Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung


Das Interaktionspotenzial der Hypnotika

Holger Petri, Bad Wildungen*

Zur kurzzeitigen Behandlung von Schlafstörungen werden primär verschiedene Benzodiazepine und die beiden Z-Substanzen Zolpidem und Zopiclon verwendet. Von den Benzodiazepinen sind besonders bei den kurzwirksamen Hypnotika klinisch relevante Interaktionen mit Modulatoren des Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzyms 3A4 in klinischen Studien beschrieben. Zolpidem und Zopiclon können durch CYP3A4-Induktoren einem Wirkungsverlust unterliegen. Melatonin mit einem abweichenden Wirkungsprofil ist als CYP1A2-Substrat nicht frei von pharmakokinetischen Wechselwirkungsrisiken. In der Interaktionstabelle (Tab. 1) wird das Verhalten der Benzodiazepin-Hypnotika sowie der Z-Substanzen und Melatonin zu den CYP-Enzymen zusammengefasst.
Psychopharmakotherapie 2020;27:81–4.

Benzodiazepine

Die Auswahl der Benzodiazepine als Hypnotika orientiert sich an der jeweiligen Wirkungsdauer [2, 26].

Kurz- und mittellangwirksame Benzodiazepine

Die beiden Benzodiazepine mit kurzer Wirkungsdauer, Brotizolam und Triazolam, bergen als CYP3A4-Substrate Interaktionsrisiken. Der starke CYP3A4-Inhibitor Itraconazol (Abb. 1) erhöhte in einer Studie mit gesunden Probanden den 24h-AUC(Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve)-Wert von Brotizolam um das 2,4-Fache und die Gesamt-AUC um das 5-Fache [24]. Ausgeprägter ist die Erhöhung der Triazolam-Plasmaspiegel durch Abbauhemmung. In einer Untersuchung stiegen die Plasmaspiegel unter Itraconazol- bzw. Ketoconazol-Einnahme um das 27-Fache bzw. 22-Fache [29]. Der Protease-Hemmer Ritonavir reduzierte die Clearance von Triazolam im Vergleich mit der Kontrollgruppe um mehr als 96 % [12]. Deshalb ist Triazolam unter Therapie mit HIV-Protease-Hemmern und den beiden Azolantimykotika kontraindiziert, während andere starke CYP3A4-Hemmer wie Clarithromycin unter vorsichtiger Anwendung eingesetzt werden dürfen [4]. Jedoch sollte bedacht werden, dass diese CYP3A4-Inhibitoren zum Teil ähnlich potente inhibitorische Wirkungen auf CYP3A4-Substrate haben wie Itraconazol und Ketoconazol, beispielsweise Voriconazol [23, 25].

Der starke CYP3A4-Induktor Rifampicin senkte die Bioverfügbarkeit von Brotizolam um 90 % und von Triazolam um 95 % [27, 30]. Somit sollte bei Einnahme von starken CYP3A4-Induktoren auf Benzodiazepine zurückgegriffen werden, deren Metabolismus primär durch direkte Glucuronidierung erfolgt [4]. Zu diesen zählen Lormetazepam und Temazepam [7, 8]. Beide Arzneimittel sind Hypnotika mit mittlerer Wirkungsdauer [26].

Midazolam, das primär als Sedativum eingesetzt wird, kann wegen der sehr kurzen Wirkungsdauer auch bei Einschlafstörungen verordnet werden [5]. Orales Midazolam dient unter anderem in pharmakokinetischen Studien als CYP3A4-Testsubstrat („victim drug“) [5, 23].

Langwirksame Benzodiazepine

Bei den langwirksamen Benzodiazepinen Flunitrazepam, Flurazepam und Nitrazepam sind pharmakokinetische Wechselwirkungsstudien an gesunden Probanden nur schwer durchführbar. Ein Fließgleichgewicht stellt sich nur mit zeitlicher Verzögerung ein, Daten nach Einmalgabe sind nur von beschränkter Aussagekraft.

Der aktive Hauptmetabolit von Flurazepam, N-Desalkylflurazepam, hat eine Halbwertszeit von bis zu 100 Stunden. Über einen Zeitraum von 15 Tagen akkumuliert der Metabolit zu 7,5-mal höheren Plasmakonzentrationen im Vergleich zur Einmalgabe. Mit Hydroxyethyl-flurazepam entsteht ein weiterer aktiver Hauptmetabolit [3]. Da die beiden Metaboliten durch Desalkylierung und Hydroxylierung und damit über typische Phase-I-Reaktionen gebildet werden, ist eine Beteiligung von CYP450-Enzymen anzunehmen. In-vitro-Untersuchungen zufolge sind am Metabolismus von Flunitrazepam CYP2C19 und 3A4 beteiligt [15, 18]. Nitrazepam wird über Reduktion und Acetylierung unter Beteiligung von CYP3A4 verstoffwechselt [6, 19]. Erythromycin als CYP3A4-Hemmer erhöhte in einer Studie nach Nitrazepam-Einmalgabe dessen Exposition um 25 % [22].

Z-Substanzen

Zolpidem und Zopiclon sind Substrate von CYP3A4. Starke CYP3A4-Inhibitoren haben nur einen begrenzten Einfluss auf die Exposition von Zolpidem [11, 21]. Ketoconazol verursachte in klinischen Studien jedoch mit 83 % eine relevante Erhöhung der Exposition [13]. In dieser Größenordnung erhöhten Itraconazol und Erythromycin in Untersuchungen die Plasmaspiegel von Zopiclon [1, 17]. Dies kann bei verstärkter Sedierung eine Dosisreduktion notwendig machen.

Einen größeren Einfluss hat die Anwendung von Rifampicin auf die Plasmaspiegel der beiden Z-Substanzen. Der Induktor senkte die AUC von Zolpidem um 73 % und von Zopiclon um 82 % [31, 32]. Die Wirksamkeit beider Hypnotika kann beeinträchtigt sein und eine Dosiserhöhung notwendig werden. Ähnliche Effekte sind mit anderen starken CYP3A4-Induktoren (Abb. 1) möglich [9, 10]. Allerdings reduzierte Johanniskraut die Zolpidem-Plasmaspiegel lediglich um 30 % [16].

Melatonin

Melatonin hat im Vergleich zu den Benzodiazepinen und den beiden Z-Substanzen keine psychotropen Eigenschaften. Seine Wirkung tritt mit Verzögerung ein [2]. In einer klinischen Studie erhöhte der starke CYP1A2-Inhibitor Fluvoxamin die Melatonin-Plasmaspiegel um das 17-Fache [14]. Die Kombination soll daher gemieden werden [2]. Ein weiterer in der Klinik häufig eingesetzter CYP1A2-Inhibitor ist Ciprofloxacin, der zu erhöhten Melatonin-Plasmaspiegeln führen kann [2]. Polyzyklische Kohlenwasserstoffe im Zigarettenrauch induzieren die Bildung von CYP1A2 [20]. In einer Untersuchung hatten Probanden nach Rauchabstinenz dreifach höhere Plasmaspiegel von exogen zugeführtem Melatonin im Vergleich zur vorherigen Raucherphase [28].

Abb. 1. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf Cytochrom P450 (CYP) 1A2 und 3A4 (Stand 02/2020) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]

Literatur

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2. Benkert O, Hippius H. Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 12 Aufl Heidelberg: Springer Medizin Verlag 2018.

3. Fachinformation Dalmadorm®. Stand: Dezember 2013.

4. Fachinformation Halcion®. Stand: Februar 2019.

5. Fachinformation Midazolam-Ratiopharm® 2 mg/ml orale Lösung Stand: August 2018.

6. Fachinformation Mogadan®. Stand: Januar 2015.

7. Fachinformation Noctamid®. Stand: Juni 2019.

8. Fachinformation Remestan®. Stand: Mai 2018

9. Fachinformation Stilnox®. Stand: März 2019.

10. Fachinformation Ximovan®. Stand: März 2019.

11. Farkas D, Volak LP, Harmatz JS, et al. Short-term clarithromycin administration impairs clearance and enhances pharmacodynamic effects of trazodone but not of zolpidem. Clin Pharmacol Ther 2009;85:644–50.

12. Greenblatt DJ, von Moltke LL, Harmatz JS, et al. Differential impairment of triazolam and zolpidem clearance by ritonavir. J Acquir Immune Defic Syndr 2000;24:129–36.

13. Greenblatt DJ, von Moltke LL, Harmatz JS, et al. Kinetic and dynamic interaction study of zolpidem with ketoconazole, itraconazole, and fluconazole. Clin Pharmacol Ther 1998;64:661–71.

14. Härtter S, Grözinger M, Weigmann H, et al. Increased bioavailability of oral melatonin after fluvoxamine coadministration. Clin Pharmacol Ther 2000;6:1–6.

15. Hesse LM, Venkatakrishnan K, von Moltke LL, et al. CYP3A4 is the major CYP isoform mediating the in vitro hydroxylation and demethylation of flunitrazepam. Drug Metab Dispos 2001;29:133–40.

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18. Kilicarslan T, Haining RL, Rettie AE, et al. Flunitrazepam metabolism by cytochrome P450S 2C19 and 3A4. Drug Metab Dispos 2001;29:460–5.

19. Konishi K, Fukami T, Gotoh S, et al. Identification of enzymes responsible for nitrazepam metabolism and toxicity in human. Biochem Pharmacol 2017;140:150–60.

20. Kroon LA, Drug interactions with smoking. AM J Health Syst Pharm 2007;64:1971–21.

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28. Ursing C, von Bahr C, Brismar K, et al. Influence of cigarette smoking on melatonin levels in man. Eur J Clin Pharmacol 2005;61:197–201.

29. Varhe A, Olkkola KT, Neuvonen PJ. Oral triazolam is potentially hazardous to patients receiving systemic antimycotics ketoconazole or itraconazole. Clin Pharmacol Ther 1994;56:601–7.

30. Villikka K, Kivistö KT, Backman JT, et al. Triazolam is ineffective in patients taking rifampin. Clin Pharmacol Ther 1997;61:8–14.

31. Villikka K, Kivistö KT, Lamberg TS, et al. Concentrations and effects of zopiclone are greatly reduced by rifampicin. Br J Clin Pharmacol 1997;43:471–4.

32. Villikka K, Kivistö KT, Luurila H, et al. Rifampin reduces plasma concentrations and effects of zolpidem. Clin Pharmacol Ther 1997;62:629–34.

*Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2020;41:105–8.

Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.

Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de

Psychopharmakotherapie 2020; 27(02)