen 0,16 kg (–0,73 bis 0,40) bei Ziprasidon und 3,21 kg (2,10 bis 4,32) bei Zotepin,
  • eine Veränderung des Prolactin-Spiegels zwischen –77,05 ng/ml (–120,23 bis –33,54) bei Clozapin und +48,51 ng/ml (43,52 bis 53,51) bei Paliperidon und
  • eine Veränderung der QTc-Zeit zwischen –2,21 ms (–4,54 bis 0,15) bei Lurasidon und 23,90 ms (20,56 bis 27,33) bei Sertindol.

Diskussion und Fazit der Autoren

In der wohl bisher größten Netzwerkanalyse auf dem Gebiet der Schizophrenie-Therapie mit insgesamt 32 älteren und neueren Antipsychotika ergaben sich durchgehend überlegene Effekte auf die Gesamtsymptomatik im Vergleich zu Placebo. Die besten Ergebnisse generierte Clozapin, wenngleich die Wirksamkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Antipsychotika insgesamt nicht substanziell waren. Wahrscheinlich existieren aber durchaus Unterschiede in den Effekten einzelner Antipsychotika, die sich allerdings in den bisher eingesetzten, subjektiv erhobenen Symptomskalen kaum niederschlagen, diskutieren die Autoren.

Vor allem Studien mit neueren Antipsychotika lieferten zusätzlich Angaben zu Veränderungen bei Positiv- und Negativsymptomen, hier waren aber die Ergebnisse im Großen und Ganzen vergleichbar und proportional mit den Veränderungen bei der Allgemeinsymptomatik.

Deutlichere Unterschiede gab es dagegen bei den Nebenwirkungen wie Sedierung, Gewichtszunahme, extrapyramidale Störungen und QTc-Verlängerung, die sich gerade bei einer antipsychotischen Langzeitmedikation bemerkbar machen. Generell wurden bei den älteren Antipsychotika tendenziell eher extrapyramidale Störungen und Prolactin-Erhöhungen registriert, bei den neueren Antipsychotika eher Gewichtszunahme oder Sedierung.

Insgesamt steht mit den heute verfügbaren Antipsychotika eine große Palette wirksamer Substanzen für die Schizophrenie-Therapie zur Verfügung, die in Abhängigkeit vom Nebenwirkungsprofil eine individuelle Behandlung ermöglichen, so das Resümee der Autoren.

Quelle

Huhn M, et al. Comparative efficacy and tolerability of 32 oral antipsychotics for the acute treatment of adults with multi-episode schizophrenia: a systematic review and network meta-analysis. Lancet 2019;394:939–51. Epub July 11, 2019; http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31135-3.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(02):85-95