Schubförmig remittierende multiple Sklerose

Langzeit- und Real-World-Daten zur Wirksamkeit von Dimethylfumarat


Dr. Beate Fessler, München

Dimethylfumarat (DMF) hat sich in der Therapie der schubförmig remittierenden multiplen Sklerose etabliert. Weltweit liegen Erfahrungen bei 271 000 Patienten in 62 Ländern vor [5]. Aktuelle Real-World-Daten bestätigen nun die klinische Evidenz zur Wirksamkeit, auch im Praxisalltag, wie bei einer Pressekonferenz der Firma Biogen erläutert wurde.

Seit vier Jahren steht der oral einzunehmende Immunmodulator Dimethylfumarat (Tecfidera®) für die Therapie von erwachsenen Patienten mit schubförmig remittierender multipler Sklerose (RRMS) in Deutschland zur Verfügung. Wirksamkeit und Sicherheit gegenüber Placebo konnten in einem umfangreichen Studienprogramm gezeigt werden, unter anderem in den beiden Phase-III-Zulassungsstudien DEFINE [8] und CONFIRM [6]. Inzwischen stehen auch überzeugende Daten für die Langzeittherapie zur Verfügung. Danach weisen 52,1 % der neu diagnostizierten, mit DMF behandelten Patienten über einen Zeitraum von mittlerweile acht Jahren keine klinische Krankheitsaktivität auf [7]. Die mittlere jährliche Schubrate lag bei 0,14; 58,3 % der Patienten blieben ohne Schub und 84 % ohne Behinderungsprogression.

Krankheitsmodifizierende Substanzen im Vergleich

Doch wie bewährt sich DMF im Praxisalltag? Auf diese Frage geben aktuelle Real-World-Daten aus Deutschland eine Antwort. In retrospektiven Analysen des Patientenregisters von NTD (NeuroTransData), einem Netzwerk niedergelassener Neurologen und Psychiater in Deutschland mit insgesamt 25 000 therapienaiven und vorbehandelten RRMS-Patienten, wurde die Wirksamkeit von DMF mit der Wirksamkeit anderer krankheitsmodifizierender Therapien verglichen. Das Ergebnis: Unter einer Therapie mit DMF waren die Anzahl der Patienten mit Schub – gemessen an der Zeit bis zum ersten Schub – und die jährliche Schubrate signifikant geringer als unter Glatirameracetat, Interferon oder Teriflunomid [1]. Der Vergleich mit Fingolimod zeigte hier keine Unterschiede [2]; die klinische Wirksamkeit beider Therapien ist also ähnlich.

Über mögliche gastrointestinale Beschwerden aufklären

Unter einer Therapie mit DMF können als Nebenwirkungen insbesondere Hitzegefühl und gastrointestinale Beschwerden auftreten. Um die notwendige Adhärenz sicherzustellen, sollte der Patient über den zeitlichen Verlauf der Symptome sowie über mögliche Therapien informiert werden. Die Symptome sind in aller Regel leicht bis moderat und treten tendenziell früh im Behandlungsverlauf auf, um dann wieder abzuklingen. Ein periodisches Auftreten ist möglich [3]. Lindern lassen sich die Beschwerden durch eine, in Absprache mit dem Arzt durchgeführte, vorübergehenden Dosisreduktion oder auch die Einnahme der Tabletten zu einer fettreichen Mahlzeit. Gleichzeitig kann dem Patienten eine symptomatische Therapie angeboten werden.

Lymphozytenzahlen im Blick behalten

Unter DMF besteht das Risiko einer Lymphopenie. In den Zulassungsstudien nahm die Zahl der Lymphozyten im ersten Jahr um 30 % ab und blieb dann stabil. Eine schwere anhaltende Lymphopenie mit einem Abfall der Zellzahlen auf Werte 0,5 × 109/l wurde nur bei 2,5 % der Patienten beobachtet, die über mehr als sechs Monate behandelt wurden [4]. In diesen Fällen sollte die Therapie unterbrochen werden. Wichtig ist ein engmaschiges Monitoring der Lymphozytenzahl unter DMF. Empfohlen wird ein großes Blutbild einschließlich der Bestimmung der Lymphozytenzahlen vor Therapiebeginn sowie therapiebegleitend alle drei Monate. Detaillierte Informationen, auch zur Kontrolle von Leber- und Nierenfunktion, bietet die Fachinformation.

Unproblematisch: Familienplanung unter DMF

Ein wichtiger Aspekt der MS-Therapie ist Familienplanung und Kinderwunsch. Denn etwa 70 % der RRMS-Patienten sind Frauen, ein Großteil davon befindet sich im gebärfähigen Alter (Epidemiologie der multiplen Sklerose in Deutschland, Bundesversicherungsamt 2014). Unter DMF ist eine sichere hormonelle Verhütung möglich, da es keine Wechselwirkungen mit oralen Kontrazeptiva gibt [9]. Der Hauptmetabolit Monomethylfumarat hat eine kurze Halbwertszeit. Nach Absetzen wegen einer geplanten Schwangerschaft befindet sich bereits nach 24 Stunden kein Wirkstoff mehr im Blut. Ob DMF bis zum Eintreten einer Schwangerschaft und darüber hinaus eingenommen werden soll, muss nach Nutzen-Risiko-Abwägung entschieden werden.

Quelle

Prof. Dr. Ralf Gold, Bochum, Priv.-Doz. Dr. Til Menge, Düsseldorf, Fachpressekonferenz „Tecfidera®: Flexible RRMS-Therapie – Erfahrungen aus Klinik und Praxis“, München, 22. Februar 2018, veranstaltet von Biogen.

Literatur

1. Braune S, et al. ECTRIMS 2017; #EP1.631.

2. Braune S, et al. ECTRIMS 2017; #P651.

3. Fachinformation Tecfidera®.

4. Fox RJ, et al. AAN 2017; #P5.391.

5. Fox RJ, et al. ECTRIMS 2017; #P743.

6. Fox RJ, et al. N Engl J Med 2012;267:1087–97.

7. Gold R, et al. ECTRIMS 2017; #P661.

8. Gold R, et al. N Engl J Med 2012;367:1098–107.

9. Zhu B, et al. AAN 2106; #P2097.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(04):219-228