Amyotrophe Lateralsklerose

Zusatztherapie mit Rasagilin ohne Nutzen


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS), die mit Riluzol behandelt werden, ist die zusätzliche Behandlung mit Rasagilin einer Therapie mit Placebo nicht überlegen. Das ergab eine randomisierte Phase-II-Studie, die in Deutschland durchgeführt wurde.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine progrediente neurodegenerative Erkrankung, die sowohl Pyramidenzellen im motorischen Kortex als auch Motoneurone im Rückenmark betrifft. Klinisch manifestiert sich die Krankheit mit rasch progredienten Paresen und Muskelatrophien. Die mittlere Überlebenszeit beträgt zwei bis drei Jahre. Die einzige zugelassene Therapie der ALS erfolgt mit dem NMDA-Rezeptorantagonisten Riluzol (Rilutek®). Rasagilin (Azilect®) ist ein Monoaminoxidase-B-Hemmer, der für die Behandlung des Parkinson-Syndroms zugelassen ist. In einem Mausmodell der amyotrophen Lateralsklerose war Rasagilin wirksam. Daher war es angebracht eine entsprechende Therapiestudie am Menschen durchzuführen.

Studiendesign

Die Studie wurde durch das Deutsche Netzwerk für Motoneuronen-Erkrankungen (MND-NET) initiiert. An der randomisierten, Placebo-kontrollierten, doppelblinden Studie nahmen 15 ALS-Zentren in Deutschland teil. Eingeschlossen wurden ALS-Patienten im Alter über 18 Jahren, bei denen die Krankheit seit mehr als sechs Monaten, aber weniger als zehn Jahren bestand und die noch eine Vitalkapazität von 50 % hatten. Als Studienmedikation erhielten sie zusätzlich zu ihrer bestehenden Therapie mit Riluzol 100 mg pro Tag entweder 1 mg Rasagilin pro Tag oder Placebo. Die Patienten wurden 2, 6, 12 und 18 Monate nach der Randomisierung nachuntersucht. Der funktionelle Status gemäß ALSFRS-R-Skala (ALS Functional rating scale – revised) wurde zusätzlich telefonisch nach 1, 3, 9 und 15 Monaten erhoben.

Der primäre Endpunkt war die Mortalität. Sekundäre Endpunkte waren der Wert auf der ALSFRS-R-Skala, die Änderungen der Vitalkapazität und die Änderung der Lebensqualität.

Ergebnisse

Für die Studie wurden 273 Patienten gescreent und 125 mit Placebo und 127 Patienten mit Rasagilin behandelt. Die Patienten waren im Mittel 60 Jahre alt und bei den meisten Patienten bestand eine spinale Manifestation der ALS. Die Krankheitsdauer betrug im Mittel 18,5 Monate. Die Vitalkapazität betrug 85 %.

Bis zum Studienabschluss waren 51 Patienten unter Placebo und 50 unter Rasagilin verstorben. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. Es zeigten sich auch keine signifikanten Unterschiede für die sekundären Endpunkte der Studie.

In einer Post-hoc-Analyse wurden Patienten danach stratifiziert, wie rasch sich der Erkrankung zu Studienbeginn gemäß ALSFRS-R-Skala verschlechterte. In der Untergruppe mit rascher Verschlechterung ließ sich ein therapeutischer Effekt von Rasagilin nachweisen.

Kommentar

Die randomisierte Studie des Motoneuron-Netzwerkes Deutschland zeigt leider, dass die Zusatztherapie mit dem Monoaminoxidase-B-Hemmer Rasagilin bei ALS-Patienten, die bereits mit Riluzol behandelt werden, keinen therapeutischen Effekt hat. Dies galt sowohl für den primären Endpunkt, nämlich die Sterblichkeit, wie für alle sekundären Endpunkte. Die Ergebnisse der Post-hoc-Analyse legen nahe, dass ein therapeutischer Effekt möglicherweise bei Patienten mit rascher Krankheitsprogression besteht. Diese Ergebnisse reichen aber nicht aus, um eine Behandlung dieser Patienten zu rechtfertigen; hier müsste eine weitere Studie erfolgen.

Quelle

Ludolph AC, et al. Safety and efficacy of rasagiline as an add-on therapy to riluzole in patients with amyotrophic lateral sclerosis: a randomised, double-blind, parallel-group, placebo-controlled, phase 2 trial. Lancet Neurol 2018;17:681–8.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(01):62-65