Exzessive Müdigkeit bei Narkolepsie

Solriamfetol verringert Einschlafneigung und Tagesschläfrigkeit


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Der neue Dopamin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Solriamfetol ist wirksam in der Behandlung der exzessiven Tagesschläfrigkeit bei Narkolepsie. In einer zulassungsrelevanten Phase-III-Studie ergaben sich hochsignifikante Besserungen bei der im Schlaflabor gemessenen Einschlafneigung und der subjektiv beurteilten Tagesschläfrigkeit im Vergleich zu Placebo. Als Nebenwirkungen traten unter anderem Kopfschmerzen, Appetitverlust und trockener Mund auf.

Exzessive Müdigkeit und Tagesschläfrigkeit gehören zu den Leitsymptomen der Narkolepsie. Für die symptomatische Behandlung stehen unter anderem Methylphenidat, Modafinil und (in den USA) Amphetamine und Armodafinil zur Verfügung. Limitiert wird deren Einsatz bei einigen Patienten aufgrund von Intoleranz, Suchtentwicklung und einer nicht ausreichenden Response.

Nun wurde mit Solriamfetol ein weiteres Medikament zur Behandlung der exzessiven Müdigkeit bei Narkolepsie (und bei obstrukiver Schlafapnoe) entwickelt. Solriamfetol ist ein selektiver Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, der seine Wirksamkeit und Sicherheit bereits in ersten klinischen Studien unter Beweis gestellt hat. Nun wurden die Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie TONES 2 publiziert.

Methodik

Teilnehmer der multizentrischen und multinationalen Studie (NCT02348593) waren erwachsene Patienten mit einer Narkolepsie vom Typ 1 oder 2 (Narkolepsie mit und ohne Kataplexie) und einer durchschnittlichen Schlaflatenz von unter 25 Minuten im multiplen Wachbleibetest (Maintenance of wakefulness test; MWT), einem Score von 10 oder höher in der Epworth Sleepiness Scale (ESS; Skala von 0 bis 24, Werte ab 16 kennzeichnen eine exzessive Tagesschläfrigkeit) und einer nächtlichen Schlafzeit von normalerweise mindestens sechs Stunden. Randomisiert erhielten sie Solriamfetol in Dosierungen von einmal täglich 75, 150 oder 300 mg oder Placebo.

Die primären Endpunkte umfassten die durchschnittlichen Veränderungen im MWT und ESS jeweils von Studienbeginn bis Woche 12. Die Veränderungen in der Gesamteinschätzung durch die Patienten, gemessen anhand des Patient-Global-Impression-of-Change-(PGI-C-)Fragebogens, bildete den wichtigsten sekundären Endpunkt.

Ergebnisse

Die Daten von 231 bzw. 236 Patienten wurden in der modifizierten Intention-to-treat-Analyse (Probanden mit mindestens einer Dosis ihrer Studienmedikation) bzw. der Sicherheitsanalyse ausgewertet. Positive Veränderungen in MWT und ESS von Studienbeginn bis Woche 12 traten in den Gruppen mit der 150- und 300-mg-Dosierung auf:

  • Die Wachbleibezeit im MWT stieg von 7,7 bzw. 8,7 Minuten um 9,8 ± 1,3 Minuten (150 mg) bzw. 12,3 ± 1,4 Minuten (300 mg), mit Placebo um 2,1 ± 1,3 Minuten (Veränderungen als Least-Square-Means ± Standardfehler [SE]).
  • Der ESS-Score sank von 16,9 bzw. 17,2 um 5,4 ± 0,7 Punkte (150 mg) bzw. 6,4 ± 0,7 Punkte (300 mg), mit Placebo um 1,6 ± 0,7 Punkte.

Die Vergleiche mit Placebo ergaben jeweils einen statistisch signifikanten Unterschied (p < 0,0001). Im PGI-C berichteten mehr Patienten der 300- bzw. 150-mg-Gruppe über eine Verbesserung im Vergleich zu Placebo (84,7 % bzw. 78,2 % vs. 39,7 %; beide p < 0,0001).

Häufigere Nebenwirkungen in allen drei Verum-Gruppen waren Kopfschmerzen (21,5 %), Übelkeit (10,7 %), verringerter Appetit (10,7 %), Nasopharyngitis (9,0 %), trockener Mund (7,3 %) und Angst (5,1 %).

Diskussion und Fazit der Autoren

Solriamfetol erwies sich in der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie TONES 2 in der Behandlung der exzessiven Müdigkeit bei Narkolepsie als wirksam und sicher und kann damit das Therapiearsenal dieser vergleichsweise seltenen neurologischen Erkrankung bereichern. Der duale Dopamin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer zeigte in den Dosierungen 150 und 300 mg hochsignifikante Effekte bei den primären Endpunkten Veränderungen in MWT und ESS. Auch unter der 75-mg-Dosierung ergab sich im Placebo-Vergleich noch eine positive Veränderung in der ESS, nicht aber im MWT. Die dosisabhängige Wirkung war bereits nach einer Woche nachweisbar.

Im historischen Vergleich ist die Wirkung von Solriamfetol damit besser als die von Modafinil, dem weltweit am häufigsten verordneten Narkolepsie-Medikament, stellen die Autoren fest. Die Nebenwirkungen sind typisch für wachhaltende Psychostimulanzien – berichtet wurde unter anderem über nachlassenden Appetit und trockenen Mund, auch ein leichter Blutdruckanstieg war zu verzeichnen. Ob die Wirksamkeit stabil auch über einen längeren Zeitraum anhält, wird in einer bereits laufenden Studie überprüft.

Wirkstoff gegen exzessive Schläfrigkeit

Die TONES-2-Studie ist Teil des TONES(Treatment of obstructive sleep apnea and narcolepsy excessive sleepiness)-Studienprogramms für Solriamfetol. Ihre Publikation erfolgte zeitlich passend zur Zulassung von Solriamfetol in den USA im März 2019. Die Substanz ist demnach indiziert zur Behandlung von Erwachsenen mit exzessiver Tagesschläfrigkeit in Zusammenhang mit Narkolepsie oder obstruktiver Schlafapnoe. Studien zur obstruktiven Schlafapnoe wurden bereits Ende 2018 veröffentlicht.

Der europäische Zulassungsantrag wird zurzeit geprüft. (Red.)

Quelle

Thorpy MJ, et al. A randomized study of solriamfetol for excessive sleepiness in narcolepsy. Ann Neurol 2019;85:359–70.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(03):165-173