Episodische Migräne

CGRP-Antagonist Fremanezumab zeigt Wirksamkeit


Dr. Matthias Desch, Kogl

Fremanezumab, ein Antikörper gegen eine relativ neue Zielstruktur zur Behandlung/Prophylaxe der Migräne, konnte im Vergleich zu Placebo signifikant die Anzahl der Tage pro Monat reduzieren, an denen Patienten unter Migräneattacken litten.

Die episodische Migräne definiert sich durch weniger als 15 Tage pro Monat mit Kopfschmerz und ist die häufigste Form. Von Patienten mit episodischer Migräne leiden fast 30 % mehr als einmal pro Woche an Kopfschmerzen und etwa 8 % erfahren mindestens 10 bis 14 Migränetage pro Monat. Gerade bei dieser Subgruppe besteht die Gefahr, dass sie zu chronischen Migränepatienten werden. Nach US-amerikanischen Leitlinien wird eine pharmakologische Prophylaxe für Patienten empfohlen, die an mindestens vier Tagen pro Monat Migränekopfschmerzen haben. Dabei ist die tatsächlich durchgeführte Prophylaxe mit 15 % bei den infrage kommenden Patienten sehr gering. Arzneimittel zur Vorbeugung sind z. B. Metoprolol, Propranolol, Flunarizin oder Topiramat. Oft sprechen die Patienten unzureichend darauf an. Daher sind neue Zielstrukturen zur Prophylaxe wünschenswert.

Calcitonin gene-related peptide (CGRP) spielt eine entscheidende Rolle bei zentralen und peripheren Pathomechanismen der Migräne. Die CGRP-Spiegel sind während einer Migräneattacke erhöht. Fremanezumab ist ein subkutan zu applizierender Antikörper, der gegen CGRP gerichtet ist. In einer klinischen Studie konnte bereits die Wirksamkeit bei chronischer Migräne gezeigt werden. In der vorliegenden Phase-III-Studie sollte Fremanezumab auf Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität zur Anfallsprophylaxe bei Patienten mit episodischer Migräne geprüft werden.

Studiendesign

Die Studie setzte sich aus einer 28-tägigen Vorbehandlungsperiode und einer 12-wöchigen Behandlungsperiode zusammen; die Abschlussuntersuchung erfolgte nach Woche 12.

Es wurden Patienten zwischen 18 und 70 Jahren eingeschlossen, bei denen eine Migräne (nach ICHD-3 beta) mindestens 12 Monate vor Studienbeginn und vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert wurde. Die Teilnehmer mussten unter episodischer Migräne leiden, das heißt, sie hatten an sechs bis 14 Tagen pro Monat Kopfschmerzen, ermittelt in der 28-tägigen Vorperiode. Ausgeschlossen wurden Patienten, die Onabotulinumtoxin A vier Monate vor dem Screening oder Opioide oder Barbiturate an mehr als vier Tagen der Vorbehandlungsphase einnahmen, des Weiteren Patienten, bei denen zwei oder mehr gängige Migräneprophylaktika bereits versagt hatten.

Erlaubt war eine begleitende medikamentöse Prophylaxe, wenn die Einstellung mindestens zwei Monate vor Studienbeginn stabil war. Ebenso war es erlaubt, während der Studie Medikamente zur akuten Schmerzversorgung einzunehmen.

Die Teilnehmer wurden 1 : 1 : 1 (stratifiziert nach Geschlecht, Land und begleitender medikamentöser Prophylaxe) in folgende drei Gruppen randomisiert:

  • Arm A: Fremanezumab 225 mg subkutan alle vier Wochen
  • Arm B: Fremanezumab 675 mg einmalig subkutan zu Studienbeginn („Quartalsdosis“)
  • Arm C: Placebo

Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die durchschnittliche Änderung der mittleren Anzahl monatlicher Migränetage während des 12-wöchigen Behandlungszeitraums im Vergleich zur Vorbehandlungsperiode. Ein Migränetag war definiert als ein Kalendertag mit mindestens zwei zusammenhängenden Stunden Migränekopfschmerz oder unabhängig von der Dauer, wenn Triptane oder Ergotamin eingenommen wurden. Ein sekundärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, die eine Reduktion der mittleren Migränetage im Vergleich zum Ausgangswert von mindestens 50 % erfuhren (Übersicht in Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign [nach Dodick et al. 2018]

Erkrankung

Episodische Migräne

Studientyp

Interventionsstudie

Studiendesign

Randomisiert, Placebo-kontrolliert, doppelblind, international, multizentrisch

Studienphase

Phase III

Studienteilnehmer

875

Intervention

  • Fremanezumab 225 mg subkutan, Woche 0, 4 und 8
  • Fremanezumab 675 mg subkutan, Woche 0
  • Placebo

Primärer Endpunkt

Änderung der mittleren Anzahl an Migränetagen

Sekundäre Endpunkte

  • Anteil Patienten mit 50 % Reduktion der mittleren Anzahl an Migränetagen
  • Reduktion von Tagen, an denen ein Schmerzmittel benötigt wurde
  • MIDAS(Migraine disability assessment)-Score, u. a.

Sponsor/Mitarbeit

Teva Pharmaceuticals

Studienregisternummer

NCT02629861
(ClinicalTrials.gov)

Studienergebnisse

In die Studie wurden insgesamt 875 Patienten aufgenommen. Davon beendeten 791 Patienten die Studie gemäß Protokoll. Die Teilnehmer hatten zu Beginn im Mittel an 9,1 (SD 2,9) Tagen pro Monat Migräne (Arm A 8,9 Tage; Arm B 9,2 Tage; Arm C 9,1 Tage). 21 % nahmen ein begleitendes Prophylaxemedikament ein.

Die durchschnittliche Zahl monatlicher Migränetage verringerte sich in den 12 Wochen nach der ersten Injektion auf 4,9 (Arm A) bzw. 5,3 (Arm B) im Vergleich zu 6,5 Tagen unter Placebo (Unterschied zu Placebo jeweils signifikant mit p < 0,001).

Den sekundären Endpunkt, eine Reduktion der Migränetage um mindestens 50 %, erreichten 47,7 % im Arm A vs. 44,4 % (Arm B) vs. 27,9 % (Arm C). Auch hier waren die Unterschiede im Vergleich zu Placebo jeweils signifikant. Weitere Ergebnisse sind Tabelle 2 zu entnehmen.

Tab. 2. Studienergebnisse

Endpunkt

Fremanezumab,
monatlich

Fremanezumab,
einmalige Hochdosis

Placebo

Veränderung der durchschnittlichen monatlichen Migränetage

  • Woche 12 vs basal [d (95%-KI)]

–3,7 (–4,15 bis –3,18)

–3,4 (–3,94 bis –2,96)

–2,2 (–2,68 bis –1,71)

  • Verum vs Placebo [d (95%-KI)]; p-Wert

–1,5 (–2,01 bis –0,93); < 0,001

–1,3 (–1,79 bis –0,72); < 0,001

Patienten mit ≥ 50 % Reduktion der monatliche Migränetage

  • Basal bis Woche 12 [n (%)]

137 (47,7)

128 (44,4)

81 (27,9)

  • Verum vs. Placebo [D % Responder (95%-KI)]; p-Wert

19,8 (12,0 bis 27,6); < 0,001

16,5 (8,9 bis 24,1); < 0,001

Veränderung der durchschnittlichen monatlichen Migränetage bei Patienten ohne frühere Prophylaxe

  • Woche 12 vs. basal [d (95%-KI)]

–3,7 (–4,23 bis –3,17)

–3,5 (–4,06 bis –3,01)

–2,4 (–2,91 bis –1,88)

  • Verum vs. Placebo [d (95%-KI)]; p-Wert

–1,3 (–1,92 bis –0,70); < 0,001

–1,1 (–1,75 bis –0,54); < 0,001

MIDAS-Score

  • Basal bis 4 Wochen nach letzter Injektion

–24,6 (–27,68 bis –21,45)

–23,0 (–26,10 bis –19,82)

–17,5 (–20,62 bis –14,47)

  • Verum vs. Placebo (95%-KI); p-Wert

–7,0 (–10,51 bis –3,53); < 0,001

–5,4 (–8,90 bis –1,93); 0,002

MIDAS: Migraine Disability Assessment Score

Fremanezumab wurde gut vertragen. Die am häufigsten gemeldeten unerwünschten Wirkungen (UAW) unter Fremanezumab waren Reaktionen an der Einstichstelle, nämlich Schmerz (30 % vs. 29,6 %; mit Placebo 25,9 %), Induration (24,5 % vs. 19,6 %; Placebo 15,4 %) und Erythem (17,9 % vs. 18,9 %; Placebo 14,0 %). Schwere und ernsthafte UAW kamen in allen Gruppen gleich häufig vor und lagen unter 2 %. Die Abbruchrate aufgrund UAW war unter Verum nicht höher als unter Placebo. Bei vier Patienten des Arms B bildeten sich Antidrug-Antikörper, was jedoch keinen Einfluss auf die Wirkung hatte.

Fazit der Studienautoren

Bei Patienten mit episodischer Migräne konnte Fremanezumab sowohl bei monatlicher Gabe als auch in einer Quartals-Dosierung die Anzahl an Migränetagen pro Monat nach 12 Wochen Therapie signifikant im Vergleich zu Placebo reduzieren. Auch in weiteren Endpunkten konnten signifikante Unterschiede mit dem CGRP-Antikörper erzielt werden.

Ein großer Anteil der Probanden unterzog sich vor der Studie keiner Prophylaxe, obwohl nach Leitlinien eine Indikation dazu bestand. Dies zeigt die Unterversorgung und den Bedarf an neuen Therapieansätzen, um Migräneanfällen vorzubeugen. Ein wesentlicher Vorteil der Studie ist, dass eine präventive Therapie (stratifiziert) erlaubt war.

Die Studie ist in vielerlei Hinsicht limitiert. So konnte der Unterschied von 1,6 Tagen, für den die Studie gepowert war, im Vergleich zu Placebo nicht erreicht werden. Da aber bisher nicht definiert ist, ab welcher Reduktion an Migränetagen eine klinische Relevanz gegeben ist, ist dies erst einmal sekundär. Dies sollte aber definiert werden, wobei der subjektive Anteil daran erheblich sein wird, da neben der Schmerzdauer auch eine Reduktion der Schmerzintensität relevant sein dürfte.

Die Studiendauer ist mit drei Monaten Behandlungsdauer relativ kurz, eine Extensionsstudie wird aber bereits durchgeführt, um Langzeiteffekte und Nebenwirkungen zu evaluieren. Den bislang vorliegenden Daten zufolge scheint Fremanezumab ein gutes Sicherheitsprofil zu haben, auch im Vergleich zu bereits etablierten vorbeugenden Arzneimitteln. Es gilt festzustellen, ob es bei einer längeren Anwendungsdauer vermehrt zur Bildung von Antikörpern gegen Fremanezumab kommt und ob dadurch die Wirkung vermindert wird.

Besonders wichtig sind aber zwei Fragestellung, die unbedingt geprüft werden sollten: Welchen Effekt hat Fremanezumab im Vergleich zu anderen prophylaktischen Substanzen und können Patienten, die bereits Misserfolge unter etablierten Prophylaktika erfahren haben, von Fremanezumab profitieren?

Quelle

Dodick DW, et al. Effect of fremanezumab compared with placebo for prevention of episodic migraine: A randomized clinical trial. JAMA 2018;319:1999–2008.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(05):263-276