Migräne

Therapie der akuten Migräneattacke mit dem oralen CGRP-Rezeptorantagonisten Rimegepant


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Der CGRP(Calcitonin gene-related peptide)-Rezeptorantagonist Rimegepant ist in der Behandlung akuter Migräneattacken wirksam. Die Substanz wirkt nicht nur auf Kopfschmerzen, sondern auch auf die Begleitsymptome der Migräneattacke, wie in einer Phase-III-Studie nachgewiesen wurde.

Die Therapie akuter Migräneattacken erfolgt mit Analgetika und nichtsteroidalen Antirheumatika wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen oder Diclofenac. Patienten, bei denen diese Medikamente nicht wirksam sind, werden mit Serotonin-1B/1D-Agonisten („Triptanen“) behandelt. Triptane sind sehr gut wirksam und haben ein gutes Sicherheitsprofil. Sie sind allerdings bei Patienten mit schwerwiegenden vaskulären Erkrankungen kontraindiziert, da sie unter anderem vasokonstriktive Eigenschaften haben. Daher war es wichtig, neue Medikamente zur Behandlung von Migräneattacken zu entwickeln, die auch bei Patienten mit vaskulären Erkrankungen und vaskulären Risikofaktoren eingesetzt werden können. Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP) spielt eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Migräne. Während akuter Migräneattacken wird CGRP ausgeschüttet. CGRP ist ein potenter Vasodilatator.

Bereits vor 15 Jahren wurden die ersten CGRP-Rezeptorantagonisten zur Behandlung von Migräneattacken entwickelt [4]. Sie waren in der Therapie akuter Migräneattacken wirksam. Eingeschränkt wurde die Weiterentwicklung zunächst dadurch, dass einige der Substanzen oral nicht gut resorbiert wurden und es bei anderen in der Langzeitanwendung zu einer Erhöhung der Leberenzyme kam. Jetzt wird eine neue Generation von CGRP-Rezeptorantagonisten entwickelt und in der Behandlung akuter Migräneattacken erprobt. Rimegepant ist eine dieser neuen Substanzen [1, 2], deren Wirksamkeit und Verträglichkeit jetzt in einer Phase-III-Studie geprüft wurde.

Studiendesign

Es handelte sich um eine multizentrische, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie mit erwachsenen Patienten mit Migräne, bei denen die Erkrankung seit mindestens einem Jahr bestand und die zwischen zwei und acht Migräneattacken pro Monat hatten. Die Patienten erhielten zur Behandlung der Migräneattacke entweder 1-mal 75 mg Rimegepant oder Placebo. Mithilfe eines elektronischen Tagebuchs dokumentierten sie vor der Einnahme und bis zu 48 Stunden danach in vorgegebenen Intervallen die Schmerzstärke und das am stärksten beeinträchtigende Begleitsymptom (Lärmempfindlichkeit, Lichtscheu, Übelkeit). Der primäre Endpunkt der Studie war der Prozentsatz der Patienten, die nach zwei Stunden kopfschmerzfrei waren und nicht mehr das initial am stärksten beeinträchtigende Begleitsymptom aufwiesen.

Ergebnisse

In die Studie wurden 1186 Patienten aufgenommen, von denen 594 Rimegepant und 592 Placebo erhielten. Das mittlere Alter der Patienten betrug 40,6 Jahre und 89 % waren Frauen. Die mittlere Zahl der Migräneattacken pro Monat betrug 4,5 bei einer durchschnittlichen Dauer unbehandelter Migräneattacken von 32 Stunden. Das am häufigsten angegebene beeinträchtigende Begleitsymptom war mit 52 % Lichtempfindlichkeit, gefolgt von Übelkeit mit 30 % und Lärmempfindlichkeit mit 15 %. Die restlichen Patienten machten keine Angaben zu dem Symptom, das sie am meisten beeinträchtigte.

Schmerzfreiheit nach zwei Stunden erzielten 105 von 537 Patienten entsprechend 19,6 % mit Rimegepant und 64 von 535 Patienten entsprechend 12,0 % unter Placebo. Die absolute Differenz von 7,6 Prozentpunkten war mit einem p-Wert von < 0,001 signifikant (95%-Konfidenzintervall 3,3–11,9). Der Prozentsatz der Patienten, bei denen das am meisten beeinträchtigende Begleitsymptom nach zwei Stunden nicht mehr bestand, betrug 37,6 % in der Rimegepant-Gruppe und 25,2 % in der Placebo-Gruppe. Dies entspricht einer absoluten Differenz von 12,4 Prozentpunkten (95%-KI 6,9–17,9; p < 0,001).

Über Nebenwirkungen berichteten 93 von 543 Patienten (17,1 %) in der Rimegepant-Gruppe und 77 von 543 Patienten (14,2 %) in der Placebo-Gruppe. Die häufigsten genannten Nebenwirkungen waren Übelkeit und Harnwegsinfekte. Bei 13 Patienten in der Rimegepant-Gruppe und 12 Patienten in der Placebo-Gruppe kam es zu einer Erhöhung der Leberwerte.

Kommentar

Die hier vorliegende Studie ist die größte bisher durchgeführte Studie mit einem „Gepant“. Zweifelsfrei ist Rimegepant wirksam. Die Wirksamkeit war allerdings deutlich geringer, als es für Sumatriptan bekannt ist. So betrug der Prozentsatz der Patienten, die nach zwei Stunden mit Sumatriptan 100 mg oral schmerzfrei waren, 30 bis 35 % [3], war also um 10 bis 15 Prozentpunkte höher als in der vorliegenden Studie mit Rimegepant. Leider wurde in der vorliegenden Studie kein direkter Vergleich mit einem Triptan wie Sumatriptan angestellt. Daher kann nur spekuliert werden, dass Rimegepant wahrscheinlich schwächer wirksam ist als Triptane. Die Zielgruppe für Rimegepant sind sehr wahrscheinlich Patienten, die Kontraindikationen gegen die Gabe eines Triptans haben. Ob die Substanz auch bei Patienten wirkt, bei denen Triptane nicht wirksam sind, kann anhand des Studiendesigns nicht entschieden werden.

Quelle

Lipton RB, et al. Rimegepant, an oral calcitonin gene-related peptide receptor antagonist, for migraine. N Engl J Med 2019;381:142–9.

Literatur

1. Croop R, et al. Efficacy, safety, and tolerability of rimegepant orally disintegrating tablet for the acute treatment of migraine: a randomised, phase 3, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet published online July 13, 2019; doi: https://doi.org/10.1016/S0140–6736(19)316006–X.

2. Edvinsson L. Rimegepant oral disintegrating tablet for migraine. Lancet available online July 13, 2019. https://doi.org/10.1016/S0140–6736(19)31611–3.

3. Ferrari MD, et al. Oral triptans (serotonin 5-HT(1B/1D) agonists) in acute migraine treatment: a meta-analysis of 53 trials. Lancet 2001;358:1668-75.

4. Olesen J, et al. Calcitonin gene-related peptide receptor antagonist BIBN 4096 BS for the acute treatment of migraine. N Engl J Med 2004;350:1104–10.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(05):307-311