Lippen-Kiefer-Gaumenspalten

Risiko nach Topiramat im ersten Trimenon vor allem bei 200 mg/Tag deutlich erhöht


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Topiramat im ersten Trimenon eingenommen erhöht das Risiko für eine orale Spalt-Missbildung bei den Neugeborenen insgesamt um das Dreifache. Aufgeschlüsselt nach Tagesdosen liegen die Risiken bei einer Exposition von täglich 200 mg, beispielsweise im Rahmen einer Epilepsietherapie, deutlich höher als bei Exposition von täglich 100 mg, beispielsweise im Rahmen einer Migräne-Prophylaxe.

Das Antikonvulsivum Topiramat ist teratogen. Während der Frühschwangerschaft eingenommen steigert es das Risiko für orale Spalt-Missbildungen bei den Neugeborenen um das 2- bis 5-Fache, so die Ergebnisse mehrerer Studien. Die in diese Studien eingeschlossenen Frauen erhielten Topiramat meist aufgrund einer Epilepsiediagnose und damit in der Regel in vergleichsweise hohen Dosen. In niedrigerer Dosierung wird Topiramat aber auch in der Migräneprophylaxe eingesetzt. Zusätzlich ist es in niedriger Dosierung Bestandteil eines in den USA neu zugelassenen Präparats zur Gewichtsabnahme (Phentermin/Topiramat), dem in Europa allerdings 2013 die Zulassung versagt wurde.

Vermutlich ist der teratogene Effekt von Topiramat dosisabhängig. Um genauere Daten zur Risikoabschätzung zu erhalten, wurde eine Beobachtungsstudie initiiert, die groß genug ist, zuverlässige Informationen zu den mit relativ niedriger Inzidenz auftretenden oralen Spalten zu generieren. Die Daten sollten zusätzlich auf wichtige konfundierende Faktoren adjustiert und in einem anschließenden Vergleich von exponierten versus nicht exponierten Frauen sowie versus Lamotrigin als aktivem Vergleich mithilfe der Propensity-Score-Methode ausgewertet werden.

Methodik

Einbezogen in die populationsbasierte Kohortenstudie waren 1 360 101 Frauen, deren medizinische Daten im Rahmen des US-amerikanischen Medicaid-Analytic-eXtract-(MAX-)Projekts in den Jahren 2000 bis 2010 gesammelt worden waren und die in dieser Zeit ein lebendes Kind geboren hatten. Die Gruppe der im ersten Trimenon Topiramat-exponierten Frauen/Kinder wurde mit der Gruppe der nicht exponierten Frauen/Kinder sowie der Gruppe der im ersten Trimenon Lamotrigin-exponierten Frauen/Kinder verglichen. Untersucht wurde das Auftreten von oralen Spalt-Missbildungen bei den Neugeborenen. Die Statistiker schätzten die Risk-Ratios (RRs) anhand von linearen Modellen mit einer Stratifizierung im behandlungsbezogenen Propensity-Score und führten dann ebenfalls stratifizierte Vergleiche hinsichtlich von Indikation und eingesetzter Dosis durch.

Ergebnisse

Das Risiko für eine orale Spalt-Missbildung bei den insgesamt 2425 Topiramat-exponierten Neugeborenen bezifferte sich auf 4,1/1000 verglichen mit 1,1/1000 bei den unexponierten Neugeborenen (RR 2,90) (Tab. 1).

Tab. 1. Risiko für orale Spalten nach Topiramat-Exposition im ersten Trimenon [nach Hernandez-Diaz et al. 2018]

Adjustiertes Risk-Ratio für orale Spalt-Missbildung vs. keine Exposition

95%-Konfidenzintervall

Topiramat-Exposition

2,90

1,56–5,40

  • Epilepsiediagnose

8,30

2,65–26,07

  • Bipolarstörung

1,45

0,54–3,86

  • Exposition ≤ 100 mg

1,64

0,53–5,07

  • Exposition > 100 mg

5,16

1,94–13,73

Das RR von Missbildungen bei den Kindern von Schwangeren mit einer Epilepsiediagnose lag bei 8,30, in der Gruppe mit anderen Indikationen wie Bipolarstörungen bei 1,45. Die mediane Tagesdosis des ersten im ersten Trimenon eingelösten Topiramat-Rezepts betrug bei Epilepsie 200 mg und bei Frauen ohne Epilepsie 100 mg. Unter einer Topiramat-Monotherapie mit ≤ 100 mg lagen die RRs für orale Spalten bei 1,64; mit Dosen > 100 mg bei 5,16.

Die Ergebnisse waren vergleichbar, wenn Lamotrigin als aktive Referenzgruppe eingesetzt wurde.

Diskussion

In einer großen Kohortenstudie mit über 1,3 Millionen Schwangeren ergab sich unter einer Topiramat-Einnahme im ersten Trimenon ein um das Dreifache erhöhtes Risiko für eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bei den Neugeborenen. Das Risiko war bei Einnahme von Topiramat aufgrund einer Epilepsie mit Tagesdosen von 200 mg deutlich erhöht gegenüber einer Einnahme von Topiramat bei Einnahme beispielsweise wegen einer Bipolarstörung mit Tagesdosen von 100 mg und weniger. Allerdings sind die Risikoschätzungen bei den niedrigen Dosen aufgrund der niedrigen Fallzahlen nicht ganz so robust wie die Schätzungen für die hohen Topiramat-Dosen.

Die in dieser Studie gefundenen Ergebnisse decken sich mit denen aus anderen Studien. Inwieweit die Epilepsie selbst ein Risikofaktor für die oralen Missbildungen ist, kann auch diese Studie nicht gänzlich beantworten. Doch selbst wenn ein ganz geringes Risiko bestehen würde – was die meisten Studien allerdings verneinen – dürfte es sich insgesamt kaum auf die vorliegenden Ergebnisse ausgewirkt haben, so die Autoren. Insgesamt sollten die Ergebnisse damit nochmals Anlass sein, bei Schwangeren im ersten Trimenon Topiramat mit Vorsicht und in einer möglichst geringen Dosis einzusetzen.

Quelle

Hernandez-Diaz S, et al. Topiramate use early in pregnancy and the risk of oral clefts. A pregnancy cohort study. Neurology 2018;90:e1–e10.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(04):219-228