Schubförmige multiple Sklerose

Fingolimod versus Interferon beta-1a bei Kindern und Jugendlichen


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren und schubförmiger multipler Sklerose (MS) ist eine immunmodulatorische Therapie mit Fingolimod über einen Zeitraum von zwei Jahren besser wirksam als eine Behandlung mit Interferon beta-1a. Allerdings hat Fingolimod mehr unerwünschte Arzneimittelwirkungen.

Bei 3 bis 5 % aller Patienten mit multipler Sklerose beginnt diese in der späten Kindheit oder in der Adoleszenz. In dieser Altersgruppe verläuft die MS üblicherweise schubförmig. Die meisten bei Erwachsenen zugelassenen krankheitsmodifizierenden parenteralen Therapien sind auch für die Behandlung von Jugendlichen im Alter von > 12 Jahren zugelassen, obwohl es dazu keine randomisierten kontrollierten Studien gibt, sondern nur retrospektive Datenerhebungen oder offene Studien. Auch bei jugendlichen Patienten ist es jedoch wichtig, randomisierte Studien durchzuführen. Bei verfügbaren wirksamen Therapien sind allerdings Placebo-kontrollierte Studien ethisch nicht vertretbar. Fingolimod (Gilenya®) ist ein oral applizierbarer Sphingosin-1-Phosphatrezeptor-Modulator, der für die schubförmige multiple Sklerose bei Erwachsenen zugelassen ist. Dies gilt auch für Interferon beta-1a, das intramuskulär appliziert wird.

Studiendesign

PARADIGMS ist eine randomisierte, multizentrische, doppelblinde Parallelgruppenstudie der Phase III im Double-Dummy-Design, die von Novartis unterstützt wurde. Eingeschlossen wurden MS-Patienten im Alter zwischen 10 und 17 Jahren. Die Jugendlichen erhielten entweder Fingolimod 0,5 mg oral pro Tag (n = 107) oder 30 µg Interferon beta-1a intramuskulär einmal wöchentlich (n = 108) über einen Zeitraum von zwei Jahren. Kinder mit einem Körpergewicht unter 40 kg erhielten 0,25 mg Fingolimod. Primärer Endpunkt war die jährliche Schubrate der multiplen Sklerose.

Ergebnisse

Die 215 Patienten waren im Mittel 15,3 Jahre alt. 62 % waren weiblich. Die multiple Sklerose bestand im Mittel seit 1,2 Jahren. Ein Drittel der Patienten war mit Interferon vorbehandelt. Die mediane Zahl der Schübe in den zwei Jahren vor dem Einschluss betrug 2,4. In der Kernspintomographie wiesen die Patienten im Median einen (1) Gadolinium-aufnehmenden Herd auf.

Unter der Behandlung mit Fingolimod betrug die jährliche Schubrate 0,12 und unter Interferon beta-1a 0,67 mit einer absoluten Differenz von 0,55 Schüben und einer relativen Differenz von 82 %. Dieser Unterschied war statistisch signifikant (p < 0,001). Die jährliche Rate neuer oder vergrößerter Läsionen in den T2-gewichteten MR-Aufnahmen betrug 4,39 unter Fingolimod und 9,27 unter Interferon beta-1a mit einer absoluten Differenz von 4,88 Läsionen und einer relativen Differenz von 53 %, die ebenfalls signifikant war (p < 0,001).

Bei zwölf Patienten (12,2 %) in der Fingolimod-Gruppe und drei Patienten (2,8 %) in der Interferon-beta-1a-Gruppe musste die Behandlung wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen unterbrochen und bei fünf versus drei Patienten abgebrochen werden. In der Fingolimod-Gruppe kam es zu 18 schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen, in der Interferon-beta-1a-Gruppe zu sieben. In der Fingolimod-Gruppe traten bei vier Patienten schwerwiegende Infektionen, bei zwei Patienten eine Leukopenie und bei sechs Patienten epileptische Anfälle auf. In der Beta-Interferon-Gruppe kam es zu zwei schwerwiegenden Infektionen und zu einer supraventrikulären Tachykardie.

Kommentar

Dies ist die erste randomisierte Studie zur Behandlung der schubförmigen MS bei Kindern und Jugendlichen. Sie zeigt eindeutig und überzeugend, dass die orale Therapie mit Fingolimod einer intramuskulären Behandlung mit Interferon beta-1a in dieser Altersgruppe überlegen ist. Dies gilt sowohl für den primären Endpunkt als auch für den sekundären Endpunkt. Der Behandlungserfolg muss allerdings mit einer etwas erhöhten Rate von schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen erkauft werden. Bei Kindern und Jugendlichen ist wie bei Erwachsenen daher ein engmaschiges Monitoring der Therapie mit Fingolimod erforderlich. Dies findet im klinischen Alltag aber routinemäßig statt.

Quelle

Chitnis T, et al. Trial of fingolimod versus interferon beta-1a in pediatric multiple sclerosis. N Engl J Med 2018;379:1017–27.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(02):104-113