Delirprävention

Melatonin verringert nicht das Delirrisiko bei hospitalisierten älteren Patienten


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Das Delir ist eine häufige, oft folgenschwere Komplikation bei älteren hospitalisierten Patienten. Schlafentzug wurde als eine Ursache des Krankenhausdelirs vermutet. Melatonin greift zwar in den Schlaf-Wach-Rhythmus ein, konnte in einer vor Kurzem veröffentlichten Studie Delire jedoch nicht verhindern.

Etwa ein Drittel der Patienten auf Intensivstationen erlebt ein Delir [1]. Besonders betroffen sind Personen ab 65 Jahren mit Demenz, Anzeichen eines Abbaus kognitiver Fähigkeiten oder mit vorangegangenem Schlaganfall. Im Vergleich zu anderen Patienten weisen Patienten mit Delir eine höhere Sterberate auf, haben oft längere stationäre Aufenthalte und nach ihrer Entlassung häufiger kognitive Beeinträchtigungen.

Schlafentzug wurde als eine Ursache des Krankenhausdelirs vermutet. Nicht-medikamentöse Methoden zur Schlafförderung sind daher Teil der Strategien zur Delirprävention. Es gibt Hinweise, dass Melatonin ein Delir verhindern könnte. In einer kleinen Studie aus La Jolla, Kalifornien/USA, untersuchten Mediziner die Wirkung von Melatonin auf die Delirneigung bei hospitalisierten älteren Patienten.

Studiendesign

In der randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten klinischen Studie wurde der Einfluss von 3 mg Melatonin pro Nacht auf die Entwicklung eines Delirs und auf objektive und subjektive Schlafparameter von Patienten ab 65 Jahre untersucht. Die Patienten waren auf die innere Station (Nicht-Intensivstationen) aufgenommen worden mit einem voraussichtlichen Aufenthalt von mindestens 48 Stunden. 636 Patienten wurden auf ihre Eignung geprüft. Letztlich wurden 87 Patienten randomisiert und in die Intent-to-treat(ITT)-Analyse einbezogen (Melatonin-Gruppe: 43 Patienten, Placebo-Gruppe: 44 Patienten). Die Per-Protocol-Gruppe (PPG) umfasste 69 Patienten (36 in der Melatonin-Gruppe und 33 in der Placebo-Gruppe).

Die Delir-Inzidenz wurde von Krankenschwestern am Krankenbett unter Verwendung der „Confusion Assessment Method“ (CAM) gemessen. Objektive Schlafmessungen (nächtliche Schlafdauer, Gesamtschlafdauer pro 24 Stunden und Schlaffragmentierung, Letztere bestimmt anhand der durchschnittlichen Länge der Schlafphasen) wurden mittels Aktigraphie vorgenommen. Die subjektive Schlafqualität wurde mit dem Richards Campbell Sleep Questionnaire bestimmt.

Studienergebnisse

Ein Delir trat bei 8 von 36 Studienteilnehmern in der Melatonin-Gruppe auf (22,2 %); in der Placebo-Gruppe waren es 3 von 33 (9,1 %) (p = 0,19). Melatonin veränderte weder die Ergebnisse der objektiven noch die der subjektiven Schlafmessungen signifikant. Die nächtliche Schlafdauer und die gesamte Schlafzeit unterschieden sich nicht zwischen den Patienten, die ein Delir hatten, und denen ohne Delir. Patienten mit Delir hatten mehr Schlafunterbrechungen (Länge der Schlafphasen 7,0 ± 3,0 vs. 9,5 ± 5,3 min; p = 0,03).

Fazit der Studienautoren

Dosis, Dauer und Timing der Melatonin-Gabe sind entscheidend für das Triggern des endogenen zirkadianen Rhythmus. Die Autoren schreiben, dass eine kleinere Dosis (z. B. 0,5 mg) ausreichend gewesen wäre, um den zirkadianen Rhythmus zu triggern. Basierend auf ihrer Hypothese des Wirkungsmechanismus der Melatonin-verbesserten Schlafdauer wählten die Autoren eine höhere Dosis.

Als nächtliche Dosis von 3 mg gegeben, konnte Melatonin die Entwicklung eines Delirs nicht verhindern. Weder der subjektive noch der objektive Schlaf der Studienteilnehmer verbesserte sich mit der Medikation.

Quelle

Jaiswal SJ, et al. Melatonin and sleep in preventing hospitalized delirium: a randomized clinical trial. Am J Med 2018 May 3. [Epub ahead of print]. doi: 10.1016/j.amjmed.2018.04.009.

Literatur

1. Salluh JI, et al. Outcome of delirium in critically ill patients: systematic review and meta-analysis. BMJ 2015;350:h2538.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(05):263-276