Chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuritis

Fingolimod ist bei CIDP nicht wirksam


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer doppelblinden, multizentrischen, randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie war Fingolimod in einer Dosis von 0,5 mg täglich in der Behandlung der chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyradikuloneuritis nicht wirksam.

Die chronische inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuritis (CIDP) ist eine seltene Autoimmunerkrankung der Nervenwurzeln und peripherer Nerven. Die Erkrankung führt zu langsam progredienten Paresen und Muskelatrophien und kann sich in Schüben verschlechtern. Die wirksame Therapie besteht in der Gabe von Glucocorticoiden und intravenösen Immunglobulinen. Wenn diese Therapienansätze nicht wirksam sind, erfolgt eine Plasmaseparation. Pathophysiologisch kommt es zu einer Infiltration peripherer Nerven durch Lymphozyten und Makrophagen.

Fingolimod ist ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptormodulatur, der bei schubförmiger multipler Sklerose wirksam ist. Die Substanz bewirkt eine Hemmung der Mobilisierung von autoreaktiven T2-Zellen aus Lymphknoten. Der Wirkungsmechanismus, verbunden mit der unkomplizierten oralen Anwendung, legte eine Prüfung auch zur Behandlung der CIDP nahe.

Studiendesign

Die doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie wurde in 48 neurologischen Kliniken in Australien, Japan, den USA und in neun europäischen Ländern durchgeführt. Teilnehmer, die unter einer CIDP litten und die mit Immunglobulinen oder Glucocorticoiden behandelt wurden, wurden zur einmal täglichen Einnahme von 0,5 mg Fingolimod oder Placebo randomisiert. Zu Studienbeginn mussten die Immunglobuline abgesetzt werden und Glucocorticoide über einen Zeitraum von acht Wochen ausgeschlichen werden.

Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur ersten bestätigten klinischen Verschlechterung, definiert als ≥ 1 Punkt Zunahme der INCAT-Skala (Inflammatory neuropathy cause and treatment disability scale).

Studienergebnisse

In die Studie wurden zwischen Januar 2013 und März 2016 106 Patienten eingeschlossen, von denen 54 Fingolimod und 52 Placebo erhielten. Die Patienten waren im Mittel 54 Jahre alt, 77 % waren mit Immunglobulinen und 22 % mit Glucocorticoiden vorbehandelt worden. Die Erkrankung bestand bei 80 % der Patienten seit mehr als zwei Jahren.

Die Studie wurde auf Empfehlung des Studien-Monitoring-Komitees abgebrochen, als sich bei einer Interimsanalyse abzeichnete, dass zwischen Fingolimod- und Placebo-Gruppe kein Unterschied bestand. Bis zum Studienabbruch hatten die Patienten ihre Studienmedikation durchschnittlich 9,0 Monate (Fingolimod) bzw. 9,7 Monate lang (Placebo) eingenommen. Bei 42 % der Patienten in der Fingolimod-Gruppe und 43 % in der Placebo-Gruppe war noch keine Verschlechterung eingetreten (p = 0,91). Auch für die sekundären Endpunkte, unter anderem die Kraft des Handgriffs und die Lebensqualität gemessen mit der SF-36-Skala, zeigten sich keine Unterschiede. Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen gab es neunmal unter Fingolimod und viermal unter Placebo. Dabei waren Kopfschmerzen, erhöhter Blutdruck und Parästhesien unter Fingolimod häufiger als unter Placebo.

  • Kommentar

Diese randomisierte Studie ergab keinen therapeutischen Effekt von Fingolimod bei der CIDP. Dies galt für alle primären und sekundären Endpunkte. Das Studiendesign ist allerdings kritisch zu sehen, da die teilnehmenden Ärzte gezwungen wurden, eine bestehende wirksame Therapie zu beenden und/oder auszuschleichen. Dies erklärt, warum sich viele Patienten weigerten, an der Studie teilzunehmen. Sinnvoll wäre ein Studiendesign gewesen, bei dem Patienten eingeschlossen werden, die unter bestehender Standardtherapie mit Immunglobulinen und Glucocorticoiden weiterhin Krankheitsschübe oder eine kontinuierliche Verschlechterung der neurologischen Ausfälle aufweisen. Eine solche Studie wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Fingolimod nicht mehr durchgeführt werden.

Quelle

Hughes R, et al. Oral fingolimod for chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy (FORCIDP Trial): a double-blind, multicentre, randomised controlled trial. Lancet Neurol 2018;17:689–98.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(05):263-276