Hypo- und hyperaktives Delir bei Intensivpatienten

Antipsychotika insgesamt ohne Effekt


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Haloperidol und Ziprasidon haben bei beatmeten Intensivpatienten mit hypo- und hyperaktivem Delir keine Effekte auf die Dauer von Delir und Krankenhausaufenthalt. Das ist das Ergebnis einer randomisierten Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie. Möglicherweise spielen bei der Mehrzahl dieser Patienten zentralnervöse Dysbalancen außerhalb des Dopamin-Stoffwechsels eine zentrale Rolle bei der Delir-Symptomatik.

Bis zu 75 % der mechanisch beatmeten Intensivpatienten entwickelt ein Delir, verbunden mit erhöhter Morbidität und Mortalität. Vor allem bei den hyperaktiven Formen kommen das klassische Antipsychotikum Haloperidol sowie Atypika wie Olanzapin, Quetiapin oder Ziprasidon zum Einsatz. Die wissenschaftliche Evidenz für einen Erfolg der Medikamente in diesem Setting ist allerdings mehr als dürftig, ein Nutzen lässt sich bisher nicht belegen. Um hier klare Empfehlungen geben zu können, initiierte ein multidisziplinäres Expertenteam in den USA eine große, randomisierte und Placebo-kontrollierte Vergleichsstudie unter der Annahme, dass typische und atypische Antipsychotika im Vergleich zu Placebo Deliriumepisoden verkürzen und die Behandlungsergebnisse verbessern.

Methodik

Einbezogen in die randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie (Tab. 1) waren Intensivpatienten mit unzureichender Spontanatmung oder Schock und einem hyper- oder hypoaktiven Delir, die entweder i. v. Injektionen mit Haloperidol (maximal 20 mg/Tag) oder Ziprasidon (maximal 40 mg/Tag) oder Placebo erhielten.

Tab. 1. Studiendesign [Girad TD et al. 2018]

Erkrankung

Hyper- oder hypoaktives Delir

Studienziel

Wirksamkeit von Antipsychotika bei beatmeten Intensivpatienten

Studientyp/Design

Randomisiert, doppelblind

Patienten

1183

Intervention

  • Haloperidol
    (maximal 20 mg/Tag)
  • Ziprasidon
    (maximal 40 mg/Tag)
  • Placebo

Primärer Endpunkt

Anzahl der lebend verbrachten Tage innerhalb der 14-tägigen Interventionsphase

In 12-stündigen Intervallen wurde das mögliche Weiterbestehen des deliranten Zustands mithilfe der Confusion Assessment Method für Intensivpatienten überprüft und Medikationsdosis sowie Injektionsvolumen entsprechend dem Ergebnis verdoppelt oder halbiert. Zusätzlich wurden mögliche Nebenwirkungen protokolliert.

Primärer Endpunkt war die Anzahl der lebend verbrachten Tage innerhalb der 14-tägigen Interventionsphase, an denen keine Anzeichen für ein Delir oder Koma vorlagen.

Ergebnisse

Von den 1183 rekrutierten Patienten entwickelten insgesamt 48 % ein Delir, davon 89 % ein hypoaktives und 11 % ein hyperaktives Delir, und erhielten dann randomisiert Haloperidol, Ziprasidon oder Placebo. Die mediane Medikationsexpositionszeit lag bei vier Tagen (Interquartilsabstand 3 bis 7). Die mediane Anzahl von lebend verbrachten Tagen ohne Delir oder Koma betrug in der Placebo-Gruppe 8,5 (95%-Konfidenzintervall [KI] 5,6–9,9), in der Haloperidol-Gruppe 7,9 (95%-KI 4,4–9,6) und in der Ziprasidon-Gruppe 8,5 (95%-KI 5,9–10,0), entsprechend einem p-Wert von 0,26 für den Gesamteffekt über alle drei Behandlungsgruppen. Der Einsatz von Haloperidol oder Ziprasidon zeigte im Vergleich zu Placebo keinen Einfluss auf den primären Endpunkt Delir oder Koma, die Odds-Ratios betrugen 0,88 (95%-KI 0,64–1,21) und 1,04 (95%-KI 0,73–1,48). Bei den sekundären Endpunkten wie 30- und 90-Tage-Überleben, Zeit ohne mechanische Beatmung und Zeit bis zum Verlassen der Intensivstation und des Krankenhauses ließen sich ebenfalls keine Unterschiede feststellen. Auch bei der Häufigkeit von Nebenwirkungen wie extrapyramidalen Symptomen oder übermäßige Sedierung bestanden keine Differenzen.

Diskussion

Ziprasidon oder Haloperidol haben bei Intensivpatienten mit künstlicher Beatmung oder im Schock weder einen über Placebo hinausgehenden Effekt auf die Dauer des Delirs noch auf die verbrachte Zeit auf der Intensivstation. Das gilt sowohl für hypoaktive als auch für hyperaktive Zustände. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit vorangegangenen Placebo-kontrollierten Studien und stellen die seit rund 40 Jahren praktizierte Antipsychotika-Medikation von deliranten, beatmeten Intensivpatienten infrage.

Eine Erklärung für die Ergebnisse könnte der Umstand sein, dass der von den Antipsychotika primär modulierte, Dopamin-abhängige Signalweg im Rahmen der delirfördernden Dysfunktionen des Gehirns bei den Intensivpatienten insgesamt keine große Rolle spielt, oder dass bei diesen Patienten zumindest eine sehr heterogene Pathogenese im Spiel ist.

So kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass bestimmte Patienten-Subgruppen nicht doch von einer antipsychotischen Medikation profitieren. Dazu gehören nicht intubierte Patienten mit hyperaktivem, mit Wahnvorstellungen oder Halluzinationen einhergehendem Delir oder Patienten im Alkoholentzug. Auch höhere Haloperidol-Dosen von mehr als 20 mg täglich können im Einzelfall noch hilfreich sein.

Quelle

Girad TD, et al. Haloperidol and ziprasidon for treatment of delirium in critical illness. N Engl J Med published online October 22, 2018; doi 10.1056/NEJMoa1 808 217.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(02):104-113