Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung


Das Interaktionspotenzial der nichtselektiven, nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR)

Holger Petri, Bad Wildungen*

Die in Deutschland am häufigsten verordneten nichtselektiven, nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR) sind Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen. Alle drei Arzneimittel sind Substrate des polymorph exprimierten Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzyms 2C9 (Tab. 1).
Psychopharmakotherapie 2018;25:155–7.

Ibuprofen

Ibuprofen war 2017 in Deutschland das meistverordnete nichtselektive, nichtsteroidale Antiphlogistikum (NSAR) [11]. Es ist ein Racemat, dessen S-Enantiomer (Dexibuprofen) hauptverantwortlich für die pharmakologische Wirkung ist [7]. Der Abbau erfolgt primär über das polymorph exprimierte Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzym 2C9, während das R-Enantiomer über CYP2C8 verstoffwechselt wird [7]. In einer pharmakokinetischen Interaktionsstudie mit Probanden erhöhten die beiden CYP2C9-Inhibitoren Fluconazol und Voriconazol (Abb. 1) die AUC-(Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve)-Werte des S-Enantiomers um das 1,8- bzw. 2-Fache [9]. Somit sollte bei Patienten unter Ibuprofen-Therapie bei Komedikation mit potenten CYP2C9-Hemmern eine Dosisreduktion des NSAR erwogen werden. Eine Empfehlung hierzu findet sich nicht in der Fachinformation [3].

Träger der beiden Allele CYP2C9*2 und *3 kodieren für Enzyme mit verminderter Enzymaktivität [2]. Etwa 1 bis 3% der Mitteleuropäer sind homozygote Träger dieser Genvarianten und können CYP2C9-Substrate nur in stark reduziertem Umfang verstoffwechseln (Poor metabolizer). Wesentlich häufiger sind heterozygote Allelträger (intermediate metabolizer) (Tab. 1). Bei diesen Patienten könnte Ibuprofen in Kombination mit klinisch relevanten CYP2C9-Hemmern (Abb. 1) aufgrund der additiv verminderten Enzymaktivität zu erhöhten S-Ibuprofen-Plasmaspiegeln führen.

Zu einer Plasmaspiegelsenkung kann es bei Anwendung von CYP2C9-Induktoren kommen (Abb. 1). Empfehlungen zur Dosiserhöhung finden sich auch hier nicht in der Fachinformation [3].

Der starke CYP2C8-Hemmer Gemfibrozil führte in einer Studie zu einem Anstieg der AUC von R-Ibuprofen um 34%. Interaktionen von Ibuprofen mit CYP2C8-Hemmern sind somit von geringer klinischer Relevanz [13].

Diclofenac

Die Metabolisierung von Diclofenac ist komplex. Wichtigstes Enzym der Phase-I-Reaktionen ist CYP2C9. Diclofenac wird aber auch direkt über die Uridin-5’-diphosphat-Glucuronosyltransferase (UGT) 2B7 glucuronidiert [6].

Voriconazol erhöhte in einer Untersuchung die AUC von Diclofenac bei Probanden um 79% und verdoppelte die Plasmaspitzenspiegel [10]. Die Fachinformation rät daher zur Vorsicht bei Kombination mit potenten CYP2C9-Inhibitoren, ohne jedoch eine konkrete Dosisreduktion zu empfehlen [5]. Besondere Vorsicht sollte bei Patienten mit vermindertem CYP2C9-Metabolismus und Komedikation mit CYP2C9-Hemmern gelten.

Der CYP2C9-Induktor Rifampicin senkte nach sechs Tagen Anwendung den AUC-Wert von Diclofenac bei Probanden um durchschnittlich etwa zwei Drittel [12]. Eine Wirkungsabschwächung von Diclofenac bei Anwendung von CYP2C9-Induktoren ist somit möglich.

Der über UGT2B7 gebildete Glucuronidmetabolit wird über CYP2C8 abgebaut. Die CYP2C8*4-Allele kodiert für Enzyme mit verminderter Aktivität. Das Auftreten arzneimittelbedingter Leberschäden wird in Verbindung gebracht mit Patienten, die Trägern dieses Allels sind [6]. Inwiefern sich dies für Interaktionen mit CYP2C8-Hemmern übertragen lässt, bedarf weiterer Untersuchungen.

Naproxen

In-vitro-Daten weisen auf einen CYP1A2- und CYP2C9-abhängigen Abbau von Naproxen hin [8]. In einer klinischen Studie hatte der verlangsamte Stoffwechsel heterozygoter Träger des CYP2C9*3-Genotyps keine Auswirkungen auf die Plasmaspiegel von Naproxen verglichen mit Trägern des Wildtyp-Allels [1]. Aufgrund fehlender klinischer Studien ist die Bedeutung CYP-bedingter Arzneimittelinteraktionen schwer abschätzbar. Es kann angenommen werden, dass das Risiko als niedrig einzustufen ist. Der Anteil von Phase-I-Metaboliten nach parenteraler Anwendung von Naproxen liegt bei unter 30%, zu etwa 70% wird das NSAR unverändert oder als Glucuronid renal ausgeschieden [4].

Abb. 1. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf Cytochrom P450 (CYP) 2C9 (Stand 4/2018) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]

Literatur

1. Bae JW, Kim JH, Choi Cl, et al. Effect of CYP2C9*3 allele on the pharmacokinetics of naproxen in Korean subjects. Arch Pharm Res 2009;32:269–73.

2. Caudle KE, Rettie AE, Whirl-Carrillo M, et al. Clinical pharmacogenetics implementation consortium guidelines for CYP2C9 and HLA-B genotypes and phenytoin dosing. Clin Pharmacol Ther 2014;96:542–8.

3. Fachinformation Ibuhexal®. Stand: August 2015.

4. Fachinformation Naproxen Hexal®. Stand: August 2015.

5. Fachinformation Voltaren®. Stand: August 2016.

6. Lazarska KE, Dekker SJ, Vermeulen NPE, et al. Effect of UGT2B7*2 and CYP2C8*4 polymorphisms on diclofenac metabolism. Toxicol Lett 2018;284:70–8.

7. Mazaleuskaya LL, Theken KN, Gong, Li, et al. PharmGKB summary: ibuprofen pathways. Pharmacogenet Genomics 2015;25:96–106.

8. Miners JO, Coulter, S, tukey RH, et al. Cytochromes P450, 1A2, and 2C9 are responsible for the human hepatic O-demethylation of R- and S-naproxen. Biochem Pharmacol 1996;51:1003–8.

9. Hynninen VV, Olkkola KT, Leino K, et al. Effects of the antifungals voriconazole and fluconazole on the pharmacokinetics of S-(+)- and R-(-)-ibuprofen. Antimicrob Agents Chemother 2006;50:1967–72.

10. Hynninen VV, Olkkola KT, Leino K, et al. Effect of voriconazole on the pharmacokinetics of diclofenac. Fundam Clin Pharmacol 2007;21:651–6.

11. Schwabe U, Paffrath D, Ludwig WD, Klauber J. Arzneiverordnungs-Report 2017. Springer-Verlag GmbH, Germany 2017.

12. Surya K, Rao MNVS, Chakrapini T, et al. Rifampicin pretreatment reduces bioavailability of diclofenac sodium. Indian J Pharmacol 1995;27:183–5.

13. Tornio A, Niemi M, Neuvonen PJ, et al. Stereoselective interaction between the CYP2C8 inhibitor gemfibrozil and racemic ibuprofen. Eur J Clin Pharmacol 2007;63:463–9.

*Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2018;39:193–5.

Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.


Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de

Psychopharmakotherapie 2018; 25(03):155-157