Multiple Sklerose (MS)

Ocrelizumab bei schubförmiger und primär progredienter MS


Dr. Anja Schäfer, Heppenheim

Mit dem humanisierten monoklonalen Anti-CD20-Antikörper Ocrelizumab kann nachweislich die Krankheitsaktivität bei der schubförmig verlaufenden multiplen Sklerose (RMS) und erstmals auch bei der primär progredienten multiplen Sklerose (PPMS) verringert werden. Dies belegen Daten des klinischen Phase-III-Entwicklungsprogramms ORCHESTRA. Die Anwendung von Ocrelizumab und erste Erfahrungen aus der Praxis erörterten Experten bei einem von Roche veranstalteten Symposium im Rahmen der Neurowoche 2018.

Ocrelizumab (Ocrevus®) bindet gezielt an das CD20-Antigen auf B-Zellen, die eine entscheidende Rolle beim Krankheitsgeschehen der MS einnehmen. Da CD20 von B-Zellen nur in bestimmten Entwicklungsphasen exprimiert wird, bleiben bei der Behandlung mit Ocrelizumab aber sowohl die Fähigkeit zur B-Zell-Rekonstitution als auch das immunologische Langzeitgedächtnis weitestgehend erhalten [4].

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Ocrelizumab bei MS wurde in dem klinischen Phase-III-Entwicklungsprogramm ORCHESTRA untersucht, das die beiden identischen Studien OPERA I und OPERA II bei Patienten mit RMS [4] und die ORATORIO-Studie an PPMS-Patienten beinhaltet [6].

Schneller Wirkbeginn mit Ocrelizumab

In den Studien OPERA I und II wurde Ocrelizumab bei RMS-Patienten gegenüber Interferon beta-1a (Rebif®) geprüft. Der Antikörper verringerte dabei signifikant die Krankheitsaktivität und Behinderungsprogression verglichen mit dem Basistherapeutikum [4]. Des Weiteren belegen die Studien einen raschen Wirkeintritt von Ocrelizumab bezogen auf die klinische Aktivität der MS. Der Effekt der Antikörpertherapie zeigte sich bereits in den ersten acht Wochen nach Behandlungsbeginn (Kasten) durch eine signifikante Reduktion der jährlichen Schubrate verglichen mit dem etablierten Interferon [3].

Dosierung von Ocrelizumab

Die Initialdosis von 600 mg Ocrelizumab wird in Form von zwei getrennten intravenösen Infusionen von jeweils 300 mg im Abstand von zwei Wochen verabreicht.

Folgedosen werden als intravenöse Einmalinfusionen von 600 mg Ocrelizumab alle sechs Monate gegeben (Mindestabstand 5 Monate). Dabei soll die erste Folgedosis sechs Monate nach der ersten Infusion der Initialdosis gegeben werden.

An die zweijährige doppelblinde Prüfphase der OPERA-Studien schloss sich eine offene Verlängerungsphase (OLE) an, in der Patienten aus dem Vergleichsarm zu Ocrelizumab wechseln konnten. Bei diesen Patienten ging die Anzahl Kontrastmittel-aufnehmender Läsionen auf das Niveau zurück, welches die Antikörper-Gruppe schon zuvor erreicht hatte. Durch den Wechsel zu Ocrelizumab wurden außerdem neue und sich vergrößernde T2-Läsionen bei den Patienten, die vorher Interferon erhalten hatten, schon im ersten Jahr der OLE signifikant reduziert [1].

Bedeutende Weiterentwicklung für die PPMS-Therapie

In der ORATORIO-Studie wurde Ocrelizumab zur Therapie der PPMS im Vergleich zu Placebo untersucht. Das Risiko für eine Behinderungsprogression (bestätigt nach 12 Wochen) in der mindestens 120-wöchigen Studiendauer konnte dabei mit dem Antikörper um 24 % reduziert werden (p = 0,03) [6]. Bei Patienten, deren Zustand sich vor Studienbeginn stärker verschlechtert hatte, war der positive Effekt durch die Therapie mit Ocrelizumab sogar noch größer (Risikoreduktion 48 %) [5]. Auch das Volumen von T2-Läsionen nahm unter Ocrelizumab um 3,4 % ab, während es mit Placebo um 7,4 % zunahm (p < 0,001) [6]. Ein weiterer wichtiger Faktor für PPMS-Patienten ist die Fatigue. Während diese unter Placebo stärker wurde, konnte die Fatigue mit Ocrelizumab sogar leicht verringert werden [2].

Quelle

Prof. Dr. Martin Marziniak, München, Prof. Dr. Ingo Kleiter, Kempfenhausen, Dr. Stefan Ries, Groß-Umstadt, Symposium „Ocrelizumab – die praktische Anwendung b-leuchtet: aus der Praxis für Ihre Praxis“, veranstaltet von Roche im Rahmen der Neurowoche 2018, Berlin, 1. November 2018.

Literatur

1. Arnold D, et al. AAN 2018; S6.002.

2. de Seze J, et al. ECTRIMS 2016; P1279.

3. Hauser SL, et al. AAN 2017; S31.002.

4. Hauser SL, et al. N Engl J Med 2017;376:221–34.

5. Kappos L, et al. EAN 2017; Platform presentation O1216.

6. Montalban X, et al. N Engl J Med 2017;376:209–20.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(02):104-113