Opioidabhängigkeit

Substitutionstherapie mit subkutanem Depot-Buprenorphin


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Zur Substitutionstherapie bei Opioidabhängigkeit steht der partielle µ-Opioidrezeptoragonist Buprenorphin seit Kurzem auch als Depotformulierung zur subkutanen Gabe zur Verfügung. Die Nichtunterlegenheit der Depotformulierung im Vergleich zu sublingualem Buprenorphin/Naloxon wurde in einer randomisierten, Double-Dummy-kontrollierten Doppelblindstudie nachgewiesen.

Zur Substitutionstherapie von opioidabhängigen Patienten wird in Deutschland in fast einem Viertel der Fälle Buprenorphin eingesetzt [1]. Der partielle µ-Opioidrezeptoragonist steht für die Substitutionstherapie seit Längerem in Form von Sublingualtabletten mit oder ohne Zusatz des Opioidantagonisten Naloxon zur Verfügung. Seit Ende 2018 gibt es auch eine Depotformulierung zur subkutanen Gabe, und zwar in den Dosierungen 8, 16, 24 und 32 mg (Volumen 0,16–0,64 ml) zur wöchentlichen Anwendung sowie 64, 96 und 128 mg (0,18–0,36 ml) zur monatlichen Anwendung. Die spezielle lipidbasierte Buprenorphin-Lösung wandelt sich nach subkutaner Gabe in der wässrigen Umgebung in ein flüssigkristallines Gel um, aus dem der Wirkstoff protrahiert freigesetzt wird [2].

In einer randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie prüften Lofwall et al. die Depotformulierung auf Nichtunterlegenheit der Wirksamkeit im Vergleich zu sublingualem Buprenorphin/Naloxon.

Studiendesign

An der Studie nahmen in 35 US-amerikanischen Zentren 428 Probanden teil, die sich wegen einer moderat bis stark ausgeprägten Opioidabhängigkeit behandeln lassen wollten, für eine Substitutionstherapie mit Buprenorphin infrage kamen und eine sublinguale Testdosis von 4 mg Buprenorphin und 1 mg Naloxon vertragen hatten. Nach Randomisierung erhielten sie über 24 Wochen im Double-Dummy-Design

  • Buprenorphin-Depot subkutan und Placebo sublingual (Verum-Gruppe; n = 215) oder
  • Placebo subkutan und Buprenorphin/Naloxon sublingual (Kontrollgruppe; n = 213)

Die Verum-Gruppe erhielt am ersten Tag 16 mg und am vierten Tag 8 mg Buprenorphin-Depot. In der Kontrollgruppe wurde die sublinguale Buprenorphin-Dosis in den ersten vier Tagen schrittweise auf 16 mg/Tag eingestellt. Im weiteren Verlauf wurde die Dosis nach Bedarf angepasst. Die Teilnehmer der Verum-Gruppe erhielten in Woche 1 bis 11 einmal wöchentlich 16, 24 oder 32 mg Buprenorphin-Depot subkutan, in Woche 12 bis 24 einmal monatlich 64, 96, 128 oder 160 mg Buprenorphin-Depot subkutan. In der Kontrollgruppe betrug die tägliche Dosis 8, 16 oder 24 mg Buprenorphin sublingual. Der Wochen- bzw. Monatsbedarf an Sublingualtabletten wurde den Probanden bei den wöchentlichen (Woche 1–11) beziehungsweise monatlichen Visiten (Woche 12–24) ausgehändigt. Bei jeder Visite erfolgte außerdem eine Manual-gestützte individuelle Beratung zur Opioidabhängigkeit.

Die primären Endpunkte waren, entsprechend den Anforderungen der Zulassungsbehörden:

  • Der mittlere Anteil von Urinproben ohne Nachweis illegaler Opioide in den Wochen 1 bis 24 (Anforderung der EMA)
  • Die Ansprechrate; diese war definiert als fehlender Hinweis auf Gebrauch illegaler Opioide (Urinprobe plus Selbstauskunft) zu bestimmten Zeitpunkten im Studienverlauf (Anforderung der FDA)

Studienergebnisse

Von den 428 Teilnehmern beendeten 69,0 % in der Verum-Gruppe und 72,6 % in der Kontrollgruppe die 24-wöchige Behandlungsphase. Die durchschnittliche Buprenorphin-Dosis in Phase 1 (Woche 1–11) und Phase 2 (Woche 12–24) betrug 18,5 mg bzw. 19,6 mg pro Tag bei sublingualer Anwendung und 18,8 mg/Woche bzw. 108,4 mg/Monat bei subkutaner Depot-Gabe. Die Buprenorphin-Exposition war damit pharmakokinetischen Daten zufolge in beiden Gruppen ähnlich.

Die Intention-to-treat-Analyse ergab für die primären Endpunkte:

  • Der Anteil Opioid-negativer Urinproben in Woche 1 bis 24 betrug 35,1 % in der Verum-Gruppe und 28,4 % in der Kontrollgruppe, mit einem Unterschied von 6,7 Prozentpunkten (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] –0,1 bis 13,6). Damit war die Nichtunterlegenheit der subkutanen Depotgabe nachgewiesen (Nichtunterlegenheitsgrenze –11 Prozentpunkte).
  • Die Ansprechrate nach FDA-Kriterien betrug 17,4 % in der Verum-Gruppe und 14,4 % in der Kontrollgruppe (Unterschied 3,0 Prozentpunkte [95%-KI –4,0 bis 9,9]. Auch hier wurden die Kriterien der Nichtunterlegenheit erfüllt (Nichtunterlegenheitsgrenze –10 Prozentpunkte).

Unter dieser Prämisse wurde der sekundäre Endpunkt „kumulative Verteilungsfunktion (CDF) der Proben ohne Hinweis auf Gebrauch illegaler Opioide in Woche 4 bis 24“ auf Überlegenheit des Buprenorphin-Depotpräparats geprüft. Die Überlegenheit wurde mit p = 0,004 bestätigt.

Der Unterschied im Anteil Opioid-negativer Urinproben zugunsten der Depotgabe war in Phase 2 mit monatlichen Visiten deutlicher als in Phase 1 mit wöchentlichen Visiten:

  • Phase 1: 35,8 % vs. 29,9 %; Differenz 5,9 Prozentpunkte (95%-KI –1,3 bis 13,1), p = 0,11
  • Phase 2: 33,9 % vs. 25,4 %; Differenz 8,5 Prozentpunkte (95%-KI 1,2 bis 15,7), p = 0,02

Die häufigsten Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Obstipation, Übelkeit und weitere Reaktionen (Juckreiz, Rötung) an der Injektionsstelle.

Kommentar

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die subkutane Gabe eines Buprenorphin-Depotpräparats in der Substitutionstherapie von Opioidabhängigen mindestens so wirksam ist wie die etablierte Anwendung von Buprenorphin/Naloxon-Sublingualtabletten. Das Präparat darf nur durch medizinisches Fachpersonal angewendet werden. Der damit zwangsläufig einhergehende regelmäßige Kontakt mit dem Patienten stellt die Adhärenz sicher. Vorteile hat die Depottherapie auch, wenn aufgrund der Lebensumstände eine eigenverantwortliche tägliche orale Anwendung nicht infrage kommt; die Studienautoren nennen hier unter anderem Personen, die ihre Medikation nicht sicher lagern können, und erwähnen, dass auch bei unerwarteten Ereignissen wie einer Inhaftierung mit der Depottherapie eine länger anhaltende Substitution sichergestellt ist.

Das Konzept der Depot-Substitution wird zukünftig noch auf längere Intervalle erweitert werden können: Ende April erteilte der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) die Empfehlung zur europäischen Zulassung eines subkutanen Buprenorphin-Implantats, das stabile Wirkstoffspiegel für ein halbes Jahr gewährleistet [3]. Für welche Patienten welche Form der Substitutionstherapie am besten geeignet ist, wird eine individuelle Entscheidung bleiben. In jedem Fall bedürfen die Patienten neben der Opioid-Substitution auch medizinischer, sozialer und psychotherapeutischer Maßnahmen.

Quelle

Lofwall MTR, et al. Weekly and monthly subcutaneous buprenorphine depot formulations vs daily sublingual buprenorphine with naloxone for treatment of opioid use disorder. JAMA Intern Med 2018;178:764–73.

Literatur

1. Bundesopiumstelle. Bericht zum Substitutionsregister (Januar 2019). www.bfarm.de (Zugriff am 13.05.2019).

2. European Medicines Agency. Assessment Report Buvidal. EMA/693347/2018.

3. European Medicines Agency. https://www.ema.europa.eu/en/news/new-long-lasting-implant-treat-opioid-dependence (Pressemitteilung vom 26.04.2019; Zugriff am 13.05.2019).

Psychopharmakotherapie 2019; 26(03):165-173