Ischämischer Schlaganfall

Keine neuronale Funktionsverbesserung durch frühe Therapie mit Citalopram


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Eine innerhalb von sieben Tagen nach einem ischämischen Insult beginnende Therapie mit Citalopram bei nichtdepressiven Patienten hat keinen Einfluss auf die funktionelle Erholung innerhalb von sechs Monaten. Auch auf die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse zeigte sich in der randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie kein Effekt.

In Tierexperimenten hatten selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) positive Auswirkungen auf die Neuroregeneration nach Schlaganfall. In der FLAME-Studie [1] zeigte sich 2011 mit einem randomisierten Design bei 118 Patienten nach ischämischem Insult eine verbesserte motorische Funktion nach einer dreimonatigen Therapie mit Fluoxetin im Vergleich zu Placebo. Eine Studie mit Escitalopram bei Patienten zur Prävention einer Depression nach Schlaganfall (EMOTION) zeigte keinen Einfluss auf den funktionellen Outcome nach drei Monaten verglichen mit Placebo [2]. Daher sollte der potenzielle Einfluss von SSRI auf die funktionelle Erholung nach Schlaganfall in einer größeren multizentrischen Studie untersucht werden.

Methodik

Die TALOS-Studie (The efficacy of citalopram treatment in acute stroke) war eine dänische Placebo-kontrollierte, randomisierte und doppelblinde Studie, in der die Wirkung von 20 mg/Tag Citalopram, beginnend innerhalb von sieben Tagen nach Beginn der Schlaganfallsymptomatik, über einen Zeitraum von sechs Monaten untersucht wurde. Eingeschlossen wurden Patienten mit ischämischem Insult ohne Depression. Die Studienmedikation wurde zusätzlich zur medizinischen Standardversorgung gegeben.

Die Studie hatte zwei primäre Endpunkte: Veränderungen der funktionellen Behinderung zwischen den Monaten 1 und 6 auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS) und einen kombinierten Endpunkt aus transitorischer ischämischer Attacke (TIA) und Schlaganfall, Myokardinfarkt oder vaskulärem Tod in den ersten sechs Monaten.

Ergebnisse

Für die Studie wurden 642 Patienten rekrutiert, die entweder auf Citalopram (n = 319) oder Placebo (n = 323) randomisiert wurden. Die Patienten waren im Mittel 68 Jahre alt und 65 % waren Männer. 37 % der Patienten wurden mit Thrombolyse oder Thrombektomie behandelt. Der mediane Wert auf der National Institute of Health Stroke Scale (NIHSS; Spanne 0–42) bei der Aufnahme ins Krankenhaus betrug 5,3 (Streubereich 0–27) in der Citalopram-Gruppe gegenüber 4,8 (Streubereich 0–28) in der Placebo-Gruppe.

Eine Verbesserung der funktionellen Behinderung nach sechs Monaten trat bei 160 (50 %) Patienten unter Citalopram und 136 (42 %) Patienten unter Placebo auf (Odds-Ratio 1,27; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,92–1,74; p = 0,057). Wenn Patienten ausgeschlossen wurden, die vor Tag 31 die Studie abbrachen (n = 90), ergab sich ein Odds-Ratio von 1,37 (95%-KI 0,97–1,91; p = 0,07). Während einer medianen Nachbeobachtung von 150 Tagen hatten 23 (7 %) Patienten in der Citalopram-Gruppe und 26 (8 %) Patienten in der Placebo-Gruppe ein primäres vaskuläres Ereignis (Hazard-Ratio 0,89; 95%-KI 0,50–1,60; p = 0,24). Insgesamt 28 Patienten (4 %) verstarben während der Studie (16 versus 12; p = 0,42).

Kommentar

Die Investigator-initiierte TALOS-Studie aus Dänemark zeigte keine Wirkung von Citalopram auf den funktionellen Outcome nach sechs Monaten und die Häufigkeit vaskulärer Ereignisse. In diesem Ergebnis stimmt die Studie mit der EMOTION-Studie überein, die bezüglich der Studienpopulation genau so groß war [2]. In die TALOS-Studie wurden viele Patienten mit leichten Schlaganfällen eingeschlossen, bei denen allerdings in der Regel eine gute funktionelle Erholung spontan erfolgt. SSRI haben also offenbar keine Auswirkungen auf die Neuroregeneration oder vaskuläre Ereignisse. Citalopram erhöhte auch nicht das Risiko von Blutungen (SSRI sind leichte Thrombozytenfunktionshemmer). Die Studie hatte einen positiven sekundären Endpunkt: Patienten in der Citalopram-Gruppe entwickelten seltener eine Depression als Patienten in der Placebo-Gruppe (10 % versus 17 %).

Quelle

Kraglund KL, et al. Neuroregeneration and vascular protection by citalopram in acute ischemic stroke (TALOS). Stroke 2018;49:2568–76.

Literatur

1. Chollet F, et al. Fluoxetine for motor recovery after acute ischaemic stroke (FLAME): a randomised placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2011;10:123–30.

2. Kim JS, et al. Efficacy of early administration of escitalopram on depressive and emotional symptoms and neurological dysfunction after stroke: a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled study. Lancet Psychiatry 2017;4:33–41.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(01):62-65