DGN-Kongress

Therapien bei neurogenerativen Erkrankungen: „Ran an die Ursache“


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Bisherige Ansätze zur Therapie neurogenerativer Erkrankungen sind in der Regel rein symptomatisch. Es sei Zeit, die Krankheitsursachen zu therapieren, sagte Prof. Dr. Günter U. Höglinger, Hannover, auf der Fachpressekonferenz des 92. DGN-Kongresses Ende September 2019 in Stuttgart.

Morbus Huntington: Antisense-Oligonukleotide (ASO)

ASO stören das Ablesen mutierter Gene. Auch bei der erblichen Huntington-Erkrankung wird erprobt, ob eine Störung des Huntingtin(HTT)-produzierenden, mutierten Huntington-Gens mit einer Verlangsamung der Krankheitsprogression einhergeht. In einer Phase-I/IIa-Studie wurde der Ansatz mit 34 Patienten erprobt [3]. Intrathekal appliziertes HTT-ASO konnte die HTT-Protein-Konzentration im Liquor reduzieren. Eine Studie zur klinischen Wirksamkeit ist in Planung.

Morbus Parkinson: Auflösen von Alpha-Synuclein-Verklumpungen

In der PROMESA-Studie wurde das Prinzip der Aggregationshemmung von Alpha-Synuclein bei 92 Patienten mit Morbus Parkinson untersucht [2]. Bei den Patienten, die den Aggregationsinhibitor Epigallocatechin-3-Gallat erhielten, verschlechterte sich der Zustand tendenziell langsamer als unter Placebo. Klinisch relevant war dieser Effekt noch nicht. Allerdings war der Hirnvolumenverlust signifikant reduziert. Als relevante Nebenwirkung trat Lebertoxizität auf, sodass die Therapie nicht in höheren Dosen empfohlen werden kann. Verbesserte Aggregationsinhibitoren sind derzeit in der Entwicklung.

Progressive supranukleäre Blickparese: Anti-Tau-Antikörper

In einer Machbarkeitsstudie der Phase Ib [1] wurde der Effekt der Hemmung der Proteinaggregat-Ausbreitung mit dem Anti-Tau-Antikörper BIIB092 bei 48 Patienten mit progressiver supranukleärer Blickparese (PSB) untersucht. Die Tau-Konzentration im Liquor konnte reduziert werden, obwohl nur ein Bruchteil des peripher applizierten Antikörpers im Gehirn ankam. Klinische Relevanz hatten diese ersten Ergebnisse noch nicht, eine Wirksamkeitsstudie der Phase II wird durchgeführt.

Fazit

Die drei Studien zeigen die biologische Wirksamkeit neuer, ursächlicher Behandlungsansätze. Ob sie letztlich zu der gewünschten klinischen Wirksamkeit auf das Fortschreiten der jeweiligen Krankheitssymptome führen, muss sich allerdings in folgenden Studien zeigen.

Quelle

Prof. Dr. Günter U. Höglinger, Hannover. Fachpressekonferenz im Rahmen des 92. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 27. September 2019, Stuttgart.

Literatur

1. Boxer AL, et al. Safety of the tau-directed monoclonal antibody BIIB092 in progressive supranuclear palsy: a randomised, placebo-controlled, multiple ascending dose phase 1b trial. Lancet Neurol 2019;18:549–58.

2. Levin J, et al. Safety and efficacy of epigallocatechin gallate in multiple system atrophy (PROMESA): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2019;18:724–35.

3. Tabrizi SJ, et al. Targeting Huntingtin expression in patients with Huntington’s disease. N Engl J Med 2019;380:2307–16.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(01):33-40