Akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuritis

Eculizumab verbessert Gehfähigkeit im Trend


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Die Behandlung mit Eculizumab, einem monoklonalen Antikörper gegen Komplementprotein C5, hatte bei Patienten mit akuter inflammatorischer demyelinisierender Polyneuritis (AIDP) im Vergleich zu Placebo keine signifikante Wirkung auf den primären Endpunkt. Nach vier Wochen konnten mit Eculizumab 61 % und mit Placebo 45 % der Patienten ohne fremde Hilfe gehen. Dies ergab eine kleine Phase-II-Studie in Japan mit 34 Patienten.

Bei der akuten inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuritis (früher Guillain-Barré-Syndrom) kommt es über einen immuninduzierten Mechanismus zu einer Entzündung der Nervenwurzeln und der motorischen peripheren Nerven. Klinisch entwickeln sich rasch aufsteigende schlaffe Paresen der Extremitäten und bei Fortschreiten der Erkrankung auch Lähmungen der Atmungsmuskulatur. Glucocorticoide sind in der Akutphase nicht wirksam. Die Therapie erfolgt mit Immunglobulinen, Plasmapherese oder Immunadsorption.

Neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie der Erkrankung zeigen, dass die Freisetzung von Komplement in der Akutphase der Erkrankung offenbar eine wichtige Rolle spielt. Eculizumab (Soliris®) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der direkt an das Komplementprotein C5 bindet und dieses inaktiviert. Eculizumab ist derzeit für die Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) sowie des atypischen hämolytisch-urämischen Syndrom (aHUS) bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen sowie bei refraktärer generalisierte Myasthenia gravis bei Acetylcholinrezeptor-Antikörper-positiven Erwachsenen zugelassen.

In einer Phase-II-Studie sollten Wirksamkeit und Verträglichkeit von Eculizumab bei der AIDP im Vergleich zu Placebo untersucht werden.

Studiendesign

Die 24-wöchige multizentrische doppelblinde, Placebo-kontrollierte, randomisierte Studie wurde an dreizehn Krankenhäusern in Japan durchgeführt wurde (Tab. 1). Eingeschlossen wurden 34 Patienten im Alter über 18 Jahren mit einer akuten AIDP, die nicht in der Lage waren, ohne Hilfe zu gehen. Die Patienten waren im Mittel 57 Jahre alt, 70 % waren Männer. Sie erhielten alle Immunglobulin intravenös (400 mg/Tag) über fünf Tage. Mit Beginn vor oder während der Immunglobulin-Therapie wurden 23 Patienten zusätzlich einmal wöchentlich mit 900 mg Eculizumab und 11 Patienten mit Placebo über vier Wochen behandelt.

Tab. 1. Studiendesign [nach Misawa S, et al.]

Erkrankung

Akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuritis (AIDP)

Studienziel

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Eculizumab bei Patienten mit AIDP

Studientyp/-phase

Interventionsstudie/Phase II

Studiendesign

Multizentrisch, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert, parallel

Eingeschlossene Patienten

34

Intervention

  • Eculizumab 900 mg wöchentlich über vier Wochen (n = 23)
  • Placebo (n = 11)

Primäre Endpunkte

Anteil der Patienten, der nach vier Wochen ohne fremde Hilfe gehen kann, sowie Verträglichkeit

Sponsor

Japanisches Gesundheitsministerium und Alexion Pharmaceuticals

Studienregisternummer

NCT02493725 (ClinicalTrials.gov)

Primärer Endpunkt der Studie war der Prozentsatz der Patienten, der nach vier Wochen ohne fremde Hilfe gehen konnte. Die statistische Analyse setzt voraus, dass 50 % der Patienten diesen Endpunkt unter Eculizumab erreichten.

Ergebnisse

Die meisten Patienten waren zu Studienbeginn aufgrund der Erkrankung bettlägerig oder benötigten einen Rollstuhl. Nach vier Wochen waren 14 von 23 Patienten (61 %) der Verum-Gruppe und fünf von elf (45 %) Patienten in der Placebo-Gruppe gehfähig. Dieser Unterschied war statistisch jedoch nicht signifikant. Auch die sekundären Endpunkte der Studie waren zwischen den beiden Behandlungsgruppen nicht unterschiedlich. Während der Studie traten bei vier Patienten schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf. In der Eculizumab-Gruppe kam es bei je einem Patienten zu einer anaphylaktischen Reaktion, einer intrakraniellen Blutung und einem Abszess und in der Placebo-Gruppe zu einer Depression.

  • Kommentar

Diese kleine randomisierte Studie aus Japan zeigt im Trend, dass Eculizumab möglicherweise zur Behandlung der AIDP wirksam ist. Die Studie war allerdings zu klein, um einen signifikanten Therapieeffekt zu zeigen. Prinzipiell stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine neue Therapie zusätzlich zu einer etablierten wirksamen Therapie zu geben oder ob die neue Behandlung nicht Patienten vorbehalten bleiben sollte, die auf Immunglobuline und/oder Plasmapherese nicht ansprechen. Die Zahl der randomisierten Patienten ist zudem zu gering für valide Aussagen zu Verträglichkeit und Sicherheit der Behandlung.

Quelle

Misawa S, et al. Safety and efficacy of eculizumab in Guillain-Barré syndrome: a multicentre, double-blind, randomised phase 2 trial. Lancet Neurol 2018;17:519–29.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(05):263-276