Multiple Sklerose

„Eine benigne MS gibt es nicht“


Christine Vetter, Köln

Bereits von Beginn an ist bei der schubförmig-remittierenden multiplen Sklerose (RRMS) eine Behandlung mit möglichst effektiver Eindämmung der Krankheitsaktivität zu starten, um die langfristige Prognose zu bessern. Denn bei praktisch allen Patienten ist von einem progredient verlaufenden Krankheitsbild auszugehen. Darauf wiesen Experten bei einem von Sanofi Genzyme veranstalteten Symposium im Rahmen des ECTRIMS 2018 hin.

Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass es auch eine benigne Form der multiplen Sklerose (MS) gibt, auch wenn dies laut Professor Dr. Patricia Coyle, Stony Brook/USA, immer wieder behauptet wird. Zwar gebe es MS-Formen, bei denen es kaum zu einer Zunahme körperlicher Behinderungen kommt. Doch auch bei Patienten mit vermeintlich benigner MS sind kognitive Einbußen im Sinne einer MS sowie Veränderungen in der Bildgebung im Bereich der kortikalen Neurone nachzuweisen [3]. Dass die Veränderungen bei einigen Patienten lange unentdeckt bleiben, ist durch die neurologische Reserve sowie die Aktivierung von Reparaturmechanismen bedingt.

Umso wichtiger ist es, die „therapeutischen Fenster“ bei der MS konsequent zu nutzen. So sollte nach der Diagnosestellung unbedingt eine effektive Therapie eingeleitet werden, deren Ziel die umfassende Krankheitskontrolle ist. Zeigt sich ein progredienter Verlauf, so ist eine Therapieoptimierung angezeigt, um die langfristige Prognose der Patienten positiv zu beeinflussen.

Langfristig den Krankheitsverlauf stabilisieren

Dass eine effektive Krankheitskontrolle langfristig möglich ist, belegen nach Professor Dr. Tjalf Ziemssen, Dresden, die Langzeitstudien zu Teriflunomid. Der Wirkstoff zeigt in Studien von bis zu zehn Jahren eine anhaltend gute klinische Wirksamkeit mit dauerhaft niedriger Schubrate und einem praktisch stabilen EDSS(Expanded disability status scale)-Score [6]. Teriflunomid besitzt außerdem ein konsistentes Sicherheitsprofil: Unerwartete, bis dato unbekannte Nebenwirkungen der Therapie traten auch in den Langzeitstudien nicht auf [5].

In der TERI-PRO-Studie wurde ferner eine zunehmende Therapiezufriedenheit ermittelt bei Patienten, die von einer anderen krankheitsmodulierenden Medikation auf Teriflunomid umgestellt wurden [4].

Die Krankheitsaktivität nachhaltig eindämmen

Liegt eine aktive MS vor, so hat sich nach Ziemssen eine Impulstherapie mit Alemtuzumab bewährt. Auch zu dieser Therapie, die in zwei Behandlungsphasen im Abstand von einem Jahr verabreicht wird, gibt es inzwischen Langzeitdaten. Sie dokumentieren ebenfalls eine über die gesamte Beobachtungszeit von nunmehr sechs Jahren nach dem Switch auf Alemtuzumab anhaltend niedrige Schubrate [7, 10].

Es resultierte ferner nicht nur eine Reduktion der Behinderungsprogression, sondern bei rund einem Drittel der Patienten sogar eine Besserung des Behinderungsgrads [2]. Alemtuzumab verlangsamt den Studien zufolge außerdem den Verlust an Hirnvolumen [7, 10]. Im Verlauf der sechsjährigen Extensionsstudien zeigten sich unter dem Antikörper keine neuen Sicherheitssignale [7, 10].

Real-World-Daten bestätigen die langfristige Stabilisierung der Erkrankung durch die Alemtuzumab-Impulstherapie. So resultierte auch in der Studie TREAT MS eine niedrige Schubrate und ein stabiler Behinderungsgrad [1].

Bei 56 % der Patienten war über die zwei Behandlungsphasen hinaus keine weitere MS-Therapie erforderlich. Patienten, bei denen eine dritte oder auch vierte Behandlungsphase notwendig war, sprachen erneut gut auf die Therapie an, wobei wiederum eine niedrige Schubrate und eine stabile Behinderungssituation erwirkt wurden [8, 9].

Quelle

Prof. Dr. Patricia Coyle, Stony Brook, USA, Prof. Dr. Tjalf Ziemssen, Dresden, Symposium „Switching MS treatments: patient trajectory, prior response and real-world evidence to inform decision-making“, veranstaltet von Sanofi Genzyme im Rahmen des 34. Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), Berlin, 12. Oktober 2018.

Literatur

1. Akgün K, et al. ECTRIMS 2018, P 952.

2. Coles A, et al. Lancet 2012;380:1829–39.

3. Correale J, et al. Mult Scler 2012;18:210–8.

4. Coyle P, et al. Mult Scler Relat Disord 2017;17:107–15.

5. Freedman M, et al. ECTRIMS 2018, P1233.

6. Oh J, et al. AAN 2018, Poster 391.

7. Oreja-Guevara C, et al. ECTRIMS 2018, P1239.

8. Schippling S, et al. ECTRIMS 2018, P628.

9. Traboulsee A, et al. ECTRIMS 2018, P948.

10. Van Wijmeersch B, et al. ECTRIMS 2018, P907.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(02):104-113