Epilepsie

Mit dem ersten Antiepileptikum erreichen zwei Drittel der Patienten Anfallsfreiheit


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer englischen Kohortenstudie, in der 1795 Patienten mit neu diagnostizierter Epilepsie über einen 30-Jahres-Zeitraum erfasst wurden, zeigte sich, dass neue Antiepileptika nicht wirksamer sind als ältere Präparate. 64 % der Patienten wurden durch die Therapie anfallsfrei, und davon 90 % mit dem ersten oder zweiten eingesetzten Antiepileptikum.

Die Epilepsie ist eine häufig auftretende neurologische Erkrankung, von der schätzungsweise 70 Millionen Menschen weltweit betroffen sind. Die antiepileptische Therapie erfolgte bis in die Mitte der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts mit Carbamazepin, Valproinsäure oder Phenytoin. Dann wurde eine Vielzahl neuer Antiepileptika eingeführt, die die traditionellen Wirkstoffe mit Ausnahme von Valproinsäure verdrängen. Für eine Kohortenstudie zur Evaluation der Antiepileptikawirkung bei neu diagnostizierter Epilepsie zogen die Autoren Daten aus der Epilepsieklinik in Glasgow heran. Diese umfassten 1795 Patienten mit neu diagnostizierter Epilepsie im Zeitraum zwischen 1982 und 2012. Die minimale Beobachtungszeit der Patienten betrug zwei Jahre. Die Autoren erfassten, welche Antiepileptika und gegebenenfalls welche Kombination verwendet wurde. Für jedes der eingesetzten Antiepileptika wurde die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass die behandelten Patienten ein Jahr anfallsfrei waren.

Ergebnisse

Von den 1795 Patienten waren 964 (53,7 %) männlich und das mittlere Alter betrug 33 Jahre. Am Ende der Beobachtungszeit waren 1144 Patienten (63,7 %) für ein Jahr oder länger anfallsfrei. Unter den Patienten, die über ein Jahr anfallsfrei waren, verwendeten 993 (86,3 %) eine antiepileptische Monotherapie. 1028 (89,9 %) erreichten Anfallsfreiheit mit dem ersten oder zweiten eingesetzten Antiepileptikum. 306 Patienten (50,5 %) blieben mit dem ersten eingesetzten Wirkstoff langfristig anfallsfrei. Wenn das erste eingesetzte Antiepileptikum nicht ausreichend wirksam war, konnte durch den Einsatz eines zweiten und dritten Wirkstoffs eine zusätzliche Rate an Anfallsfreiheit von 11,6 % und 4,6 % erreicht werden. Über den Zeitraum von 30 Jahren ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen alten und neuen Antiepileptika.

  • Kommentar

Diese große Registerauswertung ergab, dass es bei zwei Drittel aller Patienten mit neu diagnostizierter Epilepsie gelingt, mit dem ersten Antiepileptikum Anfallsfreiheit für mindestens ein Jahr zu erzielen. Nach den Erkenntnissen dieses Registers spielt dabei für die Wirksamkeit offenbar die Wahl des Antiepileptikums keine bedeutsame Rolle. Wichtiger ist, die Auswahl anhand zu antizipierender oder erlebter Nebenwirkungen zu treffen. Neue Antiepileptika sind besser verträglich und interagieren meist weniger mit anderen Arzneimitteln. Die Ergebnisse der Studie zeigen aber auch, dass ein Drittel der Patienten langfristig unter antiepileptischer medikamentöser Therapie nicht anfallsfrei wird. Bei diesen Patienten sollte, vor allem wenn eine fokale Epilepsie vorliegt, frühzeitig abgeklärt werden, ob ein epilepsiechirurgischer Eingriff infrage kommt.

Quelle

Chen Z, et al. Treatment outcomes in patients with newly diagnosed epilepsy treated with established and new antiepileptic drugs: A 30-year longitudinal cohort study. JAMA Neurol 2018;75:279–86.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(05):263-276